Die neuen gegen Russland geplanten US-Sanktionen könnten auch wirtschaftliche Auswirkungen für europäische und deutsche Unternehmen haben. Auch für Nordstream 2. Renommierter Ökonom im Sputnik-Interview: "Sanktionen sind Teil von Trumps 'America-First'-Strategie und sollen die technologisch hinterherhinkende USA voranbringen."
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"Es gibt keinen unmittelbaren Grund, solche Sanktionen jetzt zu veranlassen", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel aus Bremen im Gespräch mit Sputnik. "Die gesamte Prüfung, ob es tatsächlich, wie behauptet, russische Hacker-Angriffe und Einmischungen in den letzten US-Wahlkampf gegeben hat, läuft ja noch. Das sind ja bisher unbewiesene Behauptungen. Da sind solche Sanktionen eher kontraproduktiv und brutal."


"Mit den US-Sanktionen gegen Russland traf das US-Repräsentantenhaus eine Fehlentscheidung", erklärte der Ökonom. "Das ist innenpolitisch motiviert. Es soll eine Provokation gegen US-Präsident Donald Trump darstellen, eingeleitet vom Repräsentantenhaus und dem US-Senat." Laut Hickel befürworte Trump selber "keine Sanktionen gegen Russland".

Auch politische Beobachter in den USA bewerteten den Vorgang als ein weiteres Zeichen dafür, dass der US-Präsident mit wachsendem Widerstand sowohl bei den Demokraten, als auch in den eigenen Reihen zu kämpfen hat.

US-Interessen gegen Konkurrenz durchsetzen

"Die Sanktionen sind Ausdruck eines aggressiven, US-amerikanischen Imperialismus-Anspruchs", sagte der Bremer Ökonom. Damit sollen aus seiner Sicht US-amerikanische Exporte gestärkt werden, gerade im Energie-Sektor. "Auch das russisch-europäische Nordstream-Projekt soll damit unterlaufen werden." Russland habe in der Energiewirtschaft "eine starke Position." Er verwies auf die geplante Gaspipeline Nordstream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland bringen soll. Wenn russische Firmen in ihren Geschäften mit US-amerikanischen Unternehmen eingeschränkt werden, könnten davon Projekte betroffen sein, bei denen mit europäischen Firmen kooperiert wird, so bei Nordstream.

Bei solchen Pipeline-Projekten gehe es vor allem um komplexe Maschinen für den Transport, um Logistik, um Maschinenbau, erklärte Hickel. "Der europäische und russische Maschinenbau sind das Ziel der Amerikaner. Das ist ein ganz übler Angriff auf diese Kernbereiche, im Sinne der US-Position. Ohne eine ökonomische Rechtfertigung zu haben, weil technologisch die USA bei weitem nicht besser sind als der Rest der Welt." Der Ökonom verwies auf kritische Stimmen, nach denen die Initiatoren der Sanktionspläne in Wahrheit darauf abzielen würden, eigene US-Energieversorger auf den europäischen Markt zu bringen und russische Konkurrenten in diesem Sektor zu verdrängen. Es gehe um die globale Vormachtstellung der USA: "Hier wird Politik, Wirtschaftspolitik betrieben. Die Sanktionen werden für außenwirtschaftliche Ziele genutzt."

Keine Einigkeit zwischen USA und EU

Moskau habe die USA mehrmals vor diesem - aus russischer Sicht feindlichen - Schritt gewarnt und sei es leid, sich zurückzuhalten, sagte Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow laut Medienberichten. Der Kreml bezeichnete die Maßnahmen als "kontraproduktiv". Sie würden den "russisch-amerikanischen Interessen auf beiden Seiten schaden."

"Es gibt zum Glück auch in der deutschen Politik viele Köpfe die sagen, die Sanktionen seien völlig unnötig", kommentierte Hickel, dass die deutsche Bundesregierung die Sanktionspläne im Juni als "befremdlich" und "völkerrechtswidrig" bezeichnet hatte. Erst vor wenigen Tagen sprach sich Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) für eine "schrittweise Aufhebung und Lockerung" der Anti-Russland-Sanktionen durch EU und USA aus.

Die EU-Kommission hat den USA eine "adäquate Reaktion" in Aussicht gestellt, sollte sich Amerika bei seinen neuen Russland-Sanktionen über europäische Bedenken hinwegsetzen. "America First kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen", sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Es gibt bei den anti-russischen Sanktionen aktuell keine Einigkeit zwischen der EU und den USA", bewertete Hickel die derzeitige Lage.

Im US-Repräsentantenhaus hatten am Dienstag fast alle Abgeordneten der Verschärfung der Sanktionen gegen Russland zugestimmt. Lediglich drei von 422 abgegebenen Stimmen votierten gegen das umstrittene Gesetz.

Das komplette Interview mit Prof. Dr. Rudolf Hickel zum Nachhören: