Die USA sollen Waffen aus Osteuropa über ihren Flugstützpunkt Ramstein nach Syrien an die Rebellen geliefert haben, wider deutschem Recht. Die Süddeutsche Zeitung präsentierte am 12. September ihre Recherche, die auf Absprachen zwischen US-Militärs und der Bundesregierung hindeutet.
Militärtransportflugzeug
© www.globallookpress.comDas Beladen eines Militärtransportflugzeuges auf dem Luftwaffenstützpunkt im deutschen Ramstein.
"Offenbar" und "womöglich" und trotzdem ziemlich sicher: Die SZ stellte zusammen mit zwei von den NGOs finanzierten Journalistennetzwerken nach einer jahrelangen Recherche fest, dass die USA über die Flugbasis Ramstein ihre Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet in Syrien abwickelten und damit deutsches Recht brachen. Die Bundesregierung beteuert, von Waffenlieferungen über deutsches Territorium nach Syrien nichts zu wissen.

Nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hätten die USA nämlich Genehmigungen aus Berlin gebraucht, um via Deutschland Waffen nach Syrien zu schaffen, schreibt die SZ. Die Amerikaner versuchten es laut Bundeswirtschaftsministerium erst gar nicht: Seit 2010 hätten sie keine Lieferungen nach Syrien oder in dessen Nachbarländer beantragt. Die USA bestreiten aber, dass sie Berlin nicht die ganze Wahrheit gesagt haben.

Aber um welche Waffenlieferungen handelt es sich? Nach dem Train-and-Equip-Programm des US-Verteidigungsministeriums unterstützen die USA zurzeit bestehende Rebellenformationen, die in verschiedenen Regionen im Norden und Osten Syriens gegen den IS kämpfen sollen: Das sind kurdische, moderat islamisch geltende arabisch-sunnitische, assyrische und säkulare Milizen.


Kommentar: Das US Imperium ist bekannt für seine Aufrüstung von "moderaten" Terroristen in Syrien und anderen Ländern:
moderat Terrorist
© Flow

In der Region ist man traditionell mit Waffen sowjetischer, nun russischer Bauart vertraut - Stichwort: Kalaschnikow. Außerdem fallen diese Waffen weniger auf und manch unbequeme Frage wird dadurch vermieden:
Damit ließ sich die CIA-Waffenhilfe einfacher leugnen; solche Waffen gibt es in Syrien zuhauf", schreibt die SZ.
Deshalb lassen die US-Militärs über private Dienstleister in Osteuropa und auf dem Balkan Waffen und Munition russischer Bauart im Wert von Hunderten Millionen Dollar kaufen. Den Journalisten der SZ-Medienpartner ist es gelungen, die Lieferwege der Waffen nachzuvollziehen.

Sie führen von Fabriken in Serbien, Bosnien, Tschechien und Kasachstan in die Türkei und nach Jordanien, wo die USA ihren Verbündeten je eine Kommandozentrale unterhielten, in denen Offiziere und Geheimdienstler die Unterstützung koordinierten. In die Region kam die heikle Fracht über Häfen in Rumänien und Bulgarien - oder den 1.400 Hektar großen US-Militärflugplatz im deutschen Ramstein.

Im Februar 2017 fragte der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele die Bundesregierung nach möglichen Waffenlieferungen der Amerikaner für Syrien über den US-Stützpunkt. Die Bundesregierung erklärte, "keine Erkenntnisse" zu haben,
dass das Verteidigungsministerium Waffen und Munition in Mittel- und Osteuropa für Anti-IS-Kämpfer in Syrien aufkauft und über deutsche US-Stützpunkte liefert."
Auch auf einer SZ-Anfrage erklärte das Auswärtige Amt, "keine eigenen Erkenntnisse über Waffenlieferungen der amerikanischen Streitkräfte an syrische Rebellen über US-Militärstützpunkte in Deutschland" zu haben. Die Bundesregierung habe "keine entsprechenden Genehmigungen erteilt".

Die Bundesregierung hätte aber von den Lieferungen wissen müssen, schreibt SZ: Bereits im Dezember 2015 berichtete die serbische Tageszeitung Večernje Novosti von Waffen und Munition, die mit Transportflugzeugen des US-Militärs nach Ramstein geflogen wurden - mit dem Ziel Syrien. Ein im Juli 2016 publizierter UN-Waffenexportbericht listet 11.970 Sturmgewehre und 50 schwere Maschinengewehre auf, die aus Serbien an einen "US-Militärstützpunkt in Deutschland" geliefert worden seien.

Eine E-Mail, die den an der Recherche beteiligten Journalistennetzwerken vorliegt, lässt große Zweifel an den Darstellungen sowohl der Amerikaner als auch der Bundesregierung aufkommen. Darin hält das US-Kommando für Spezialoperationen (Socom) seine Dienstleister an, keine Transitgenehmigungen mehr zu beantragen.
Deutschland ist solchen Anfragen gegenüber sehr empfindlich geworden", heißt es in der E-Mail von Dezember 2016.
Diese Kenntnisse weisen auf die möglichen vorherigen Absprachen zwischen den Amerikanern und der Bundesregierung hin. Woher diese Erkenntnis jedoch kommt, wenn es keine Gespräche mit Berlin gab oder gar entsprechende Anträge der Amerikaner an die Bundesregierung, fragen die Journalisten.
Sollten US-Stellen gegenüber deutschen Behörden falsche Angaben gemacht haben, etwa, dass die Waffen in die USA geliefert werden sollten, müsste dies schwerwiegende Konsequenzen haben - theoretisch", so die SZ.
Die Konsequenzen, die Verstöße nach sich ziehen, sind nicht weniger als der komplette Ausschluss des "Empfängers" von weiteren Rüstungslieferungen. Mit anderen Worten - deutsche Waffenlieferungen in die USA werden ausgesetzt. Theoretisch.

Linken-Politiker Jan van Aken, ein ehemaliger UN-Waffenkontrolleur, kritisierte die Bundesregierung scharf für deren mutmaßliche Mitwissenschaft in einer weiteren Ramstein-Affäre:
Schon wieder ist es Ramstein, über das die USA ihre schmutzigen Kriege in aller Welt organisieren, und schon wieder guckt die Bundesregierung ganz intensiv weg und will mit all dem nichts zu tun haben", sagte er der SZ.
In Zusammenhang mit diesem Bericht ist ein weiteres Detail interessant. Die Journalistennetzwerke, Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) sowie Balkan Investigative Reporting Network (BIRN), die der SZ Informationen beschaffen haben, werden unter anderem neben Open Society Foundation, der Konrad-Adenauer-Stiftung auch von der US-Regierung (USAID), der EU-Kommission und der OSZE finanziert. Zu ihren bekanntesten Projekten gehören die Panama Papers, Launrodomat und Dokus zum Kosovo-Konflikt.