Grafische Darstellung der Hirnaktivität vor und nach einmonatiger Therapie mit Nervenstimulation
© Corazzol et al. / Current BiologyGrafische Darstellung der Hirnaktivität vor (l.) und nach einmonatiger Therapie (r.).
Lyon (Frankreich) - Erstmals ist es Ärzten durch gezielte Nervenstimulation gelungen, das Bewusstsein eines aufgrund einer Hirnverletzung seit ganzen 15 Jahren im Wachkoma liegenden Patienten wieder zu erwecken. Damit widerspricht das Studienergebnis der bislang verbreiteten Annahme, dass ein Wachkoma von mehr als 12 Monaten zwangsläufig zu irreversiblen Zustand führt.

Während sich Komapatienten unempfänglich für äußere Reize in einer Art Schlafzustand befinden, sind Wachkomapatienten zwar wach, zeigen aber keine Anzeichen von Wahrnehmungen ihrer Umwelt oder kognitive Funktionen. Während es in einigen Fällen gelingen kann, einen Patienten aus einem nahezu vollständigen in einen Zustand minimalen Bewusstseins zu versetzten, galt bislang ein Wachkoma von mehr als 12 Motane als irreversibel schädigend.

Wie das Team um Martina Corazzol und Angela Sirigu vom französischen Insitut des Sciences Cognitive aktuell im Fachjournal Current Biology (DOI: 10.1016/j.cub.2017.07.060) berichtet, zeigte der Patient schon einen Monat nach Beginn der Therapie deutliche Verbesserungen und Anzeichen dafür, dass er aus seinen vollständigen Wachkomazustand in einen Zustand zurückkehrte, in dem der Patient zumindest minimale Anzeichen von Bewusstsein aufweist (minimally conscious state).

Im aktuellen Fall handelte es sich um einen 35-jährigen Mann mit schweren Hirnverletzungn, der sich bereits seit 15 Jahren im Wachkoma befand. Da die Reizung des Vagus in früheren Untersuchungen einen Stimulation des Thalamus und damit jenes Hirnzentrums auslöste, dass für die Koordination sensorischer Signale verantwortlich ist, reizten die Mediziner den sogenannten Vagusnerv und damit einen der wichtigsten Verbindungsnerven zwischen Kopf und Körper mit leichten elektrischen Stimulationen.

Die Ärzte beobachteten dabei das Verhalten des Patienten und seine Reaktionen auf die Reize und zeichneten die Hirnaktivität mittel EEG- und PET-Scans auf. Nach und nach steigerten sie zudem die Intensität der Stimulation, um nach einem Monat eine Reizstärke von 1 Milliampere erreicht zu haben und der Patient erste Anzeichen einer stetigen Verbesserung seiner Fähigkeit zur grundlegenden Erregung, Aufmerksamkeit, Beweglichkeit und zur visuellen Aufmerksamkeit zeigte.

"Zum ersten Mal nach insgesamt 15 Jahren zeigte der Patient wieder stetige und messbare Anzeichen für ein Wachbewusstsein und schaffte den Schritt vom Wachkoma in einen Zustand minimalen Bewusstseins", berichten die Autoren der Studie. "Der Mann begann erstmals wieder auf einfache Befehle zu reagieren, was ihm zuvor unmöglich war. So konnte er nun beispielsweise ein Objekt mit dem Blick verfolgen und auf Nachfrage seinen Kopf wenden. (...) Auch seine Mutter berichtete von einer verbesserten Fähigkeit wach zu bleiben, etwa wenn ihm vorgelesen wurde."

Zudem spiegelten sich die sichtbaren Verbesserungen auch in den EEG- und PET-Scans wieder, die nun wieder eine stetige Hirnaktivität in jenen Teilen des Gehirns aufzeigten, die allgemein als Marker für ein vorhandenes Wachbewusstsein gelten (s. Abb.).
Aktivitätsmuster im Thalamus vor (l.) und nach der einmonatigen Therapie (r.)
© Corazzol et al. / Current BiologyAktivitätsmuster im Thalamus vor (l.) und nach der einmonatigen Therapie (r.).
Als Schlussfolgerung ihrer Studie erklären die Autoren, dass die Ergebnisse der allgemeinen Annahme widersprechen, dass ein Wachkoma von mehr als 12 Monaten zwangsläufig zu irreversiblen Zustand führt.

"Allerdings müssen wir bedenken, dass eine erfolgreiche Fallstudie noch keine neue in allgemein anwendbare Therapie darstellt", geben die Mediziner abschließend zu bedenken. "Wir stehen noch am Anfang und haben erst die Daten eines einzigen Patienten vorliegen. Dennoch geben wir auch gerne zu, dass diese Ergebnisse vielversprechend sind."

Nun hoffen die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse im Rahmen einer umfangreicheren Fallstudie untersuchen zu können, um daraus möglicherweise auch eine gezielte Therapie entwickeln zu können.