Pentagon
© David B. Gleason
Für eine effektive "Projektion der Macht" benötigt das Pentagon die entsprechende Logistik und Infrastruktur, sonst könnten seine Truppen einfach nicht bis zum Feind durchkommen. Genau deshalb predigt Washington gebetsmühlenartig der EU von einer bevorstehenden "russischen Aggression" und die Notwendigkeit eines "militärischen Schengenraumes".

Frederick Hodges, Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte für das Gebiet von Europa und der Ex-Republiken der Sowjetunion einschließlich Russlands, wendet sich seit Jahren an die EU, um das Projekt eines solchen militärischen gemeinsamen Raumes aufzulegen.

Die Logik des US-Militärs ist klar - seine Panzer und Flugzeuge sollen sich möglichst wohl auf dem gesamten Gebiet von Lissabon bis (sehr wünschenswert) nach Wladiwostok fühlen.

In seiner Argumentation betont Hodges, dass die Allianz die Möglichkeiten haben müsse, "sich genauso schnell oder schneller zu bewegen als die Truppen Russlands".

Dies sei notwendig, damit "unser Potential zur 'Eindämmung' (Russlands - Anm.d.Red.) effektiv ist".

Im Prinzip sagt er damit nichts anderes, als dass die USA mit ihren Verbündeten sichtbar unzufrieden seien. Stattdessen schlägt der US-Commander den europäischen Staatenchefs und Parlamenten vor, ihre Souveränität zur "vertrauenswürdigen Aufbewahrung" an das Pentagon abzugeben.

Wie sonst soll man die "gesonderten Regeln für den Transport von Waffen und militärischer Ausrüstung über Grenzen hinweg" interpretieren, die Washington fordert?

Möglicherweise wird dem einen oder anderen Beobachter solch ein amerikanischer "Barbarossa"-Plan für Europa als übertrieben vorkommen - dennoch, man sollte sich in Erinnerung rufen, dass die Hälfte aller amerikanischen Auslandsmilitärbasen (350 an der Zahl) in Europa liegt.

40 davon sind direktes US-amerikanisches Staatseigentum - die jeweiligen Länder haben also keine Souveränität über diese Flecken des eigenen Territoriums.

Auf diesen Basen sind rund um die Uhr Dutzende Tausend US-Soldaten stationiert und lagern gewaltige Mengen an Waffen und Militärtechnik.

Sollten einmal nationalstaatliche Grenzen für dieses US-"Kapital" ein Hindernis sein, würden die Amerikaner die Grenzen wohl kurzerhand nach ihrem Belieben "verschieben".

Damit dies erst gar nicht notwendig wird, schlägt Hodges seinen europäischen Verbündeten vor, dies lieber freiwillig zu tun und ein generelles grünes Licht allen amerikanischen Truppen auf dem gesamten EU-Territorium zu geben.

So etwas könnte man auch als "Kolonialismus-Light" bezeichnen.

US-Präsenz und "Übungsszenarien"

Mehr als 60.000 US-Soldaten aller Truppengattungen sind in Europa stationiert. Sie sind verteilt auf 13 Garnisonen in fünf europäischen Ländern - Niederlande, Belgien, Luxemburg, Italien und natürlich Deutschland.

Ein Vorzeigebeispiel der US-Präsenz ist die Ramstein Air Base.

Der Militärstützpunkt Ramstein ist ein Knotenpunkt des amerikanischen militärischen Spinnennetzes in Europa und befindet sich gleich vor der Haustür: Rund zehn Kilometer westlich von Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz.

Es ist nicht weniger als das Hauptquartier der amerikanischen Luftwaffe in Europa und Afrika sowie das Hauptquartier der Nato-Kommandobehörde zur Führung der Luftstreitkräfte.

Vom Operationszentrum der Basis werden die Planung und Steuerung der Kampfdrohnen-Angriffe gegen Ziele im Irak, Afghanistan, Somalia, Jemen und Pakistan koordiniert. Der Militärflughafen beherbergt rund 35.000 amerikanische Militärangehörige und 6000 Zivililisten und ist damit die personalmäßig größte Einrichtung der US Air Force außerhalb der Vereinigten Staaten.

Nicht zuletzt wird geschätzt, dass etwa 150 Atombomben immer noch auf dem Arial gelagert werden, dazu stehen 16 Staffeln von Militärtransportflugzeugen bereit.

Vor allem im Fall eines Konfliktes mit Russland wäre Ramstein der Knotenpunkt für den Krieg an der "Ostfront" - etwa für Luftangriffe mit strategischen Bombern gegen russische Städte. Oder auch als Evakuierungspunkt für den möglichst schnellen Rückzug der eigenen Truppen aus dem Gebiet.

Welcher der beiden Fälle eintreten sollte, wäre eben auch vom "Glück" abhängig.

Dennoch, auf dem Weg von Deutschland bis nach Russland müssten mehrere Staatsgrenzen überquert werden - was deutlich zielführender ohne die ganzen Formalitäten, Bürokratie und demokratische Werte der EU wäre. Ein generelles grünes Licht für US-Truppen auf EU-Territorium würde dem Pentagon damit extrem viele Sorgen ersparen.

Vorbereitung für apokalyptische Szenarien?

Man kann den apokalyptischen Szenarien glauben oder nicht, klar bleibt aber, dass der Westen verschiedene Varianten eines Krieges mit Russland systematisch durchspielt. Regelmäßig finden Übungen statt, die in ihrem Szenario eindeutig Russland als den Hauptgedanken haben. Zuletzt wurden gar Statisten mit Russisch-Kenntnissen gesucht, um die Militärmanöver für die US-Soldaten möglichst realistisch zu machen.

Schließlich befindet sich in Polen eine amerikanische Panzer-Abwehr-Brigade, während die baltischen Länder sich ständig als die "drei Reiter der Apokalypse" inszenieren.

Gleichzeitig richtet sich das Pentagon auch in Moldau ein und überprüft bereits die mögliche Komptabilität der ukrainischen Armee mit den Truppen der Allianz zum Jahr 2020 hin.

Nicht selten entsteht somit der Eindruck, dass der Westen sich nach einer militärischen Konfrontation mit Russland nahezu sehnt, und Moskau zu diesem Krieg fast schon drängt.

Alea jacta est - die Würfel sind gefallen

Russland seinerseits bedroht niemanden - aber nicht wegen der eigenen Schwäche, sondern weil es sich als einen Teil der multipolaren Welt betrachtet.

Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die für sich stets die Option freihalten, einen "Global Strike" gegen ein beliebiges Land zu führen, zieht Russland für sich den Einsatz von Gewalt (Atomwaffenschlag) nur in Betracht, wenn das Land oder einer seiner Verbündeten Opfer einer Aggression geworden sind - und nur nachdem alle friedlichen Mitteln zur Konfliktlösung erschöpft sind.

Russland versucht daher erst gar nicht, ein System eines globalen Schlags aufzubauen, denn es hat in erster Linie die eigene Verteidigung im Vordergrund.

Dennoch, im Falle einer Aggression wird Moskau aktiv und offensiv zurückschlagen.

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass die reine Verteidigung des eigenen Territoriums nicht mehr ausreichend ist, um die Landessicherheit zu gewährleisten.

Kommandopunkte der feindlichen Truppen müssen auch außerhalb der eigenen Grenzen bekämpft und ihre Luftwaffe sowie die Kommunikationstechnik im All aktiv neutralisiert werden können.

Die Amerikaner vertrauen auf ihre angebliche technische Überlegenheit. Doch in den Jahrzehnten der Kriege im Nahen Osten haben sie eine Auseinandersetzung mit einem ebenbürtigen Gegner verlernt (falls sie es denn überhaupt je konnten).

Nun ist das Pentagon längst nicht mehr der Monopolhalter auf hoch-präzise Waffensysteme. Zudem ist Russland in der Lage sogenannte Anti-Access/Area-Denial-Areas ("A2/AD") für die US-Truppen in zahlreichen Regionen des Planeten aufzubauen. Dahinter verbirgt sich die Fähigkeit, einem technisch hoch entwickelten Gegner den Zugriff auf strategisch wichtige Gebiete mit relativ einfachen Mitteln (Flugabwehrsystemen oder Anti-Schiffs-Raketen) zu verwehren.

Das Pentagon war sichtlich überrascht von der Geschwindigkeit, mit der Russland in 2015 ein eigenes militärisches Kontingent in Syrien aufgebaut hatte und wie effektiv sichtbare Ergebnisse im syrischen Krieg erzielt wurden.

Möglicherweise ist es für die US-Truppen nun an der Zeit, ein generelles grünes Licht zu bekommen - aber um aus Europa möglichst schnell abzuziehen.

Vermutlich, würde die Mehrheit der "Verbündeten" die Amerikaner mit Blumen und Fanfaren und vor allem großer Erleichterung nach Hause abziehen sehen.

*Die Meinung des Autors muss nicht mit dem Standpunkt der Redaktion übereinstimmen.