Künstlerische Darstellung einer Kilonova zweier verschmelzener Neutronensterne
© ESO/L. Calçada/M. KornmesserKünstlerische Darstellung einer Kilonova zweier verschmelzener Neutronensterne.
Garching (Deutschland) - Bereits seit Juni mehrten sich Gerüchte (...GreWi berichtete), die mit den heutigen Pressekonferenzen der Europäischen Südsternwarte (ESO) und der Gravitationswellendetektoren VIRGO und LIGO bestätigt wurden: Tatsächlich ist es erstmals gelungen, Licht einer Gravitationswellen-Quelle zu beobachten. Möglich wurde dies, weil die Welle nicht von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern sondern von zwei Neutronensternen ausgelöst wurde.

Gleich in mehreren Fachartikeln wird die Entdeckung u.a. im Fachjournal Nature ausführlich beschrieben: Während ein explodierender Stern als "Supernova bezeichnet wird, wird die Verschmelzung zweier Neutronensterne, die bislang nur theoretisch vorhergesagt wurde, als "Kilonova" bezeichnet.
Hintergrund

Wie der Name schon sagt, besteht ein Neutronenstern im wesentlichen nur noch aus Neutronen. Neutronensterne stellen das Endstadium massereicher Sterne dar. Auf einem extrem kleinen kugelförmigen Durchmesser von etwa 10 bis 20 Kilometern komprimieren sie jedoch die Masse von 1,2 bis 2 Sonnen und sind damit die dichtesten bekannten Objekte ohne Ereignishorizont (...der bei Schwarzen Löchern jene Grenze darstellt, hinter der Ereignisse aufgrund der extrem hohen Anziehungskraft des Schwarzen Lochs - das selbst dass Licht an sich bindet - nicht mehr beobachtbar sind). Typische Vertreter dieses Sterntyps sind stark magnetisiert und rotieren sehr schnell. Verschmelzen zwei Neutronensterne miteinander, werden schwere Elemente wie Gold und Platin im Universum verteilt. Die Beobachtung liefert nun auch den bisher stärksten Beweis dafür, dass kurzlebige Gammastrahlenausbrüche durch die Verschmelzung von Neutronensternen entstehen.

Während Gravitationswellen bislang nur mit Hilfe der Detektoren LIGO und VIRGO in den USA und Europa gemessen, der das Licht der sie auslösenden Ereignisse aber noch nicht direkt beobachtet werden konnte, ist diese Beobachtung der mit der Gravitationswelle einhergehenden elektromagnetischen Strahlung der Quelle nun erstmals gelungen. "Möglich war das nur durch gemeinsame Bemühungen im Rahmen einer weltweiten Kollaboration sowie der schnellen Reaktion von Instituten auf der ganzen Welt", erläutert die ESO-Pressemitteilung und führt dazu weiter aus:

"Bereits am Am 17. August 2017 wies das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) der NSF in den Vereinigten Staaten zusammen mit dem Virgo-Interferometer in Italien Gravitationswellen auf ihrem Weg durch die Erde nach. Das fünfte jemals beobachtete Ereignis dieser Art trägt seither den Namen GW170817. Etwa zwei Sekunden später gelang zwei Weltraumteleskopen, dem Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA und dem INTErnational Gamma Ray Astrophysics Laboratory (INTEGRAL) der ESA in derselben Himmelsregion die Beobachtung eines kurzen Gammastrahlenausbruchs.
Galaxie NGC 4993 und einer Kilonova-Explosion
© ESO/N.R. Tanvir, A.J. Levan and the VIN-ROUGE collaborationDiese Zusammenstellung zeigt Bilder der Galaxie NGC 4993 und einer Kilonova-Explosion, die aus der Verschmelzung zweier Neutronensterne resultierte.
Galaxie NGC 4993 und einer Kilonova-Explosion
© ESO/N.R. Tanvir, A.J. Levan and the VIN-ROUGE collaborationDiese Zusammenstellung zeigt Bilder der Galaxie NGC 4993 und einer Kilonova-Explosion, die aus der Verschmelzung zweier Neutronensterne resultierte.
Das LIGO-Virgo-Netzwerk lokalisierte die Quelle zunächst innerhalb einer großen Region des südlichen Himmels, die der Fläche mehrerer hundert Vollmonde entspricht und Millionen von Sternen enthält. Als in Chile die Nacht hereinbrach, schauten viele Teleskope auf genau diesen Bereich des Himmels und suchten nach neuen Quellen. Dazu gehörten das Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) und das VLT Survey Telescope (VST) am Paranal-Observatorium, das italienische Rapid-Eye-Mount-Teleskop (REM) am La Silla-Observatorium der ESO, ein 0,4-Meter-Teleskop des Las Cumbres Observatory (LCO) und die amerikanische Dark Energy Camera (DECam) am Cerro Tololo Inter-American Observatory. Das Swope-1-Meter-Teleskop konnte als erstes einen neuen Lichtpunkt am Himmel vermelden. Dieser Punkt schien sehr nahe an NGC 4993 zu liegen, einer linsenförmigen Galaxie im Sternbild Wasserschlange (lat. Hydra). Fast zur selben Zeit gelang es den Forschern auch, mit VISTA die Quelle bei infraroten Wellenlängen genau zu lokalisieren. Während die Nacht weiter nach Westen wanderte, erfassten auch die Pan-STARRS- und Subaru-Teleskope auf Hawaii das Signal und beobachteten, wie es schnell stärker wurde. (...) Die ESO startete eine der größten sogenannten "Target of Opportunity"-Kampagnen, also kurzfristig angesetzte Messungen außer der Reihe des eigentlichen Zeitplans, so dass viele Teleskope der ESO und ESO-Partnern das Objekt in den Wochen nach der Entdeckung beobachten konnten. Das Very Large Telescope (VLT) der ESO, das New Technology Telescope (NTT), das VST, das MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop und das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) beobachteten alle dasselbe Ereignis und dessen Nachwirkungen über einen großen Wellenlängenbereich. Etwa 70 Observatorien auf der ganzen Welt schlossen sich den Beobachtungen an, einschließlich des Hubble-Weltraumteleskops von NASA/ESA."

NGC 4993 und Kilonova
© VLT/VIMOS. VLT/MUSE, MPG/ESO 2.2-metre telescope/GROND, VISTA/VIRCAM, VST/OmegaCAMZusammenstellung von Bildern von NGC 4993 und der Kilonova mit verschiedenen ESO-Instrumenten.
Anhand der Beobachtungsdaten der Gravitationswelle selbst, schließen die beteiligten Wissenschaftler, dass deren Quelle genau wie NGC 4993 rund 130 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. "Das würde bedeuten, dass es sich bis jetzt nicht nur um das uns nächstgelegene jemals beobachtete Gravitationswellen-Ereignis handelt, sondern auch um die uns nächste jemals beobachtete Quelle eines Gammastrahlenausbruchs."
Hintergrund

Gravitationswellen entstehen durch sich bewegende Massen, allerdings können zurzeit nur diejenigen Wellen beobachtet werden, die aufgrund schneller Geschwindigkeitsänderungen sehr massereicher Objekte entstehen. Solch ein Ereignis ist der Verschmelzung zweier Neutronensterne, den extrem dichten, kollabierten Kernen massereicher Sterne, die nach einer Supernova übrigbleiben. Für die Erklärung kurzer Gammastrahlenausbrüche standen solche Verschmelzungen bisher an erster Stelle. Man geht davon aus, dass auf solch ein Ereignis eine Explosion folgt, die 1000 mal heller als eine normale Nova ist - deshalb werden solche Ereignisse als Kilonova bezeichnet. (Quelle: ESO)
Doch auch wenn sowohl die Gravitationswelle als auch die Gammastrahlen aus GW170817 zeitgleich entdeckt wurden, ist noch nicht eindeutig nachgewiesen, dass beide Ereignisse von dem gleichen Phänomen ausgelöst wurden. Allerdings nährt die Beobachtung die Hoffnungen der Forscher, dass es sich bei diesem Objekt tatsächlich um solch eine Kilonova handelt, nach der so lange gesucht wurde. Tatsächlich stimmen aber schon jetzt die ESO-Kenndaten erstaunlich genau mit den theoretischen Vorhersagen für Kilonovae erstaunlich gut überein.

"Die Daten, die wir bisher haben, kommen der Theorie erstaunlich nahe. Es ist nicht nur ein Triumph für die Theoretiker und eine Bestätigung, dass die Ereignisse, die wir mit LIGO und VIRGO gemessen haben, tatsächlich real sind, sondern auch ein Erfolg für die ESO, dass sie einen solch erstaunlichen Datensatz einer Kilonova sammeln konnte", kommentiert Stefano Covino, Erstautor eines der Fachartikel in Nature Astronomy.