Saudi-Arabien Einmischung Syrien
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Nach dem IS kommen die Saudis: Am Mittwoch sind brisante Bilder eines unerwarteten Besuchs des saudischen Ministers Thamer al-Sabhan beim US-Sondergesandten Brett McGurk und den SDF in Nordsyrien aufgetaucht. RT Deutsch sprach darüber mit mehreren Experten und Journalisten aus der Region.

Die Pressestelle der SDF veröffentlichte jüngst im Rahmen einer Erklärung zahlreiche Bilder eines Besuchs des US-Sondergesandten Brett McGurk. Unerwähnt blieb dabei unterdessen die damit verbundene Präsenz eines unerwarteten Gastes in Nordsyrien. Der saudische Minister für Golfangelegenheiten, Thamer al-Sabhan, der bis 2016 als Botschafter im Irak tätig war, besuchte die Führungsriege der "Demokratischen Kräfte Syriens" nur wenige Kilometer von der am Dienstag eroberten Stadt Rakka entfernt. Die "Demokratischen Kräfte Syriens", auch als SDF abgekürzt, werden von der Kurden-Miliz YPG angeführt. Doch auch zahlreiche FSA-Rebellenverbände kämpfen inzwischen unter dem gelben Banner der SDF, die insbesondere von den USA, aber auch von Großbritannien und Frankreich militärische Hilfe erfahren.


Traditionell gelten die Saudis als Unterstützer von Rebellen. Nicht wenige Kritiker sind davon überzeugt, dass die autokratische Golfmonarchie gemeinsam mit Partnern salafistische Dschihadisten im Land im Kampf gegen die syrische Regierung unterstützt hat.

Cousin al-Sabhans als Dschihadist für den IS gefallen?

Thamer al-Sabhan sorgte bereits 2016 für Schlagzeilen, als das irakische Außenministerium Riad bat, al-Sabhan aus dem Land abzuziehen. Dem sollen Aussagen von al-Sabhan vorangegangen sein, die in Bagdad den Eindruck erweckten, dass sich der Diplomat in die konfessionellen Probleme Iraks einmischen wollte.

Am 13. Oktober veröffentlichte al-Sabhan, nun in seiner Position als Minister, einen Aufruf zur Bekämpfung der pro-iranischen Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon, die seit Jahren Präsident Baschar al-Assad im Syrien-Konflikt unterstützt. Er forderte die Bildung einer "internationalen Allianz" gegen die Organisation.

Für Aufregung sorgten Meldungen, wonach al-Sabhan, der öffentlich gegen den Dschihadismus agitiert, aus dem Irak ausgewiesen worden wäre, weil er sich nicht von seinem angeblichen Cousin Abdel-Salaam Al-Subhan distanziert hätte. Dieser starb als Kommandeur der Terrormiliz "Islamischer Staat" im Kampf gegen die irakische Armee, berichten zahlreiche Medien. Laut irakischen Behörden fand der angebliche Cousin des saudischen Ministers in der Nähe der nordirakischen Stadt Mossul den Tod. Al-Sabhan wies jedoch Darstellungen kategorisch zurück, der getötete Dschihadist wäre sein Cousin gewesen.

RT Deutsch sprach mit der lokalen syrischen News-Plattform 24Raqqa, die das Bild vom saudischen Besuch bei den SDF als erste in den sozialen Netzwerken publizierte. Laut Raqqa24 handelt es sich um ein Bild, dass nicht von Journalisten geschossen wurde. Eine Quelle reichte demnach die Bilder weiter. Raqqa24 bestätigte gegenüber RT Deutsch jedoch, dass ein Team aus im SDF-Gebiet ansässigen Experten die Echtheit der Bilder verifiziert hätte. Raqqa24 informierte:
Thamer al-Sabhan und Brett McGurk - sie nahmen an drei verschiedenen Konferenzen teil, unter anderem mit lokalen Gemeindevertretern. Sie diskutierten Möglichkeiten, wie man die Region wiederaufbaut, Stabilität in die Region bringen kann und weitere Konflikte verhindert.
Rakka-Zivilrat vollständig von Kurden dominiert

Der Al-Jazeera-Journalist Saad Abedine, der im Namen seiner Redaktion selbst im Fall recherchiert, sagte im Gespräch mit RT Deutsch:
Ich glaube, die Saudis wollen auf diese Weise ein paar PR-Siege einfahren. Jedenfalls haben die Saudis genug Probleme. Interessant ist, dass die SDF in ihrer Erklärung die Anwesenheit des saudischen Ministers nicht erwähnten. Die Presseerklärung selbst betonte unter Berufung auf Brett McGurk, dass Assad niemals ein Standbein in Rakka oder sonst wo in Nordsyrien haben wird.

Der Vorsitzende der Denkfabrik "Türkei im 21. Jahrhundert", Cahit Dilek, betonte wiederum gegenüber RT Deutsch, dass der Rakka-Zivilrat zu hundert Prozent von der kurdischen YPG-Miliz kontrolliert wird, die laut Ankara ein Ableger der in der Türkei verbotenen PKK ist. Der hochrangige türkische Offizier im Ruhestand sagte über die allgemeine geopolitische Lage in Syrien:
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Syrien keine klassischen Bündnislinien haben. Es gibt zahlreiche Akteure und Konflikte, wo man einmal miteinander konkurriert und das andere Mal kooperiert. Genauso ist es mit Saudi-Arabien. So konnte Saudi-Arabien auf der einen Seite ein Abkommen über die Lieferung eines S-400-Luftabwehrsystems mit Russland unterzeichnen und auf der anderen Seite heute gemeinsam mit den USA in Nordsyrien auftauchen.
Dilek ist sich sicher, dass der Besuch des saudischen Ministers in Nordsyrien regional abgesprochen war. "Er wurde wahrscheinlich mithilfe von US-Militärmaschinen eingeflogen", sagte er und fügte hinsichtlich der mutmaßlichen Absichten der Saudis in der Region hinzu:
Es geht um den Wiederaufbau von Rakka und die Förderung des Erdöls in der Region. Riad breitet sich erst aus. Der schlimmste Fall wäre, wenn die lokalen arabischen Strukturen scheitern und die Kurden nicht in der Lage sind, die Verwaltung von Rakka sicherzustellen. Dann ist nicht unwahrscheinlich, dass die arabischen Golfstaaten, angeführt von Saudi-Arabien, über die USA die Verwaltung über die eine oder andere Art übernehmen.
Saudis versuchen auf Umwegen, doch noch Fuß in die Tür zu bekommen

Diese Entwicklung löse auch neue Spannungen zwischen den USA und der Türkei aus. "Eigentlich versprach Washington, mit Ankara zu kooperieren, nachdem Rakka eingenommen sein würde. Nun sieht es so aus, als hätten die Saudis mit dem Top-Verbündeten der USA, den YPG, kein Problem, was die Saudis auch aus US-Sicht zu einem bevorzugten Partner bei der Festigung der Macht in der Region macht.

Eine Mitarbeiterin einer westeuropäischen staatlichen Aufbauhilfe-Initiative, die im Irak operiert, aber namentlich nicht genannt werden möchte, teilte RT Deutsch mit, dass das saudisch-US-amerikanische Treffen im Norden von Syrien kein gutes Omen sein kann. Sie sagte:
Wer saudische Aufbauhilfe akzeptiert, der weiß auch, dass es wahhabitische Schulen, auch Medressen genannt, geben wird. Das ist deren Art von Wiederaufbau.
"Kurden werden auch in Syrien scheitern"

Der syrisch-libanesische Journalist Wael al-Hussaini, der für das russische Nachrichtenportal Russia Insider berichtet, kritisierte auf Anfrage von RT Deutsch die Entwicklung in Nordsyrien. Hinsichtlich der Ambitionen der YPG-Miliz, die quasi in Nordsyrien die Bodentruppen für die US-geführte Anti-IS-Koalition stellt, kommentierte er:
Eigentlich war der Traum der Kurden die Erlangung eines unabhängigen Kurden-Staates im Irak. Wie sich diese Woche herausstellte, war das ein großer Fehlschlag. Jetzt wendet sich der Fokus nach Syrien. Das Gleiche wird mit den Kurden auch in Syrien passieren. Sie haben keine freundlichen Nachbarn in der Region. Syrien, Irak und die Türkei wollen das nicht. Sie haben nicht mal Zugang zu Wasser. Auch nach internationalem Recht können sie keinen Staat auf unserem Boden errichten.
Der syrische Konflikt wütet seit 2011. Seit Beginn des Krieges wurden 400.000 Menschen getötet, schätzte im April 2016 der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura. Rund 11,6 Millionen Syrer sind auf der Flucht, davon 6,3 Millionen innerhalb Syriens; mindestens fünf Millionen flohen aus ihrem Land.