Bei Menschenversuchen von US-Medizinern in Guatemala sind in den 40er Jahren mindestens 83 Menschen getötet worden. Die Risiken waren den Forschern bewusst.
Guatemalas Präsident Alvaro Colom
© Keystone/Guatemala Presidency / HandoutGuatemalas Präsident Alvaro Colom beim Gespräch mit Barack Obama im letzten Oktober.

Von einem «dunklen Kapitel in unserer Geschichte» sprach Amy Gutmann, die Vorsitzende einer von US-Präsident Barack Obama eingesetzten Untersuchungskommission am Montag in Washington. Rund 5500 Testpersonen seien den Experimenten in Guatemala ausgesetzt gewesen, hiess es bei der Vorstellung vorläufiger Untersuchungsergebnisse. Die Forscher hätten 1300 von ihnen ohne deren Wissen mit den ansteckenden Geschlechtskrankheiten Tripper oder Syphilis infiziert. Medizinisch behandelt wurden allerdings nur etwa 700.

Die Menschenversuche hatten in den Jahren 1946 bis 1948 stattgefunden. Der US-Forscher John Cutler und sein Team wollten herausfinden, ob Tripper oder Syphilis mit dem damals neuen Wirkstoff Penicillin behandelt werden könnten. Zunächst infizierten die Mediziner Prostituierte, dann ermunterten sie die Frauen zu ungeschütztem Sex mit Soldaten oder Gefängnisinsassen. Weil sich nur wenige Männer ansteckten, infizierten die Ärzte schliesslich Soldaten, Häftlinge sowie psychisch Kranke direkt mit den Krankheitserregern.

«Kein Unfall»

Die Testpersonen wurden weder darüber aufgeklärt, worum es in den Versuchen ging, noch vor den möglicherweise tödlichen Folgen gewarnt. Was in Guatemala geschehen sei, sei «kein Unfall gewesen», sagte Gutmann. Einige der beteiligten Forscher hätten schon damals gewusst, dass sie ähnliches nicht in ihrem Heimatland tun könnten. Die Wissenschaftler hätten bei ihren Forschungen «nicht den geringsten Respekt für Menschenrechte und Moral» gezeigt und allem Anschein nach versucht, ihr Vorgehen zu vertuschen.

US-Präsident Obama und seine Regierung hatten sich im vergangenen Oktober offiziell bei Guatemala für die Menschenversuche entschuldigt. Einen Monat später setzte Obama die Untersuchungskommission ein, um die Vorgänge aufzuklären. Der guatemaltekische Präsident Alvaro Colom verurteilte die Experimente als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ordnete eine eigene Untersuchung an.

Der 2003 verstorbene John Cutler war auch an einer als «Tuskegee-Experiment» bekannt gewordenen umstrittenen Studie beteiligt. Dabei wurden in den Jahren zwischen 1932 und 1972 hunderte Afroamerikaner mit fortgeschrittener Syphilis zwar wissenschaftlich beobachtet, aber nicht behandelt. Die Studie gilt als wesentlicher Grund dafür, dass viele schwarze Amerikaner bis heute dem öffentlichen Gesundheitswesen in den USA misstrauen.

(pbl/sda)