Mineralölindustrie kassiert bereits seit dem Frühjahr ab

Industrieverband nennt einen Aufschlag von zwei bis drei Cent pro Liter

Die deutsche Mineralölindustrie kassiert bereits seit dem Frühjahr bei den Autofahrern Millionenbeträge für befürchtete Strafgelder wegen der gefloppten Einführung des Biosprits E10 ab. Entsprechende Vermutungen hat die Mineralölwirtschaft jetzt bestätigt. "Durch jeden Liter herkömmlichen Superbenzins E5, der bei uns getankt wird, entsteht eine Fehlmenge, die es uns unmöglich macht, die geforderte Biokraftstoffquote zu erreichen", sagte Karin Retzlaff, Sprecherin des Mineralölverbandes MWV, dem Tagesspiegel. Daher würden die beteiligten Unternehmen "rund zwei bis drei Cent" auf jeden verkauften Liter Superbenzin E5 aufschlagen.
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Die Ölbranche muss 6,25 Prozent des verkauften Kraftstoffes - gemessen am Energiegehalt - aus pflanzlicher Produktion gewinnen. Gelingt das nicht, drohen hohe Strafzahlungen an den Bund. Das Problem: Die Industrie bietet mit Super E10 zwar biohaltiges Benzin an, aber die Kunden kaufen es nicht, obwohl es billiger als klassisches Super ist. Die genaue Abrechnung über die verkauften Mengen legt der Zoll frühestens im Frühjahr 2012 vor. Erst dann ist klar, in welcher Höhe genau eine Strafe fällig wird. Aral-Chef Uwe Franke hatte eine Summe von 300 bis 400 Millionen Euro für die ganze Branche genannt.

Superbenzin mit zehn Prozent Bioethanol kam zu Beginn dieses Jahres an die Tankstellen - zusätzlich zum klassischen Superbenzin, das schon seit Jahren bis zu fünf Volumenprozent Bioethanol (E5) enthält. Die Produktbezeichnung lautet E10. Rund 90 Prozent der Fahrzeuge mit Benzinmotoren vertragen E10. Bei den restlichen etwa drei Millionen Stück ist die Lage dagegen unübersichtlich. Der Motor könnte theoretisch Schaden nehmen, weil das Ethanol Teile anfressen könnte. In einem ADAC-Langfristtest wurden allerdings im Alltag keine Probleme bemerkt. Bei den Autofahrern ist E10 wegen der Unsicherheit dennoch unbeliebt, der Absatz liegt weit unter den Erwartungen. Laut Shell tanken lediglich etwa 30 Prozent aller Autofahrer, deren Autos E10 vertragen, tatsächlich den neuen Sprit. Das ist ein großes Problem für die Ölkonzerne, da sie Strafzahlungen an die Bundesregierung überweisen müssen, wenn sie nicht genug Biosprit absetzen.

Die Biospritbranche kritisiert, mögliche Strafzahlungen seien als eine Art Versicherung im Spritpreis enthalten. Diese würden aber nicht an die Autofahrer zurückgezahlt, wenn letztlich keine oder nur geringe Strafen anfielen, sagt Frank Brühning vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Das Ganze wandere als Zusatzgewinn in die Kassen der Mineralölunternehmen. "Der Verbraucher sollte also wissen, wer die Preise für den Kraftstoff bestimmt - dies ist nicht die Biokraftstoffindustrie und nicht die Politik, es ist die Mineralölwirtschaft, die sich hier als Opfer stilisieren möchte", kritisiert Brühning.

Die für die Biospritstrategie verantwortliche Bundesregierung hält sich unterdessen aus dem Hickhack um eine Abwälzung der Folgen auf die Autofahrer bisher heraus. Auch zur Zukunft von E10 gibt es wenig konkretes. Das für die Biospriteinführung zuständige Umweltministerium von Norbert Röttgen (CDU) betonte am Wochenende: "Wir möchten das nicht kommentieren."