Immer wieder werden geringen Mengen Alkohol positive Effekte für die Gesundheit nachgesagt. Forscher überprüfen das mit einer groß angelegten Untersuchung und kommen zu einem anderen, nüchternen Ergebnis.
Alkohol und Gehirn
© richkin1979 / stock.adobe.comSchon kleine Mengen haben gravierende Auswirkungen auf das Gehirn.
Auch geringer Alkoholkonsum birgt gesundheitliche Risiken. Zu diesem Schluss gelangen die Autoren einer Studie über den weltweiten Konsum alkoholischer Getränke und den Zusammenhang mit 23 Krankheiten. "Frühere Studien haben eine schützende Wirkung von Alkohol unter bestimmten Bedingungen ergeben, aber wir haben festgestellt, dass die kombinierten Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Alkohol mit jedem Quantum Alkohol steigen", erklärt Max Griswold von der University of Washington in Seattle.

Die Forscher um Griswold und Emmanuela Gakidou, ebenfalls von der University of Washington, hatten 694 Studien über Alkoholkonsum und 592 Studien über Gesundheitsrisiken durch den Genuss von Alkohol ausgewertet. Die im Fachjournal The Lancet vorgestellten Daten umfassen die Bevölkerung von 15 bis 95 Jahren in 195 Ländern. Demnach stehen weltweit 2,8 Millionen Todesfälle pro Jahr mit Alkoholkonsum in Verbindung.

Die konkreten Todesursachen unterscheiden sich je nach Alter: In der Altersgruppe 15 bis 49 Jahre sind Tuberkulose, Verkehrsunfälle und Selbstverletzung am häufigsten. In der Gruppe ab 50 Jahren hat Krebs den höchsten Anteil an den alkoholbedingten Todesursachen. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Alle Altersgruppen zusammengenommen, lassen sich 2,2 Prozent der Tode von Frauen und 6,8 Prozent der Tode von Männern auf Alkoholkonsum zurückführen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Auch bei der durchschnittlichen Alkoholmenge pro Tag zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern: In Deutschland trinken Männer vier Einheiten, während Frauen nur 2,9 Einheiten trinken. Eine Einheit legten die Forscher dabei auf zehn Gramm reinen Alkohol fest, was etwa einem Viertelliter Bier oder 100 Milliliter Wein entspricht. Weil Männer weltweit deutlich mehr Alkohol trinken, stehen die deutschen Männer mit diesem Konsumwert in einem internationalen Ranking auf Rang 34, während die deutschen Frauen auf den 9. Platz kommen.

Den höchsten Alkoholkonsum erfassten die Forscher für Männer in Rumänien (durchschnittlich 8,2 Einheiten), Portugal und Luxemburg (jeweils 7,2 Einheiten). Unter den Frauen weisen die Ukraine (4,2 Einheiten), Andorra und Luxemburg (jeweils 3,4 Einheiten) die höchsten Werte auf. Der Konsum von Alkohol ist in Deutschland sehr verbreitet: 94,3 Prozent der Männer und 90 Prozent der Frauen trinken wenigstens gelegentlich Alkohol. Übertroffen werden die Deutschen von den Dänen: Hier nehmen 97,1 Prozent der Männer und 95,3 Prozent der Frauen mindestens ab und zu alkoholische Getränke zu sich.

Weil in diversen Studien positive Effekte von mäßigem Alkoholkonsum auf Diabetes oder die Erkrankung der Herzkranzgefäße festgestellt wurden, rechneten die Forscher dies gegen die negativen Folgen auf. "Insbesondere der starke Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko von Krebs, Verletzungen und Infektionskrankheiten gleicht die schützenden Wirkungen für Erkrankungen der Herzkranzgefäße bei Frauen in unserer Studie aus", erklärt Griswold. Zehn Gramm Alkohol pro Tag erhöhen das Risiko, eine alkoholbedingte Krankheit zu bekommen, demnach um 0,5 Prozent. Bei 20 Gramm pro Tag steigt das Risiko bereits um sieben Prozent und mit jeder täglichen Alkoholeinheit mehr wird es höher.

"Weltweit müssen wir die Alkoholkontrollpolitik und Gesundheitsprogramme überdenken und Empfehlungen für den Verzicht auf Alkohol in Erwägung ziehen", ist Gakidou überzeugt. In einem Kommentar in The Lancet schreiben Robyn Burton und Nick Sheron vom King's College London, die Studie sei die bisher umfassendste Schätzung der globalen Belastung durch Alkoholkonsum. Auch sie fordern politische Konsequenzen: "Die Lösungen sind einfach: Die Erhöhung der Besteuerung schafft Einkommen für bedrängte Gesundheitsministerien, und wenn Kinder weniger dem Alkoholmarketing ausgesetzt sind, hat das keine Nachteile."