In den kommenden Tagen wird es wahrscheinlich so weit sein: Erstmals leben mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Experten fürchten einen Kampf um knapper werdende Ressourcen.
Menschenmasse
© dpaEnde 2011 wird es 80 Millionen mehr Menschen geben als beim vergangenen Jahreswechsel, schätzt die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW).

Irgendwann in den nächsten Tagen wird es wohl soweit sein. Und nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit wird es nicht in Deutschland passieren, wo die Leute weniger werden, sondern in einem der beiden Milliarden-Einwohner-Staaten Indien oder China. Irgendwo dort also wird demnächst vermutlich das Baby geboren, mit dem die Welt zum ersten Mal mehr als sieben Milliarden Menschen zählen wird.

Eine Einschränkung gibt es: Kann sein, dass Erdenbürger Nr. 7.000.000.000 schon da ist. Keine Statistik der Welt ist so genau, dass man einen exakten Termin ausrechnen könnte. Die Vereinten Nationen haben sich auf den 31. Oktober als mutmaßlichen Geburtstag festgelegt - ein Datum von eher symbolischem Wert. Die Bevölkerungsexperten haben oft schon die Erfahrung gemacht, dass ihre Prognosen von der Wirklichkeit überholt werden. Deshalb wird erwartet, dass es schneller geht.

Im Lauf der Menschheitsgeschichte hat sich das Wachstumstempo enorm gesteigert: Zu Christi Geburt gab es etwa 300 Millionen Menschen. Erst kurz nach 1800 wurde dann die erste Milliarde erreicht. Jetzt kam allein im noch jungen 21. Jahrhundert schon wieder eine Milliarde hinzu. Mit weiteren Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung ist man inzwischen ähnlich vorsichtig wie bei längerfristigen Wettervorhersagen.

"Der globale Ausblick ist durch eine Vielzahl von Unsicherheiten schwierig", gibt der Bevölkerungswissenschaftler David Bloom von der Harvard School of Public Health zu. "Dazu zählen Infektionskrankheiten, Krieg, der wissenschaftliche Fortschritt, politische Änderungen und unsere Fähigkeit zur globalen Zusammenarbeit." Allgemein wird aber erwartet, dass sich das Bevölkerungswachstum abschwächt: Die UN-Prognosen fürs Jahr 2050 reichen von 8 bis 10,5 Milliarden.

"Wir 500 Millionen Europäer müssen zusammenhalten"

Sicher ist, dass sich die Gewichte zwischen den Kontinenten verschieben werden. Getrieben wird das Wachstum von den hohen Geburtenraten in Asien und Afrika. Bald wird Indien (derzeit: 1,2 Milliarden) China (1,3 Milliarden) als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. Allein in Nigeria, das mit 162 Millionen heute schon die meisten Einwohner Afrikas hat, soll die Zahl bis zur Jahrhundertmitte auf fast eine Drei-Viertel-Milliarde zunehmen.

Ein anderes Beispiel: Derzeit haben die Industrienation Deutschland und das Entwicklungsland Äthiopien beide etwas mehr als 80 Millionen Einwohner. In 40 Jahren jedoch wird es voraussichtlich 174 Millionen Äthiopier geben, aber nur noch 72 Millionen Deutsche. Und die werden im Durchschnitt auch deutlich älter sein als heute. Dies bedeutet auch, dass sich die Machtverhältnisse zwischen den Kontinenten verschieben werden.

Länder wie China, Indien oder Brasilien (193 Millionen) gewinnen jetzt schon an Einfluss. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte dieser Tage nicht nur mit Blick auf die Euro-Krise: "In einer Welt von sieben Milliarden Menschen müssen wir 500 Millionen Europäer zusammenhalten." Wohlstand und Werte seien ansonsten kaum zu retten.

Mit der schieren Zahl an Menschen wächst auch der Bedarf an Land, an Lebensmitteln, an Energie. Befürchtet wird, dass der Kampf um die vorhandenen Ressourcen immer härter wird. Viele halten es zum Beispiel für möglich, dass es zwischen Nachbarstaaten künftig Kriege ums Wasser geben wird.

Die Umweltorganisation WWF hat ausgerechnet, dass man 2050 eigentlich drei Planeten Erde brauchen wird, wenn sich an unseren Gewohnheiten nichts ändert. "Wir müssen in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge an Lebensmitteln herstellen wie in den letzten 8000 Jahren", sagt WWF-Experte Jason Clay. Zudem wird, vor allem in den großen Industrienationen, immer noch viel zu viel weggeschmissen.

Optimisten verweisen darauf, dass sich die zahlreichen apokalyptischen Voraussagen über die Folgen des Bevölkerungswachstums bislang nicht bewahrheitet hätten. Tatsache ist, dass sich die Dinge durch technische und medizinische Errungenschaften oft positiver entwickelt haben als befürchtet - nicht nur wegen der Erfindung von Pille und Präservativ, auch wegen der besseren Verwertungskette in der Landwirtschaft.