Wikileaks wollte die Welt transparenter und damit ein wenig besser machen. Jetzt aber müssen mehr als 100 Informanten aus den USA in Angst leben. Ihre bisher geschwärzten Namen auf veröffentlichten Botschaftsdepeschen sind für jeden sichtbar. Für die skrupellose Enthüllungsplattform ist das der Todesstoß.
intelligence asset, assange

"Mausklicks können Menschen töten, wenn auch indirekt", so die Südwest-Presse, denn spätestens jetzt "hat ein Spiel, das stets Ernst war, seine Unschuld verloren. Ließ schon die Schlacht, die sich Wikileaks-Gründer Julian Assange und Aussteiger Daniel Domscheit-Berg um angeblich gestohlene Daten lieferten, Böses ahnen, zeigen die jüngsten Erfahrungen: Sicher an den Daten ist allenfalls ihre Unsicherheit - deren fatale Konsequenzen für die Bloßgestellten als bedauerliche Kollateralschäden einer einseitig als positiv dargestellten Transparenz verbucht werden." Doch Transparenz alleine ist für das Blatt aus Ulm kein legitimer Maßstab. "Die Verantwortung für die hässliche Seite der Plattform auf jene zu schieben, die herhalten mussten, um Wikileaks den Mantel des seriösen Journalismus umzuhängen, zeugt von einer Skrupellosigkeit, die nachdenklich machen muss."

Nach Meinung des Tagesspiegel offenbart sich mit dem "datentechnischen Super-Gau" der eigentliche Konstruktionsfehler des Projektes Wikileaks: "Assange beanspruchte für sich allein die Macht zu entscheiden, wie mit den eingereichten Dokumenten verfahren wird. Externe Kontrollen nach überprüfbaren Kriterien, wie sie für jede demokratische Institution zwingend sind, ließ er nicht zu. Die Transparenz, die er so bedingungslos einforderte, wollte er für sich selbst nicht gelten lassen. Damit maßte er sich eine Unfehlbarkeit an, über die kein Mensch verfügt, und legte so die Grundlage für sein Scheitern."

Dem kann die Eßlinger Zeitung nur zustimmen: "Assange hat sich als streitbarer Kämpe für die Demokratisierung der Welt inszeniert. Dass der gebürtige Australier in Wahrheit ein selbstgerechter Exzentriker ist, hat jene Welt seit langem geahnt. Der Datenskandal hat ihn jetzt auch noch als lausigen Hehler entlarvt." Die Zeitung sieht das Ende von Wikileaks gekommen: "Assange und seine Getreuen haben gegenüber potenziellen Zuträgern ihre Vertrauenswürdigkeit verspielt."

"Entscheidend ist nicht, ob der Skandal einer einzigen Person angelastet werden kann. Entscheidend ist, dass Wikileaks sein wichtigstes Versprechen nicht einlösen könnte: Bei mir seid ihr sicher. Das Datenleck beweist das Gegenteil. Es ist der Todesstoß für die Enthüllungsplattform", meint auch die Frankfurter Neue Presse.

Informanten wird das Datenleck ein Signal sein, schreibt die Stuttgarter Zeitung: "Wenn sie sich im Internet einer Aktivistengruppe anvertrauen, dann vertrauen sie sich letztlich einer Gruppe von Menschen an, die sie nicht wirklich kennen. Assange und seine Mitstreiter haben oft von Transparenz und Meinungsfreiheit gesprochen. Nun stellt sich heraus, dass das Internet für sie eine Nummer zu groß ist. Die Affäre erinnert an jugendliche Hacker, die nicht abschätzen können, welche Kaskaden sie auslösen. In diesem Fall haben sich die Betroffenen nicht einmal Wikileaks selbst anvertraut, sondern Mitarbeitern der US-amerikanischen Botschaften. Dass ihre Aussagen später im Internet nachzulesen sind, dürfte sie zumindest schockieren."