Bisher galt die Annahme, dass Pflanzen den lebenswichtigen Stickstoff nur aus der Luft aufnehmen können. Jetzt haben die Forscher eine andere Stickstoffquelle ausgemacht und müssen ihr Lehrbuchwissen über den Haufen werfen.
Nadelwald
© picture-alliance/dpa/dpawebStickstoffreiches Gestein kurbelt offensichtlich das Wachstum von auf ihm wachsenden Nadelwäldern an.

Stickstoffhaltiges Gestein düngt einer neuen Untersuchung zufolge die Pflanzen, die über ihm wachsen. So bilden Nadelbäume mehr Nadeln aus, wenn der Wald auf stickstoffreicherem Gesteinsuntergrund steht, berichten US-Umweltwissenschaftler im Fachblatt Nature. Bisher hatten Wissenschaftler angenommen, dass Pflanzen nur Stickstoff aus der Atmosphäre aufnehmen - die im Gestein fest gebundenen Stickstoffvorkommen galten als unverwertbar.

Stickstoff ist für alle Lebewesen lebenswichtig und kurbelt das Wachstum an. Daher besteht Pflanzendünger hauptsächlich aus leicht verwertbaren Stickstoffverbindungen. Da Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf eines Ökosystems miteinander verwoben sind, könnten die Erkenntnisse bestehende Kohlendioxidprognosen über den Haufen werfen, vermuten die Forscher. Es müsse nun geklärt werden, wie Stickstoff in Gestein den Klimawandel beeinflusse.


"Wir waren geschockt"

"Wir waren richtiggehend geschockt: Alles, was wir immer über den Stickstoffzyklus geglaubt hatten, und alle Theorien aus den Lehrbüchern wurden durch unsere Daten auf den Kopf gestellt", sagt Benjamin Houlton von der Universität von Kalifornien in Davis in einer Mitteilung der Hochschule. In Steinen ist Stickstoff in Form chemischer Verbindungen in komplizierte Gerüstwerke eingeflochten - daher sei es für die Pflanzen kaum zugänglich, so hieß es bis jetzt immer. Doch auch Felsen verwittern mit der Zeit und geben dann ihren Stickstoff an den Boden ab, lautet die neue Erkenntnis der Forscher.

Hauptautor Scott Morford und seine Kollegen hatten zwei Nadelwälder im Norden Kaliforniens untersucht: Der erste Wald wächst auf Gesteinsuntergrund, der etwa zwölf Mal so viel Stickstoff enthält wie der Felsuntergrund, auf dem der zweite Wald steht. Ansonsten unterschieden sich die Wälder nicht, schreiben die Umweltwissenschaftler: Lage, Niederschlagsmenge, Baumbestand und durchschnittliche Temperatur seien vergleichbar.

"Der Stickstoffgehalt in der Erde sowie in den Nadeln der Bäume ist auf stickstoffreichem Gestein um mehr als 50 Prozent höher im Vergleich zu ähnlichen Wäldern auf stickstoffarmen Gestein", heißt es in "Nature". Zudem bildeten nach Angaben der Forscher die Kiefern 70 Prozent mehr Nadeln aus - das stickstoffreiche Gestein kurbelt offensichtlich das Wachstum an. Der Stickstoff werde langsam über die Zeit freigesetzt und mache Wälder auf lange Dauer fruchtbar, sagt Co-Autor Randy Dahlgren. Ein Würfel Gestein mit einer Kantenlänge von 2,5 Zentimetern aus dem ersten untersuchten Wald enthalte genug Stickstoff, um das Wachstum des Nadelwalds etwa 25 Jahre lang zu fördern.

Wird das Ausmaß des Klimawandels überschätzt?

Der Gehalt an Stickstoff im Felsuntergrund beeinflusst nach Angaben der Forscher auch, wie viel Kohlenstoff die Pflanzen aufnehmen: Nadelbäume auf dem stickstoffreichen Gestein speicherten bis zu 60 Prozent mehr Kohlenstoff als Bäume auf stickstoffarmen Untergrund, schreiben sie. "Die erstaunliche Erkenntnis, dass Wälder sich auch von Stickstoff in Felsen ernähren können, könnte alle Hochrechnungen zum Klimawandel verändern", glaubt Houlton. Stickstoff beschränkt für gewöhnlich, wie schnell Pflanzen wachsen und wie viel Kohlendioxid sie im Laufe ihres Lebens aus der Luft aufnehmen. Wenn Bäume auf mehr Stickstoff zugreifen können als ursprünglich gedacht, führe das möglicherweise dazu, dass mehr Kohlenstoff gespeichert werde und daher weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleibe.


dpa