Chinesische Wissenschaftler haben das Viruserbgut des neuen Corona-Ausbruchs in Peking internationalen Experten zugänglich gemacht: Angeblich kommt es aus Europa.
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© Tingshu Wang/ REUTERSDer Xinfadi-Markt in Peking: Hier soll der Ursprung des neuen Corona-Ausbruchs liegen
China hat das Genom des Virenstamms veröffentlicht, der in Peking einen erneuten Corona-Ausbruch verursacht hat. Die Erbgutsequenz wurde am Donnerstag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Wissenschaftlern in aller Welt zur Verfügung gestellt. Das teilten die Behörden in Peking mit.

Als Ausgangspunkt des erneuten Ausbruchs in China wird der viel besuchte Pekinger Xinfadi-Markt vermutet, auf dem mehr als 70 Prozent der frischen Nahrungsmittel für Peking verkauft werden. Sars-CoV-2 wurde dort auf Schneidebrettern nachgewiesen, auf denen importierter Lachs zerlegt worden war. Wissenschaftler warnen allerdings vor voreiligen Schlussfolgerungen. Es gilt dabei als unwahrscheinlich, dass Lachse sich mit dem Coronavirus infizieren und es so auf Menschen übertragen können. Allerdings könnte das Virus durch mangelnde Hygiene auf den Fisch oder die Schneidebretter gelangt sein - möglicherweise bereits während des Exports.

China scheint sich relativ sicher zu sein, dass der neue Ausbruch auf Europa zurückzuführen ist: Erste Analysen des Genoms deuteten darauf hin, dass dieser Virenstamm "aus Europa gekommen" sei, sagte Zhang Yong von der chinesischen Seuchenkontrollbehörde einem Bericht der staatlichen Zeitung Global Times zufolge. Der Virenstamm sei allerdings "älter als das Virus, das derzeit in Europa zirkuliert", sagte Zhang demnach. Vielleicht sei das nun in und um Peking festgestellte Virus von tiefgekühlten Lebensmitteln oder einem Lebensmittelmarkt ausgegangen.

"Die Proben, die auf dem Xinfadi-Markt gefunden wurden, deuten darauf hin, dass das Virus bereits seit einer Weile zirkuliert", sagte Zhang. "Wenn es erst vor einer kurzen Zeit in der Stadt angekommen wäre, hätte es nicht so viele positive Fälle gegeben." Man bräuchte jedoch noch mehr Daten, bevor man eine verlässliche Aussage über die Herkunft des Virus machen könne. Zhang äußerte sich der "Global Times" zufolge auf der Website der Kommunistischen Partei Chinas.

Virus zirkulierte offenbar schon eine Weile in Peking

Ben Cowling, Professor für öffentliche Gesundheit an der Universität Hongkong, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei "möglich, dass das Virus, das nun den Ausbruch in Peking verursacht, von Wuhan nach Europa und nun zurück nach China gereist ist". Der erste Infizierte des neuen Ausbruchs sei aber noch nicht identifiziert worden, daher könne auch der Ursprung des Ausbruchs nicht bestimmt werden.

Der Genforscher François Balloux vom University College London schrieb im Onlinedienst Twitter, das Genom lasse keine Schlussfolgerungen auf die Herkunft des Virus zu. Es könnte "im Grunde von überallher stammen". Das Genom lasse allerdings darauf schließen, dass das Virus bereits eine Weile von Mensch zu Mensch übertragen worden sei, bevor der Ausbruch festgestellt wurde.

Nach zwei Monaten ohne Ansteckungen waren vergangene Woche erneut Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus festgestellt worden. Am Freitag wurden in Peking 25 weitere Infektionen bestätigt, damit gibt es in der chinesischen Hauptstadt mittlerweile 183 neue Fälle.

Zur Eindämmung der Pandemie ergriffen die Behörden umfangreiche Maßnahmen wie Schulschließungen und Massentests. Die Menschen in Peking müssen auf nicht notwendige Reisen verzichten, Bewohner von Risikogebieten innerhalb der Stadt dürfen die 21-Millionen-Einwohner-Metropole gar nicht verlassen.

Die USA werfen China vor, den ursprünglichen Ausbruch in China nicht konsequent genug angegangen zu sein. Dabei macht Washington die chinesische Regierung auch für die vielen Fälle in den USA verantwortlich und wirft ihr vor, zu langsam reagiert zu haben. China weist die Vorwürfe von sich und verweist unter anderem darauf, dass Wissenschaftler so schnell wie möglich die Genomsequenz nach dem Ausbruch in Wuhan veröffentlicht hätten.

Die Bestimmung der Erbgutsequenz eines Virus gehört zu den wichtigsten Methoden, um die Herkunft und die wahrscheinliche Ausbreitung eines Virus zu analysieren. Anhand der Genomsequenz kann man einen Virusstamm eindeutig identifizieren und etwa spezifische Testverfahren entwickeln oder Mutationen zurückverfolgen.

kry/AFP