racism america
Die heutzutage unter Progressiven vorherrschende Ansicht besteht darin, dass Amerika sich nicht sonderlich vom Rassismus fortentwickelt hat. Zwar würde niemand bestreiten, dass die Abschaffung der Sklaverei und die Auflösung des Jim Crow-Mems [AdÜ: Jim Crow war ein Stereotyp, der im 19. Jahrhundert eine kulturell vorherrschende Ansicht über Schwarze repräsentierte] gute erste Schritte waren. Die progressive Haltung gegenüber solchen Reformen lässt sich in dem berühmten Witz von Malcolm X jedoch ganz gut zusammenfassen, wie folgt: "Man sticht keinem Menschen ein Messer 9 Zoll tief in den Rücken, zieht es 6 Zoll wieder heraus und nennt das Fortschritt." Abgesehen von der Ächtung der formalisierten Bigotterie glauben viele Progressive, dass sich die Dinge nicht allzusehr gebessert haben. Rassistische Einstellungen gegenüber Schwarzen - und wenn auch nur in der Form impliziter Vorurteile - werden immer noch als weitverbreitet angesehen; man nimmt an, dass schwarze Menschen weiterhin ohne triftigen Grund in einem Starbucks verhaftet werden können; und überdies haben wir noch einen Präsidenten, dem es schwerfällt, Neonazis anzuprangern. Solange Rassismus in unserem sozialen und politischen Leben stark verbreitet bleibt, "ist Fortschritt ausgeschlossen", wie ein linksgerichteter Kommentator angemerkt hat.

Aber die Fakten beziehen in dieser Debatte eine klare Stellung. In seinem kontroversen Bestseller Enlightenment Now stellt der Harvard-Psychologe Steven Pinker einen starken Rückgang von Rassismus fest. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kamen Lynchmorde ungefähr dreimal pro Woche vor. Und nun geschehen rassen-motivierte Tötungen von Schwarzen nur noch etwa null- bis einmal pro Jahr.1 Zudem sind einstmals weitläufige, gängige rassistische Haltungen nun an den Rand gedrängt worden. Eine Gallup-Umfrage fand heraus, dass im Jahr 1958 nur 4 Prozent der Amerikaner Eheschließungen zwischen Schwarzen und Weißen billigten. Bis 2013 ist diese Zahl auf 87 Prozent geklettert, was die Meinungsforscher dazu veranlasste, dies als "einen der stärksten Umschwünge der öffentlichen Meinung in der Geschichte von Gallup" zu bezeichnen.

Warum können Progressive nicht zugeben, dass wir Fortschritte gemacht haben? Pinkers Antwort für das, was er als "Fortschrittsangst" betitelt, ist zwiefältig: Erstens werden unsere Intuitionen darüber, ob Trends zu- oder abgenommen haben, durch das geformt, woran wir uns leicht erinnern können - Nachrichten, erschütternde Ereignisse, persönliche Erfahrungen, etc. Zweitens sind wir weitaus empfänglicher für negative Stimuli als für positive Reize. Diese beiden Fehler menschlicher Psychologie, die jeweils als Verfügbarkeitsverzerrung und Negativitätsverzerrung bezeichnet werden, machen uns anfällig für Schwarzmalerei - mit der Neigung, verrückte Nachrichtenereignisse mit Trends zu verwechseln und uns blind für den allmählichen Fortschritt zu machen.

Während psychologische Fehler die Fortschrittsangst im Hinblick auf viele Themenbereiche hinreichend erklären können, verlangt unsere Verleugnung, dass wir uns bezüglich Rassismus weiterentwickelt haben, nach einer besseren Erklärung - einer Erklärung hinsichtlich weitverbreiteter Überzeugungen über Rasse und Ungleichheit.

Eine solche Überzeugung ist die Ansicht, dass Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen - im Einkommen, Wohnen, Arbeitsplätzen etc. - durch systemischen Rassismus verursacht seien. Der preisgekrönte Autor Ta-Nehisi Coates hat den Zustand des Fortschritts bezüglich der Rassismusproblematik ungefähr folgendermaßen zusammengefasst: "Ich konnte sehen, dass gut fünfzig Jahre nach der Bürgerrechtsbewegung schwarze Menschen nach wie vor am Boden quasi jeder sozio-ökonomischen Kennzahl zu finden sind."2 Ibram X. Kendi, ein weiterer gefeierter Autor, hat es unverblümt gesagt: "Wenn ich als Anti-Rassist Rassenunterschiede sehe, sehe ich Rassismus."

Doch die Prämisse, die in das Denken von Coates und Kendi eingebaut ist, ist falsch. Ich nenne sie Denkfehler hinsichtlich der Wahrnehmung von Ungleichheit. Dieser Ungleichheits-Trugschluss besagt, dass ungleiche Resultate zwischen zwei Gruppen in erster Linie durch Diskriminierung bedingt sein müssten - ob nun offensichtlich oder systemisch. Was merkwürdig an denjenigen ist, die an diesen Ungleichheits-Trugschluss glauben, ist nicht eine zu breite Anwendung ihrer Ansicht, sondern eine zu eng gefasste. Jegliches Vorkommnis von Weißen, die Schwarze übertreffen, wird als Beweis für Diskriminierung angeführt. Doch wenn Ungleichheit in umgekehrter Form geschieht - wenn also Schwarze Weiße übertreffen - wird Diskriminierung niemals als ursächlicher Faktor dafür heraufbeschworen.

Hier kommt ein klares Beispiel für den Ungleichheits-Trugschluss: eine kürzlich durchgeführte Studie von Forschern aus Stanford, Harvard und dem Statistische Bundesamt [in den USA] ergab, dass "unter jenen, die in Familien mit vergleichbaren Einkommen aufwuchsen, schwarze Männer wesentlich weniger verdienen als weiße Männer." Ein Artikel der New York Times schrieb diese Ungleichheit "der strafenden Reichweite des Rassismus für schwarze Jungen" zu. Doch die Studie fand auch heraus, dass die Quote schwarzer Frauen, die das College besuchen, höher ist als die für weiße Männer, und dass sie höhere Einkünfte als weiße Frauen erzielen - in Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern. Die Tatsache, dass schwarze Frauen ihre weißen Gegenstücke in dieser Hinsicht überflügelten, wurde allerdingst nicht der strafenden Reichweite des Rassismus gegen Weiße zugeschrieben.

Wirtschaftliche Ungleichheiten, die Schwarze bevorzugen, sind über Jahrzehnte hinweg abgedeckt worden, dennoch sind sie selten - wenn überhaupt - gegen Weiße gerichteter systemischer Voreingenommenheit zugeordnet worden. Ein Artikel der New York Times aus dem Jahre 1994 berichtete, dass unter Hochschulabsolventen schwarze Frauen etwas mehr Geld als weiße Frauen verdienten. Außerdem hat der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Sowell darauf hingewiesen, dass bereits 1980 US-Volkszählungsdaten aufzeigen, dass schwarze Ehepaare mit akademischem Bildungsgrad ihre weißen Gegenparte im Einkommen übertrafen.3

Die Kluft zwischen Schwarzen und Weißen hinsichtlich der Arbeitslosigkeit bietet eine noch ältere Veranschaulichung des Ungleichheits-Trugschlusses. Viele Kommentatoren haben reflexartig die modernen Gruppenunterschiede in der Arbeitslosenquote dem systemischen Rassismus zugeschrieben. Doch in historischen Zeiten mit weitaus mehr Rassismus war der Unterschied umgekehrt. Sowell zufolge [waren], "Arbeitslosenzahlen unter Schwarzen 1890, und zuletzt 1930, geringer als die Quote der Arbeitslosigkeit der Weißen."4 Tatsachen wie diese werden jedoch nie im Sinne einer Diskriminierung ausgelegt, die Schwarze begünstigt. Überhaupt wird nie erklärt, warum Progressive den Ungleichheits-Trugschluss nur in einer Richtung begehen. Was der Autor Shelby Steele über Progressive und rassistische Vorkommnisse gesagt hat, lässt sich gleichermaßen für statistische Ungleichheiten festhalten, die Schwarze benachteiligen: Wenn sie etwas [in dieser Richtung] erfahren, "mieten sie ein Düsenflugzeug und fliegen dorthin!"

Es ist ein Zeichen der Armut unseres Diskurses über den Fortschritt und die Ungleichheit der Rassen, dass die seltensten Befunde für normal gehalten und die häufigsten Befunde als einer sozialen Erklärung bedürfend angesehen werden.

Tatsächlich ist es selten, zwei ethnische Gruppen zu finden, die identische Resultate erzielen, selbst wenn sie derselben Rasse angehören. Ein kurzer Überblick über die mittleren Einkommen von in Volkszählungen erfassten ethnischen Gruppen zeigen auf, dass Amerikaner russischer Abstammung mehr verdienen als die mit schweizerischen Wurzeln, welche mehr Einkünfte erzielen als die Amerikaner britischer Abstammung. Letztere verdienen mehr als die Amerikaner polnischer Abstammung, die ihrerseits mehr Einkünfte erzielen als Amerikaner mit französischen Wurzeln. Wenn der Ungleichheits-Trugschluss stimmen würde, dann sollten wir ein ausgefeiltes System postulieren, das zuerst gegenüber ethnischen Russen eingenommen ist, dann gegenüber den Schweizern, gefolgt von den Briten, den Polen und den Franzosen. Dennoch hört nie jemand davon, dass Progressive solche solche Aussagen jemals treffen. Zudem hört niemand die Progressiven sagen: "Französische Amerikaner verdienen 79 Cent jedes russisch-amerikanischen Dollars", obgleich die Fakten leicht auf diese Weise hingebogen werden könnten. Ähnliche Ungleichheiten zwischen Schwarzen und Weißen werden regelmäßig auf solch gehässige Weise präsentiert. Anstatt uns bei der Erklärung von Ungleichheiten auf systemische Verzerrungen und Vorurteile zu beschränken, sollten wir begreifen, dass Gruppen sich selbst ohne Diskriminierung immer noch auf unzählige Arten unterscheiden, die sich auf ihre jeweiligen Resultate auswirken.

Schwarze Kultur

Eine Art, in der sich Gruppen entscheidend voneinander abgrenzen, ist Kultur. Kultur ist von enormer Bedeutung. Die Wichtigkeit von Kultur ist ironischerweise ein Wert, der oftmals von Progressiven hervorgehoben wird. Werden sie mit Argumenten konfrontiert, die auf genetische Einflüsse des menschlichen Verhaltens hinweisen, dann reagieren viele der Linken darauf, indem sie die Wichtigkeit der Kultur gegenüber der Genetik betonen - also, dass Erziehung über Natur steht (siehe das Steven Pinkers Buch Das unbeschriebene Blatt für weitere Informationen). Außerdem unterscheiden sich Kulturen voneinander. Das ist per Definition wahr. Es ist unklar, was das "multi" in "Multikulturalismus" bedeutet, wenn Kulturen doch alle dasselbe sein sollen. Man nehme diese beiden Prämissen zusammen, und man erhält, was eine ebenso banale Schlussfolgerung sein sollte: wenn Kultur eine enorme Bedeutung hat, und Kulturen sich voneinander unterscheiden, dann sind die Unterschiede zwischen Kulturen enorm bedeutsam.

Doch mitsamt dem Ungleichheitstrugschluss ist die Ablehnung kultureller Erklärungen für Ungleichheit zur gängigen Ansicht unter Progressiven geworden. Coates beispielsweise hat kulturelle Erklärungen für Ungleichheit "faul"5 genannt. Andere erachten solche Argumente als intrinsisch rassistisch, wenn sie auf Schwarze angewandt werden. Der Soziologe und preisgekrönte Autor Michael Eric Dyson hat behauptet, dass kulturelle Erklärungen für schwarze/weiße Unterschiede von Weißen als "heldenhafte Schlachten gegen schwarze Unzulänglichkeiten"6 angesehen würden.

Doch intuitive Beispiele für die Wichtigkeit von Kultur befinden sich überall um uns herum. Ungleichheiten in athletischen Leistungen beispielsweise sind ohne Bezug zur Kultur unerklärbar. Obgleich Schwarze 14 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, kommen sie nur auf 8 Prozent MLB-Baseballspieler. Dieser relativ geringe Unterschied reichte aus, um Artikel in US News, NPR und Vox hervorzubringen, die den Rückgang der Repräsentation schwarzen Baseballs allem anlasten, was von Masseninhaftierung über rassenbezogene Vorurteile bis hin zu einem allgemeinen Denken unter weißen Fans reichte, dass "Baseball-Kultur weiß bleiben sollte", wie der Vox-Artikel es zusammenfasste.

Mittlerweile kommen Schwarze auf beachtliche drei Viertel aller NBA-Basketballspieler, während Weiße sich nur auf bloße 18 Prozent belaufen. Eigenartigerweise haben Progressive die Unterrepräsentiertheit von Weißen im Basketball als keiner Erklärung für würdig befunden. Wenn Weiße irgendwo unterrepräsentiert sind, stürzen sich Progressive auf die Sache wie Detektive auf einen ungelösten Mordfall, bestrebt, jede mögliche Erklärung zu bemühen, außer der "faulen": dass Basketball in der Kultur der Schwarzen beliebter als Baseball ist.

Seltsamerweise ist es nur unter Vordenkern der Fall, dass dieses Zwillingsdogma - der Ungleichheitstrugschluss und die Ablehnung kultureller Erklärungen - zum Evangelium geworden sind. Schwarze Menschen selbst stehen, im Ganzen betrachtet, anderen Arten des Denkens offen gegenüber. Beispielweise schreiben 60 Prozent der Schwarzen Unterschiede im Einkommen, in Arbeitsplätzen und in Wohnverhältnissen hauptsächlich anderen Faktoren als Voreingenommenheit zu, wie in einer Gallup-Umfrage von 2013 erhoben wurde. Eine kürzer zurückliegende Pew-Umfrage stellte fest, dass 60 Prozent der Schwarzen ohne akademischen Abschluss sagen, dass ihre Rasse keinen Einfluss auf ihre Erfolgschancen im Leben gehabt habe. Auch die Überzeugung, dass kulturelle Faktoren die Ergebnisse nicht beeinflussen, scheint das Spezialgebiet progressiver Intellektueller zu sein. Beispielsweise sagten 71 Prozent der befragten Schwarzen in einer Pew-Umfrage 2008, dass Rap-Musik einen schlechten Einfluss auf die Gesellschaft habe. Trotzalledem haben Progressive jahrelang jene, die schädliche Elemente innerhalb der schwarzen Kultur kritisieren, der "Täter-Opfer-Umkehr" beschuldigt - ohne je innezuhalten und sich zu fragen, ob die angeblichen Opfer sich durch solche Beobachtungen auch wirklich angeklagt fühlten.

Es ist kein Zufall, dass die Mehrzahl der Schwarzen rassenbezogene Voreingenommenheit nicht als das Hauptproblem ansehen, dem sie heutzutage gegenüberstehen. Es gibt in der Tat einen guten Grund, anzunehmen, dass es eher die Kultur als eine Voreingenommenheit ist, die die Hauptursache für ungleiche Resultate für Schwarze liefert. Das Experiment, das nötig wäre, um diese Frage beizulegen, müsste zwei Gruppen von Schwarzen nehmen, sie in dieselbe Umgebung versetzen, jede veränderliche Konstante außer Kultur enthalten und ihre Resultate im Leben messen. Natürlich können solche Experimente aufgrund von allerlei ethischen und praktischen Gründen nicht durchgeführt werden. Doch die Geschichte hat mehrfach ein Experiment vorgenommen, wie grob oder unvollkommen es auch immer gewesen sein mag.

Das erste natürliche Experiment geschah, als Sowell Volkszählungsdaten von 1970 verwendete, um die Einkommen der zweiten Generation westindischer Schwarzer und amerikanischer Schwarzer in der Metropolregion New York zu vergleichen. Beide Gruppen waren im Aussehen und in der Sprache gleich; beide Gruppen waren in derselben Gegend geboren und ausgebildet worden; und beide Gruppen zogen eine brutale Geschichte der Besitzsklaverei nach sich.

In der Tat wären westindische Schwarze nahezu ununterscheidbar von ihren amerikanischen Gegenstücken gewesen, wenn man die kulturellen Differenzen beiseite gelassen hätte. Es gibt keine bessere Demonstration oberflächlicher Ähnlichkeit als die Tatsache, dass viele prominente schwarze Führer - einschließlich Marcus Garvey, Stokely Carmichael, Malcolm X, Harry Belafonte und Sidney Poitier - eigentlich westindischer, nicht amerikanischer, Abstammung waren.7 Doch obgleich sie von ansässigen Weißen der gleichen rassistischen Behandlung unterzogen wurden, waren westindische schwarze Familien der zweiten Generation ausgesprochen erfolgreich, verdienten 58 Prozent mehr als Familien von amerikanischen Schwarzen und lagen um 15 Prozent selbst über dem nationalen Durchschnittseinkommen.8 Sowells Schlussfolgerung war eindeutig: "Weder Rasse noch Rassismus können solche Unterschiede erklären."9

Das zweite natürliche Experiment befasst sich mit den Resultaten, die schwarze Einwanderer im Ganzen im Vergleich zu den Ergebnissen amerikanischer Schwarzer (z.B. Schwarzer, die von amerikanischen Sklaven abstammen) erzielen. Obwohl schwarze Einwanderer (und insbesondere ihre Kinder, die von amerikanischen Schwarzen ununterscheidbar sind) vermutlich denselben systemischen Vorurteilen ausgsetzt sind, wie es bei schwarzen Nachkommen amerikanischer Sklaven der Fall ist, verdienen beinahe alle schwarzen Gruppen von Einwanderern mehr als amerikanische Schwarze; und viele - einschließlich Ghanäer, Nigerianer, Barbadianer und Trinidad- & Tobagoianer - liegen über dem nationalen Durchschnitt. Überdies sind schwarze Einwanderer in der Ivy League [AdÜ: die acht Eliteuniversitäten im Nordosten der USA] überrepräsentiert. Obgleich sie in der US-Volkszählung der schwarzen Bevölkerung von 2010 nur 8 Prozent ausmachten10, betrug der Anteil der afrikanischen Amerikaner mit Einwanderer-Wurzeln, die Schulen der Ivy League besuchten, 1999 41 Prozent. Fünf Jahre später berichtete die New York Times eine Feststellung von zwei Harvard-Professoren, dass soviel wie zwei Drittel der schwarzen Studenten in Harvard "westindische oder afrikanische Einwanderer oder deren Kinder waren; oder in geringerem Ausmaß Kinder aus Mischehen."

Zugegeben, keines dieser natürlichen Experimente beweist, dass Kultur im Besonderen die voneinander abweichenden Ergebnisse erzeugt hat. Es ist unmöglich, Störvariablen wie immigrantische Selbst-Selektion, demografische Unterschiede und weitere unbekannte Faktoren zu entwirren. Doch die Resultate dieser natürlichen Experimente legen nahe, dass die Rolle systemischer Verzerrung als ursächlicher Faktor an der Entstehung ungleicher Ergebnisse stark übertrieben worden ist. Wenn systemische Verzerrung bzw. Voreingenommenheit für so viel Varianz im Erfolg verantwortlich ist, wie Progressive denken, dann ist es unwahrscheinlich, dass Gruppen, die im gleichen Maße von systemischen Verzerrungen betroffen sind, derart unterschiedliche Erfolgsniveaus erreichen würden.

Kultur ist jedoch ein immaterielles Gut. "Ich weiß nicht, wie man Kultur misst ... und ich bin mir nicht sicher, dass irgendjemand sonst es weiß," sagte ein Georgetown-Ökonom, der von Coates zitiert wird.11 Und obgleich es eigentlich wahr ist, dass wir Kultur nicht messen können, wird dieser Belang - ebenso wie das progressive Denken über Rasse - selektiv angewendet. Die Zeitschrift Time hat einen Artikel geführt, mit dem Titel "Rape Culture is Real" [AdÜ: "Vergewaltigungskultur ist Realität"]; The Atlantic hat Artikel wie "America's Gun-Culture Problem" [AdÜ: "Amerikas Problem der Waffenkultur"] und "What Critics Don't Understand About Gun Culture" [AdÜ: "Was Kritiker nicht über Waffenkultur verstehen"]; "Consumer Culture" [AdÜ: "Konsumenten-Kultur"] ist das Thema zahlloser Bücher und wissenschaftlicher Artikel, und auch der Name eines Kurses der Cornell University. Wir haben kein Problem, potentiell negative kulturelle Faktoren zu diskutieren, wenn die entsprechende Kultur Männern, Weißen oder dem Kapitalismus zugesprochen werden kann. Nur wenn jemand anbringt, dass Schwarze ebenfalls kulturelle Probleme haben, werden solche Einwände aus dem Ärmel gezogen.

Ein zerstörerisches Merkmal schwarzer Kultur ist die Überzeugung bei Schwarzern, insbesondere männlichen Teenagern, dass die, welche akademischen Erfolg erreichen und Standard-Englisch sprechen, sich "weiß [AdÜ: bzw. wie Weiße] verhalten". Präsident Obama sprach dieses problematische Epitheton 2004 an, als er Schwarze dazu aufrief, "die üble Rede auszumerzen, die besagt, dass ein schwarzer Jugendlicher mit einem Buch sich wie ein Weißer verhalte." Zehn Jahre später bekräftigte er seine Kritik; und er fügte hinzu, dass "die Ansicht, dass es eine authentische Art des Schwarz-Seins gebe, dass, wenn man schwarz sein wolle, sich in einer bestimmten Weise verhalten müsse und bestimmte Kleider zu tragen hätte, verschwinden müsse." Der Kultrapper Jay-Z brachte das selbe Argument in einem kürzlichen Interview mit Dean Baquet von der New York Times vor. An Baquet (der ebenfalls schwarz ist) gewandt, sagte er: "Es ist okay zu denken. Es ist in okay, klug zu sein. Wissen Sie, es gab eine Zeit, als Leute [sagten]: 'Du laberst wie ein Weißer.' Aber was bedeutet das überhaupt?... Und ich bin sicher, Sie haben es als Heranwachsender oft gehört."

In einer Wirtschaft, die zunehmend auf kognitiver Arbeit basiert, ist es schwierig, sich ein kulturelles Merkmal zu denken, das schädlicher als ein sozial erzwungenes Tabu für akademisches Streben ist. Doch Besorgnis über den Schaden, der durch das Epitheton des "Sich-Weiß-Verhaltens verursacht wird, ist seitens Progressiver auf Skepsis getroffen. Ein Arikel in Vox bezeichnete das Phänomen des Sich-Weiß-Verhaltens als "Mythos", der "Einstellungen über schwarze Menschen formen und Rassismus aufrechteralten" könne. Diese traurige Prophezeiung, die für progressive Argumentationsstile typisch ist, wurde ohne Beweisführung beteuert.

Eine ähnlich progressive Argumentationstaktik besteht darin, eine falsche Dichotomie mit einer progressiven Meinung auf der einen Seite der Trennlinie zu etablieren, während ansonsten nur Bigotterie zu finden ist. Ibram X. Kendi verkörpert diese Taktik: "Entweder stimmt etwas mit unserer Politik nicht, oder es stimmt etwas nicht mit schwarzen Jungs (oder schwarzen Menschen). Entweder sind die Vereinigten Staaten mit rassistischer Politik oder mit minderwertigen schwarzen Jungs behaftet." Wenn man nur die Wahl hat zu sagen, Amerika sei rassistisch oder zu behaupten, Schwarze seien minderwertig, werden sich die meisten für die erste Alternative entscheiden.

Doch dies sind nicht die einzigen Optionen. Unter anderem gibt es Kultur. In der Tat sind kulturelle Erklärungen für Ungleichheit das genaue Gegenteil von rassisch-supremazentischen Erklärungen [AdÜ: Erklärungen, welche die Vorherrschaft einer bestimmten Rasse implizieren] - aus demselben Grund, dass Erziehung das Gegenteil von Natur ist. Überdies ist Kritik an Elementen einer Kultur, die konraproduktiv sind, nicht dasselbe, wie die Beschuldigung von Individuen aus jener Kultur für ihre eigenen Umstände. Der Einwand ist nicht der, wie Coates es in einer ungerechten Weise zusammengefasst hat, dass "ein gewisses Maß an Rassenspaltung der Fehler von Schwarzen selbst ist."12 Vielmehr geht es darum, dass "strukturelle Bedingungen Kultur formen und dass Kultur ihrerseits ein Eigenleben entwickeln kann, unabhängig von den Kräften, die sie erschaffen haben," wie der Autor Jonathan Chait es dargelegt hat.

Ein Set an Tabus und falschen Dichotomien, erschaffen von Intellektuellen für Intellektuelle haben die Diskussion dieses Themas unnötig schwieriger gemacht, aber diskutieren müssen wir es. Wir wählen unsere Herkunftskultur ebenso wenig aus wie das Jahr, in dem wir geboren werden. Nichtsdestotrotz zählt Kultur, und schwarze Kultur ist keine Ausnahme. Schwarze Kultur gegen jegliche Kritik zu impfen bedeutet, Schwarze dazu zu verdammen, den Preis für die destruktiven Elemente ihrer Kultur auf ewig zu zahlen.

Die Tretmühle des Rassismus

Der Ungleichheitstrugschluss und die Ablehnung kultureller Faktoren verschwören sich zu einer Dynamik, die ich als Tretmühle des Rassismus bezeichne: solange kulturelle Unterschiede weiterhin Ungleichheiten zwischen rassischen Gruppen verursachen und solange Progressive sich ausmalen, dass hinter jeder Ungleichheit systemischer Rassismus steht, kann kein bisschen Fortschritt in der Minderung systemischen Rassismus - wie groß oder konkret auch immer er sein mag - Progressiven jemals als Fortschritt erscheinen.

Tatsächlich könnte es ein Fehler sein, anzunehmen, dass Progressive überhaupt wirklich an fortschrittlich orientiertem Aktivismus mitwirken, denn das würde heißen, dass sie sich auf einen bestimmten Endpunkt zubewegen. Doch wenn die progressive Definition von "Fortschritt" bei einer Welt ohne Unterschiede aufhört, die nie existieren wird - und es in der Tat niemals könnte - dann werden Progressive mit einer sysiphusartigen Politik zurückgelassen; einem unruhigen Marsch zu keinen bestimmten Ort hin.


Kommentar: Oder an einen Ort, der der schlimmsten marxistischen Staatsführung des 20. Jahrhunderts entspricht.


Ich schlage vor, dass die Tretmühle des Rassismus sowie die Dogmen, die diese motivieren, größtenteils für die Fortschrittsfeindlichkeit der aktivistischen Linken beim Thema Rasse verantwortlich sind. Die Tretmühle selbst zeigt die Art und Weise auf, in der Progressive sich die Tragödien der Geschichte zueigen machen, um historische Würde in der Gegenwart heraufzubeschwören. Gefängnispolitik ist nicht einfach nur schlecht, sie ist der "Neue Jim Crow"; das Posten von Reaktions-GIFs auf sozialen Medien, die Schwarze porträtieren, ist "digitale Gesichtsschwärzung"; und obgleich drei verschiedene Analysen keine rassistische Voreingenommenheit in Erschießungen durch die Polizei gefunden haben, sollen solche Erschießungen [angeblich] "an den vergangenen Rassenterror des Lynchens erinnern", wie es in einem Bericht der Vereinten Nationen hieß. Es scheint, dass jede Verringerung rassistischen Verhalten mit einer entsprechenden Erweiterung unserer Definition dieses Konzeptes einhergeht. Somit ist Rassismus zu einer konservierten Größe geworden, die mit Masse oder Energie vergleichbar ist: transformierbar, aber nicht reduzierbar.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Erweiterung der Definition von Rassismus in naher Zukunft innehält. Und es gibt keinen Grund zu glauben, dass Progressive je damit aufhören würden, institutionelle Reformen zu verlangen, um Rassismus zu beheben - bis hin zu Versuchen, unser Unterbewusstsein durch solche Dinge wie obgligatorischen Schulungen bezüglich impliziter Voreingenommenheit zu reformieren. In einem BBC-Beitrag über Rassismus merkte der gefeierte Dichter Benjamin Zephaniah an: "Gesetze können die Handlungen der Menschen kontrollieren, nicht aber ihre Gedanken. Da Rassismus subtiler wird, müssen wir weiterhin Druck auf unsere Institutionen ausüben, damit sie sich ändern."

Glücklicherweise liegt er richtig damit, dass Gesetze nicht auf unser Unterbewusstsein einwirken können, da Anti-Voreingenommenheitsschulungen keine Wirkung zu zeigen scheinen. Doch Zephanias Bemerkung hätte fremdartig in den Ohren der Anführer der Bürgerrechtler aus der Vergangenheit geklungen. In den Worten des Politikwissenschaftlers Adolph Reed,
Die politischen Debatten und Aktionen der Schwarzen in den frühen 1960er Jahren nahmen konkrete Probleme ins Visier - Arbeitslosigkeit, Wohnverhältnisse, Löhne, Organisation in Gewerkschaften, Diskriminierung an bestimmten Orten und in bestimmten Bereichen - anstelle von abstraktem "Rassismus". Erst in den späten 1960ern und in den 1970er Jahren, nach den Siegen in der Gesetzgebung, mit denen die südliche Apartheit besiegt und die vollen Bürgerrechte von Schwarzamerikanern wiederhergestellt waren, wurde "Rassismus" als Standard-Erklärung für Ungleichheiten, die als Rassenunterschiede erscheinen, propagiert.
Wenn es in den frühen 1960er Jahren darum ging, den Berggipfel zu erreichen, dann ist das Zeitalter der Moderne ein Treten auf dem Laufband. Coates Refrain, "Widerstand muss sein eigener Lohn sein," ist zum Schlagwort der Bewegung geworden.13

Der Krieg gegen Rassismus, den jene zu gewinnen beabsichtigten, die ihn verfolgen, wird in Wahrheit jedoch endlos weitergehen. Der Grund dafür liegt in den erklärten Zielen der Progressiven, die - so aufrichtig sie auch hochgehalten werden - doch so apokalyptisch, vage und so total sind, dass sie niemals erreicht werden können. Oft hört man zum Beispiel den Ruf danach, die "Vorherrschaft der Weißen zu beenden". Doch wie "Beendigung der Vorherrschaft der Weißen" in einem Land ausschauen würde, wo Weiße bereits von verschiedenen dunkelhäutigen Bevölkerungsgruppen im Einkommen übertroffen werden (Indo-Amerikaner besetzen mit großem Abstand den Spitzenplatz auf der Liste) wird nie erklärt. Ich wäre nicht der erste, der auf die Parallelen zwischen progressiven Zielen und religiöser Eschatologie hinweist. Coates beispielsweise bekennt sich als Atheist, doch wenn man ein paar Details frisiert, dann wird die Entrückung zur Wiedergutmachung - die laut ihm einer "spirituellen Erneuerung" und einer "Revolution des amerikanischen Bewusstseins"14 führen wird.

Der Verbleib in der Tretmühle des Rassismus bedeutet, Fortschritt abzulehnen und ethnische Spannungen zu schüren. Es bedeuet, wie Thomas Sowell einst warnte, sich in Richtung einer Gesellschaft zu bewegen, in der "ein neugeborenes Baby in eine Welt eintritt, die mit vorgefertigten Beschwerden gegen andere Babys, die am gleichen Tag geboren sind, versorgt wird."15 Noch schlimmer, es bedeutet, die eine Konversation zum Stillstand zu bringen, in der die größte Chance auf eine Verbesserung der Resultate für die Schwarzen liegt: die Konversation über Kultur.

Im Gegensatz dazu bedeutet das Verlassen der Tretmühle, zu der Erkenntnis zu kommen, dass Gruppenergebnisse sich selbst in Abwesenheit systemischer Voreingenommenheiten unterscheiden werden; es bedeutet, Menschen als Individuen anstatt als Mitglieder eines Kollektivs zu behandeln; es bedeutet, die naive Vorstellung einer Gleichbehandlung der Menschen, die nicht auf der Hautfarbe beruht, wiederherzustellen - die Farbenmoral der extremen Linken; und es bedeutet, Aufrufe abzulehnen, die das Niederbrennen dieses oder jenes Systems fordern, um gegen Formen rassischer Unterdrückung zu kämpfen, die von Tag zu Tag immer abstrakter werden. Im Grunde bedeutet es die Anerkennung der Tatsache, dass Rassismus bereits rapide abgenommen hat, und vielleicht auch dankbar dafür zu sein.
Coleman Hughes studiert Philosophie an der Columbia University. Seine Arbeiten wurden sowohl im Blog der Heterodoxen Akademie als auch im Columbia Spectator veröffentlicht. Sie können ihm auf Twitter folgen: @coldxman
Quellen

1 Pinker, Enlightenment Now, 219.
2 Coates, We Were Eight Years in Power, 152.
3 Sowell, The Economics and Politics of Race, 201.
4 Sowell, Intellectuals and Race, 95.
5 Coates, We Were Eight Years in Power, 156.
6 Dyson, The Black Presidency, 13-14.
7 Sowell, Three Black Histories, in The Wilson Quarterly Vol. 3 No. 1, 102.
8 Sowell, Three Black Histories, in The Wilson Quarterly Vol. 3 No. 1, 102-103.
9 Sowell, Black Rednecks and White Liberals, 32-33.
10 Chua & Rubenfeld, The Triple Package, 41.
11 Coates, We Were Eight Years in Power, 28.
12 Coates, We Were Eight Years in Power, 154.
13 Ders., 289.
14 Ders., 202.
15 Sowell, Intellectuals and Race, 138.