"Besteuert uns!", so der Aufruf von gut 90 Millionären. Auch Christina Hansen hat unterschrieben, die Tochter einer deutschen Unternehmerfamilie. Warum will sie auf Geld verzichten?
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© AFP/Mark Wilson
Sollen Millionäre mehr in den Steuertopf einzahlen als bisher? In einem offenen Brief fordern inzwischen mehr als 90 Reiche aus sieben Ländern genau das, um den gesellschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zu finanzieren. Unter anderem haben die Filmemacherin Abigail Disney und Jerry Greenfield, Mitgründer der Eismarke Ben & Jerry's, den Appell unterschrieben, den die Hilfsorganisation Oxfam unter der Überschrift "Millionaires for Humanity" veröffentlicht hat.

Eine von fünf deutschen Unterzeichnern: Die 30-jährige Christina Hansen, die einer erfolgreichen Maschinenbauerfamilie entstammt. Im Interview mit dem SPIEGEL erklärt sie, warum es nicht ausreicht, dass wohlhabende Menschen freiwillig spenden, und warum nur der Staat eine sinnvolle Verteilung von Geld für soziale Zwecke gewährleisten kann: Trotz aller Fehler sei das besser, als wenn das Geld nur entsprechend "den Hobbys und Interessen eines Gönners" fließt, "der in seiner eigenen Welt lebt und die Bedürfnisse der Empfänger kaum kennt".

Christina Hansen, Jahrgang 1989, studiert Nachhaltigkeitsmanagement und ist durch das Vermögen ihrer Familie finanziell unabhängig. Ihr Großvater gründete einen Maschinenbaubetrieb, der zu einer Firmengruppe mit mehr als 2000 Mitarbeitern angewachsen ist. Im Alter von 18 Jahren brachte sie sich mit einem fünfstelligen Betrag in die deutsche Bewegungsstiftung ein. Studien- und Berufserfahrung sammelte sie bisher unter anderem mit Unternehmensberatung in Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit.

Gerade in der Corona-Pandemie, wo Staaten notgedrungen besonders viele Menschen unterstützen, müsste auch von Vermögenden ein stärkerer Beitrag gefordert werden, sagen Hansen und ihre Mitunterzeichner.

Rendite, Risiko, Liquidität. Inzwischen erweitern immer mehr Geldinstitute diesen rein ökonomisch ausgerichteten Ansatz der Geldanlage um einen vierten Fixpunkt: Nachhaltigkeit

Tatsächlich gilt für Deutschland, dass in der oberen Vermögensklasse mehr Geld gebündelt ist als gedacht, wie vor wenigen Tagen eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vorrechnete: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 35 Prozent des gesamten Nettovermögens - bislang kalkulierte man mit 22 Prozent.

Lesen Sie das gesamte Interview mit Christina Hansen:

SPIEGEL: Frau Hansen, Sie haben einen Brief von reichen Menschen unterschrieben, der Staatenlenker auffordert: "Besteuert uns!" Welche konkreten Effekte versprechen Sie sich von dem Aufruf?

Hansen: Ich wünsche mir, dass möglichst überall reiche Menschen mehr von ihrem Geld zum Gemeinwesen beitragen. Das geht nicht ohne Zwang, also Steuern. Überall fehlt den Staaten Geld für wichtige Aufgaben wie Armutsbekämpfung oder Klimaschutz. In der Coronakrise wissen viele Länder nicht, wie sie ihren Bürgern helfen können. Dabei ist das Geld ja da, nämlich bei all den Reichen, die immer reicher werden. Die Staaten holen es sich nur nicht.

SPIEGEL: Solche Aufrufe gibt es immer wieder mal, etwa wenn Warren Buffett beklagt, dass seine Sekretärin einen höheren Steuersatz zahlen müsse als er - einer der reichsten Männer der Welt. Irgendwie setzt sich aber meist eine Politik durch, die große Vermögen nicht zu sehr belasten will.

Hansen: Dieser Brief wird wahrscheinlich nicht als direkte Folge haben, dass ich ab dem kommenden Jahr höher besteuert werde. Das ist völlig klar. Aber die Debatte um die Verantwortung und den Beitrag der Wohlhabenden braucht immer wieder neue Anstöße. Mir ist wichtig, dass das Thema diskutiert wird.

SPIEGEL: Viele Reiche bringen sich doch auch schon so ein: mit Spenden, mit wohltätigen Stiftungen. Zum Beispiel gibt es "The Giving Pledge", mit dem sich diverse Superreiche verpflichtet haben, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu Lebzeiten für gute Zwecke zu spenden, darunter Bill Gates.