Der Senat nahm Terrorverdächtige schnell fest. Das missfällt dem Bund

Bundesbehörden hätten Hani N. und Samir M. gern noch länger beobachtet, um genauere Erkenntnisse zu bekommen

Nach der Festnahme zweier Terrorverdächtiger in Berlin wird in Sicherheitsbehörden diskutiert, ob die Ermittler zu früh zugegriffen haben. Denn die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt nicht, das tut sie nur bei schwerwiegenden staatsgefährdenden Straftaten von besonderer Bedeutung. Die von der Polizei beschlagnahmten Computer, Dateien und USB-Sticks der Verdächtigen Hani N. und Samir M. reichen vielleicht nicht aus, um die Männer länger festzuhalten. Sie verweigerten am Freitag jegliche Aussage. Die Berliner Staatsanwaltschaft hielt sich mit Angaben zum Ermittlungsstand bedeckt.

Hani N. hatte größere Mengen chemischer Substanzen - mehrere Kilo 37-prozentige Schwefelsäure und ein Kilo Salzsäure - erworben, um zusammen mit angeblich 600 Kühlelementen daraus möglicherweise eine Bombe zu bauen. Die Anschlagsplanungen befanden sich in der Anfangsphase, sodass eine längere Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden wahrscheinlich mehr Erkenntnisse geliefert hätte. Die Behörden des Bundes hätten es dem Vernehmen nach lieber gesehen, wenn die Berliner Ermittler noch abgewartet hätten, um genauere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, was die Männer wirklich planten.

"Es fällt auf, dass der Zugriff sehr früh erfolgt ist. Ich will nicht hoffen, dass der Wahltermin am 18. September und die vorausgegangene heftige Kritik am Berliner Innensenator, die Politik dazu verleitet hat", sagte Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, der Welt. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verteidigte hingegen die Festnahmen der Polizei. "Lieber jetzt zugreifen und verhindern, dass großer Schaden entsteht", sagte Körting. Eine der Säuren sollen die Beschuldigten bei einem Landwirt in Baden-Württemberg bestellt und sich diese in zwei Lieferungen haben schicken lassen. Als sich die zweite Ladung bereits auf dem Weg in die Hauptstadt befand, soll der Bauer die Behörden informiert haben, weil ihm die Angelegenheit verdächtig vorkam. Die Berliner Polizei reagierte darauf sofort, rief die Operation "Regenschauer" ins Leben und ließ die beiden Männer seit Ende Juni rund um die Uhr observieren. Dennoch ist der Verbleib der Kühlelemente unklar. Denn erst durch intensive Ermittlungen im Internet stellte sich heraus, dass diese bereits vor dem Aktivwerden der Berliner Sicherheitsbehörden bestellt worden waren und somit vor den Augen des später eingeschalteten Mobilen Einsatzkommandos (MEK) verborgen blieben.

Einen konkreten Anlass für die Aktion hat es nach Angaben von Beamten eigentlich nicht gegeben. "Die beiden Männer haben sich seit der Bildung der Sonderkommission absolut unauffällig verhalten. Sie haben ihre Gewohnheiten nicht verändert, sich nicht bewaffnet oder sich mit anderen Radikalen getroffen. Sie gingen zum Gebet in das Islamische Kulturzentrum im Stadtteil Wedding, wo sie manchmal auch übernachtet haben", berichtet ein Ermittler. Genau genommen habe sich die Sachlage seit dem Hinweis durch den baden-württembergischen Landwirt nicht verändert.

Nach den Festnahmen in Berlin und kurz vor dem zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September in den USA ist indes der Streit über die Vorratsdatenspeicherung im Bund voll entbrannt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, die Liberalen müssten sich bei dem Thema "endlich bewegen". Unionsfraktionschef Volker Kauder ging Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hart an. "Eine Justizministerin, die die Umsetzung einer verbindlichen EU-Richtlinie verweigert, ist ein Problem", sagte der CDU-Politiker den "Ruhr Nachrichten".

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält es für notwendig, dass die Behörden mehr Möglichkeiten zur Auswertung der Daten von Verdächtigen bekommen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) macht nun vorsichtig Druck für eine Neuregelung, um den Dauerstreit zwischen Innen- und Justizressort zu beenden. Es gebe die Verpflichtung, die zugrunde liegende EU-Richtlinie umzusetzen und die Vorgaben des Verfassungsgerichts zu befolgen. Leutheusser-Schnarrenberger hielt dagegen, die alte Regelung sei zu Recht für verfassungswidrig erklärt worden. Alle seien gut beraten, vor dem Hintergrund des Falls in Berlin nicht "schon wieder mit der Vorratsdatenspeicherung zu kommen".

Das US-Heimatschutzministerium hat unterdessen vor erneuten möglichen Terrorangriffen gewarnt. Ermittler gehen nun konkreten Hinweisen auf Terrorpläne in New York oder Washington nach. Es gebe Nachrichten über einen "spezifischen, glaubwürdigen, aber unbestätigten Bericht, dass al-Qaida erneut Amerikanern schaden will", sagte Außenministerin Hillary Clinton. Medienberichten zufolge könnten Attentäter versuchen, mit Sprengstoff beladene Autos oder LKW explodieren zu lassen.