Gegen mehrere Betreiber von Teststellen wird wegen Betrugs ermittelt. Gesundheitsämter befürchten: Das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. Die Kritik an Gesundheitsminister Spahn ist groß.
Jens Spahn
© www.globallookpress.com Roland Weihrauch/dpaJens Spahn besucht Krankenpflege-Campus. 1. September 2020 (Symbolbild)
In Nordrhein-Westfalen wird bereits ermittelt, jetzt schließt sich Bayern an: Im Freistaat untersuchen Behörden möglichen Abrechnungsbetrug bei Corona-Tests. Dem Gesundheitsministerium sei "konkret ein Fall bekannt, in dem die Behörden ermitteln", sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag in München. Um welche Teststelle es sich handelt, wollte er "wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens und der noch geltenden Unschuldsvermutung" nicht sagen.

Zuvor waren Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug bekannt geworden. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Ruhrgebiet bereits Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei seien auch Unterlagen beschlagnahmt worden.

25.000 Tests gemeldet - und nicht ein positiver Fall

Das Kölner Gesundheitsamt befürchtet, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Man habe die große Sorge, dass dies nicht der einzige Fall sei, "sondern dass noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden", sagte Behördenleiter Johannes Nießen in der ARD. Laut "Tagesschau" befürchten Gesundheitsämter zudem, dass falsche Testmeldungen die Datenlage über den Pandemieverlauf verfälschen könnten. So seien von drei Teststandorten, an denen WDR, NDR und SZ recherchiert hätten, innerhalb von einer Woche 25.000 Tests gemeldet worden, darunter aber kein einziger positiver Fall.


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte "stichprobenartig mehr Kontrollen" an. "Egal ob bei Masken oder beim Testen - jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen", schrieb der Minister im Kurznachrichtendienst Twitter.


Kommentar: Die Bundesregierung hat dazu eine Steilvorlage geliefert.


Linke kritisiert "schlampigen Umgang mit Steuergeld"

Schämen sollte sich aus Sicht von Opposition und SPD allerdings eher der Gesundheitsminister selbst. So wies Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow der Bundesregierung eine Mitverantwortung für die mutmaßlichen Betrügereien in Corona-Schnelltestzentren zu und forderte eine Verschärfung der Regeln. Die Regierung habe das Schnelltest-System "überstürzt und chaotisch" eingeführt, sagte Hennig-Wellsow am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. "Das ist in meinen Augen schlampiger Umgang mit einer wesentlichen Säule der Corona-Bekämpfung und schlampiger Umgang mit Steuergeld."


Die Bundesregierung habe "nach dem chaotischen Start Zeit gehabt zu korrigieren - das wurde versäumt". Der Bundesgesundheitsminister müsse nun "unverzüglich erklären, wie er gegen Betrug vorgehen will und wie die Abrechnungen künftig sicherer gemacht werden", sagte die Linken-Chefin zu AFP. "Die Ankündigung weiterer Stichprobenkontrollen genügt da bei weitem nicht."

FDP fordert Sonderermittler

Auch die SPD sieht Spahn in der Verantwortung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der dpa: "Nach den Masken jetzt die Schnelltests. Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen."

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sagte dem Handelsblatt, Spahn müsse "unverzüglich die Testverordnung nachbessern und die Lücken schließen". FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, forderte die Einsetzung eines Sonderermittlers, um den mutmaßlichen Abrechnungsbetrug aufzuklären.

Baden-Württemberg will Diskussion bei Konferenz am Montag

Die baden-württembergische Landesregierung verlangte verlässliche Angaben des Bundes. Der mutmaßliche Abrechnungsbetrug werde bei einer Gesundheitsministerkonferenz am Montag zur Sprache gebracht, kündigte der Amtschef des Landesgesundheitsministeriums, Uwe Lahl, in der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten an.

Bundesgesundheitsminister Spahn müsse einschätzen, wie groß das Problem tatsächlich sei. "Wir brauchen vom Bund jetzt Fakten, um zu entscheiden, wie wir weiter vorgehen."


Kommentar: Fakten hätten von Anfang gesichert, dass Corona nicht das größte Problem ist, sondern diejenigen, die die Maßnahmen unverhältnismäßig einführten.


Ein Sprecher von Spahn teilte am Sonntag mit, Spahn werde das Thema am Montag mit den Gesundheitsministern der Länder beraten. Demnach ist für 8 Uhr eine Online- Schaltkonferenz angesetzt.

dpa