Auch wenn der Testlauf am Hamburger Flughafen nicht erfolgreich war: Flugpassagiere sollen künftig durchleuchtet werden: Wissenschaftler der Universität Tübingen erforschen nun die ethischen Dimensionen von Körperscannern an einem eigenen Gerät.

Bei den Tests am Hamburger Flughafen haben Körperscanner schlecht abgeschnitten. Die Politik fordert Nachbesserungen, hält aber am Einsatz der Technik fest. Das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen hat nun ein eigenes Gerät erworben. Im Forschungsprojekt „KRETA“ geht es aber nicht darum, die Funktion des Geräts zu verbessern, das momentan noch Probleme mit Schweißflecken und Bügelfalten hat - die Wissenschaftler erforschen vielmehr die ethischen Dimensionen des Einsatzes von Körperscannern.

Seit Anfang 2011 wird am IZEW das Projekt „Körperscanner: Reflexionen der Ethik auf Technik und Anwendungskontexte“ (KRETA) durchgeführt. Das wissenschaftliche Team um Projektleiterin Professor Regina Ammicht Quinn untersucht dabei, welche ethischen Fragen und Probleme mit der Herstellung von Sicherheit durch den Einsatz von Körperscannern an Flughäfen (und anderen Orten) verbunden sind.
Für das im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt wurde nun ein Gerät der Firma Smiths Heimann (Wiesbaden) erworben. Ohne von politischen Konstellationen und Verfügbarkeiten abhängig zu sein, können die Tübinger Wissenschaftler damit Forschung betreiben, die Aufschlüsse über die psychische und psychosoziale Wirkung, die Arbeitsweise sowie die ethischen Dimensionen von Körperscannern gibt.

Die Ethiker untersuchen, inwieweit der Einsatz der Geräte an den Sicherheitskontrollen, beispielsweise am Flughafen, bestimmte Personengruppen systematisch benachteiligt und diskriminiert. Dabei werden besonders Menschen mit abweichenden Körperstrukturen berücksichtigt, z. B. Transsexuelle, aber auch Menschen mit verdeckten Behinderungen. Denn von der Kleidung verdeckte Gegenstände, die der Körperscanner anzeigt, müssen nicht Sprengstoffe oder Waffen sein; bei den „potentiell gefährdenden Gegenständen“ kann es sich auch um Brustprothesen, Inkontinenzeinlagen oder Urinbeutel handeln. Neben Menschen mit abweichenden Körperstrukturen sind auch Menschen mit Bewegungseinschränkungen betroffen, die die Scanposition nicht oder nur schwer einnehmen können, oder Menschen, denen es religiöse Gebote nicht erlauben, sich einem Scan durch einen Körperscanner zu unterziehen. „Bei der Einführung von Sicherheitstechnologien sollte die übliche Abwägung von Freiheit und Sicherheit durch das Kriterium der Gerechtigkeit ergänzt werden“, fordert Regina Ammicht Quinn. Nicht nur Einschränkungen von Freiheit oder Privatheit sollten untersucht werden, so die Tübinger Ethikerin, sondern genauso die mögliche ungerechte oder diskriminierende Wirkung von Sicherheitstechnologien.

Die empirischen Studien über mögliche psychische und psychosoziale Wirkungen des Scanners werden vom Team um Dr. Larissa Wolkenstein vom Fachbereich Psychologie der Universität Tübingen durchgeführt. Die Psychologen und Ethiker erwarten sich durch die Studien Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkung von Körperscannern auf Körperschemata und das Befinden sowie auf Einstellungen. Das Gerät wird auch interessierten Kolleginnen und Kollegen aus den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften für Forschungs- und Kooperationsprojekte zur Verfügung stehen. „Jegliche Form empirischer und ethischer Forschung zum Einsatz solcher Geräte ist hierbei willkommen.“ Auch Besucher sollen die Möglichkeit bekommen, das Gerät zu besichtigen, etwa bei einem „Tag der offenen Tür“.

Kontakt:

Heidi Schäfer
Universität Tübingen
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)
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Fax: +49 7071 29-5255
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