Nazi-Mörder Rauff
© APRauff kurz nach seiner Festnahme durch die Amerikaner im April 1945 in Mailand. Im Dezember 1946 gelang ihm die Flucht.

Der Bundesnachrichtendienst beschäftigte einen Nazi-Mörder als Spion in Südamerika. Der Mann konnte sogar unbehelligt nach Deutschland reisen, als bereits ein Haftbefehl gegen ihn bestand. Als die deutsche Justiz ihn in Chile verhaften ließ, übernahm der BND einen Teil der Anwaltskosten.

Ein Mitverantwortlicher am nationalsozialistischen Massenmord an den Juden stand nach Informationen der Bild-Zeitung jahrelang im Dienst des Bundesnachrichtendienstes (BND). Als SS-Offizier hatte Walther Rauff die Entwicklung und den Einsatz von Gaswagen verantwortet, in denen Menschen qualvoll mit Abgasen erstickt wurden. Bodo Hechelhammer, Leiter der Forschungs- und Arbeitsgruppe "Geschichte des BND", sagte der Zeitung: "Walther Rauff war von 1958 bis 1962 als nachrichtendienstliche Verbindung für den BND in Südamerika tätig. Insgesamt bekam er dafür mehr als 70.000 D-Mark Honorar." Rauff starb 1984 in Chile.

Die Geheimdienst-Akte zu Rauff umfasst nach Informationen der Bild-Zeitung rund 900 Seiten und war bislang strenggeheim. Rauff wurde demnach am 25. Oktober 1958 als Agent unter dem Decknamen "Enrico Gomez" geworben. Monatlich erhielt er 2000 D-Mark Honorar. Wegen "mangelhafter Leistung" kürzte der BND die Bezahlung 1962 um die Hälfte.

Angeworben wurde der Nazi-Verbrecher durch den BND-Mitarbeiter Wilhelm Beissner (alias "Bertram"), ebenfalls ein alter Nazi. Die beiden kannten sich aus gemeinsamen Zeiten im Reichssicherheitshauptamt, einer zentralen SS-Behörde. Auch Rauff setzte für seine Spionageaufträge ehemalige SS-Leute ein.
Rauff nach Anhörung in Chile
© Associated PressRauff (2.v.l.) nach einer Anhörung vor dem Obersten Gericht Chiles, 12. Juli 1962.

Der Historiker Martin Cüppers von der Forschungsstelle Ludwigsburg der Uni Stuttgart sagte der Bild-Zeitung: "Die Dokumente zeigen, dass sich hier eine ganze NS-Seilschaft im BND bildete."

Zweimal erhielt der Nazi-Mörder dem Bericht zufolge nachrichtendienstliche Schulungen vom BND in der Bundesrepublik, zuletzt im Februar 1962. Rauff konnte ein- und wieder ausreisen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein deutscher Haftbefehl gegen ihn bestand. Als Rauff schließlich im Dezember 1962 aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens in Chile verhaftet wurde, schaltete der BND "Enrico Gomez" wegen "mangelnder politischer Übersicht" ab. Chiles Oberster Gerichtshof lehnte eine Auslieferung des SS-Schergen ab und ließ ihn im April 1963 frei. Vom BND erhielt Rauffs Familie laut "Bild"-Zeitung danach noch einmal 3200 D-Mark als Zuschuss für Anwaltskosten.

AFP