Ein BBC-Interview machte Alessio Rastani weltbekannt: Der Hobby-Aktienhändler gab sich als Profi aus und erklärte, dass er für eine Rezession bete und die Investmentbank Goldman Sachs die Welt regiere. Tatsächlich ist der Mann wohl nur ein Selbstvermarkter auf der Suche nach ewigem Internetruhm.


"15 Minutes of fame" heißt es im Englischen, wenn ein Unbekannter urplötzlich im Rampenlicht auftaucht und ebenso schnell wieder verschwindet. Alessio Rastani brauchte gerade drei Minuten, um mit wenigen Worten zu weltweiter Prominenz zu gelangen.

Der 34-jährige selbsternannte Börsenhändler wurde Anfang der Woche auf dem Nachrichtensender BBC News zur Euro-Krise interviewt. Er sagte Sätze wie "Nicht Regierungen regieren die Welt, Goldman Sachs regiert die Welt." Und: "Ich gehe jeden Abend zu Bett und träume von einer Rezession. Mit dem richtigen Plan kann man eine Menge Geld verdienen."

Die BBC-Anchorleute im Studio schüttelten ungläubig ihre Köpfe, solche Thesen schienen sie bisher nur aus Verschwörungstheorien zu kennen, aber nicht im Live-TV.

Das kurze Gespräch mutierte binnen Stunden zum YouTube-Hit. Über eine Million Nutzer haben das Video gesehen, in den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook wurde der Link tausendfach weitergeleitet. Auf Rastanis Facebook-Seite postete eine Frau: "Italien liebt dich, Held der Wahrheit." Andere empörten sich über die moralische Verlottertheit des Kapitalismus.

Auch ernsthafte Wirtschaftskommentatoren empfahlen die Äußerungen des vermeintlichen Bankers. BBC-Finanzguru Robert Peston adelte das Interview gar zum "Must Watch".

Rasch wurden jedoch Zweifel an Rastanis Identität laut. Mit seinen gegelten Haaren, der rosafarbenen Krawatte und den zynischen Sprüchen war er geradezu die Karikatur des geldgierigen Traders. Auf Twitter wurde spekuliert, ob er vielleicht einer der "Yes Men" sei, einer Gruppe von Spaß-Aktivisten, die sich mit falscher Identität auf Konferenzen und ins Fernsehen schleichen. Die "Yes Men" dementierten dies, zogen aber ihren Hut vor Rastani und gratulierten ihm zu seiner "meisterhaften Performance".

Inzwischen sieht es so aus, als sei der "BBC-Trader", wie er im Netz genannt wird, einfach ein aggressiver Selbstvermarkter. Er betreibt eine Web-Seite, auf der er sich selbst als "erfahrenen Aktienhändler" anpreist. In einem Blog kommentiert er aktuelle Wirtschaftsnachrichten, der letzte Eintrag ist betitelt: "Warum ich für eine Rezession bete." Fotos zeigen ihn auf Fachkonferenzen, wo er angeblich als Finanzberater auftritt.

Eigentümer einer kleinen, verschuldeten Firma?

Rastani selbst sagte dem Daily Telegraph, er sei ein "Aufmerksamkeitssucher". Der Handel mit Aktien sei nur ein Hobby, was er von zu Hause aus betreibe. Er handele mit seinem eigenen Geld, sagte er dem US-Wirtschaftsmagazin "Forbes". Nur mit welchem Geld? Laut Telegraph hat er eine kleine Firma, die verschuldet ist.

Die BBC muss sich nun fragen lassen, wieso ein Amateur minutenlang seine Theorien über die Euro-Krise verbreiten durfte. Die Erklärung ist einfach: Der Sendeplatz musste irgendwie gefüllt werden, und der Sender ist für jeden Interviewpartner dankbar. Offensichtlich ist er über die Web-Seite auf Rastani gestoßen, die einen ausreichend professionellen Eindruck machte.

Das eigentliche Phänomen jedoch ist, wieso einige banale Sätze eines Nobody solche Wellen schlagen können. Es ist schließlich keine Neuigkeit, dass Börsenhändler an fallenden Aktienkursen genauso gut verdienen können wie an steigenden. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Händler so etwas sagen: Es gibt zahllose Aussteigerbücher von Börsenhändlern, die an ihrer Branche kein gutes Haar lassen.

Auch Rastani selbst zeigte sich überrascht von dem Medienecho. Er habe keine Ahnung, warum er so viel Aufmerksamkeit bekomme, sagte er "Forbes". Was er gesagt habe, sei doch nichts Neues. "Ich dachte, das wüssten schon alle."