Bei der Auswahl von täglichen Lebensmitteln entscheidet nicht nur der Geschmack
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Lebensmittel sind in den westlichen Industrienationen nahezu im Überfluss vorhanden. Mussten die Menschen noch vor einigen Jahrzehnten mindestens 60 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel ausgeben, sind es heute gerade einmal durchschnittlich 10 Prozent. Trotzdem verzehren die meisten Menschen Lebensmittel, die ihnen überhaupt nicht schmecken.

Wissenschaftler der Heidelberger Dr. Rainer Wild-Stiftung haben erste Ergebnisse ihrer repräsentativen Geschmacksforschungsstudie vorgestellt. Sie gingen bei ihrer Forschungsarbeit der Frage nach, ob Menschen auch Dinge essen, die ihnen eigentlich nicht schmecken. Bereits erste Auswertungsergebnisse zeigten, dass 81 Prozent der befragten Bundesbürger Speisen verzehren, die ihrem individuellen Geschmacksempfinden nicht entsprechen. Im weiteren Verlauf wurde deutlich, dass der Geschmack nur ein Bewertungskriterium von vielen darstellt, um Nahrungsmittel zum Essen auszuwählen.

Jeden Tag fragen sich Millionen von Verbrauchern, was sie heute zum Mittag, zum Abendessen, in der Schule oder am Arbeitsplatz essen. Im Tagesverlauf sind die meisten aufgrund ihrer beruflichen oder schulischen Tätigkeiten außer Haus unterwegs. Werden die Menschen gefragt, warum sie etwas essen, sagen die Meisten, dass der Geschmack eine ausschlaggebende Rolle spielt. Daher könnte man eigentlich davon ausgehen, dass die meisten Verbraucher nur das verzehren, was ihnen auch tatsächlich schmeckt. Doch Dr. Lisa Hahn und Karolin Höhl von der Dr. Rainer Wild-Stiftung machten eine erstaunliche Erkenntnis anhand der Umfrageergebnisse. Demnach essen vier von fünf Verbraucher im Alltag nicht das, was ihrem persönlichen Geschmacksempfinden entspricht.

38 Prozent sagten, die Lebensmittel die sie täglich essen, mögen sie generell nicht. 28 Prozent gaben an, dass die Speisen in der Zubereitung nicht zufriedenstellend sind und für 19 Prozent sind die Gerichte nicht nach ihrem individuellen Geschmack gewürzt. Hier drängt sich die Frage auf, warum die Menschen das essen, was sie anscheinend nicht mögen.

Zubereitete Speisen, die den Studienteilnehmern nicht schmeckten, stammten meist aus Restaurants, Schnell-Imbissen, Fastfood-Lokalen oder Kantinen. Besonders überrascht zeigten sich die Geschmacksforscherinnen darüber, dass 73 Prozent weiter essen, obwohl ihnen das vorgesetzte Essen nicht zusagte. Zwei von Fünf der Teilnehmern sagten, dass sie die Speisen sogar gänzlich verzehrten, obwohl diese nicht schmeckten. Trieb der Hunger das Essen hinein, oder hatten die Befragten keine Zeit für die besondere Auswahl von Speisen? Die Befragung zeigte, dass viele Menschen Mahlzeiten zu sich nehmen, die ihnen überhaupt nicht schmeckten. „Der gute Geschmack mag zwar wichtig sein“, erklärte Dr. Gesa Schönberger, Geschäftsführerin der Stiftung für gesunde Ernährung, „er ist jedoch oft nicht unbedingt ausschlaggebend.“ Warum in einer so wohlhabenden Gesellschaft wie die unsere, Speisen verzehrt werden die nicht schmecken, wird eine der interessantesten Frage im weiteren Verlauf der Studie sein. „Wir wollen damit die tatsächliche Relevanz von Geschmack aufdecken und so unserem Essen im Alltag näher kommen“ erklärte Schönberger.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erlauben eine hochwertige Auswahl von gesunden und wertvollen Speisen, die schmecken. Dennoch nehmen Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes kontinuierlich zu. Die Studien wird einige der offenen Fragen künftig mit beantworten. Die ersten Erkenntnisse wurden auf dem 15. Heidelberger Ernährungsforums Ende September vorgestellt.

sb