Der iranische Anschlagsplan setzt den US-Präsidenten unter Handlungsdruck, meint Politologe Herfried Münkler. Auch weil Obama als zögerlich und schwach gilt.
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© PICTURE-ALLIANCE / ERWIN ELSNER/DPAHerfried Münkler ist Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die politische Theorie und Ideengeschichte. Münkler sitzt im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Welt Online: Die USA beschuldigen die Iraner, einen Anschlagsplan gegen den saudi-arabischen Botschafter in Washington geplant zu haben und scheinen gerichtsfeste Beweise zu haben. Warum hätte der Iran solch einen Anschlag in Auftrag geben sollen?

Herfried Münkler: Das Problem ist natürlich, eine eindeutige Verbindung herzustellen zwischen denen, die das vermutlich in Washington durchführen sollten, und der politischen Führung des Iran. Das ist nicht immer leicht und häufig auch ein Akt der politischen Zuschreibung.

Bekanntlich werden solche Vorwürfe immer wieder auch zum Vorwand genommen, um militärische Maßnahmen gegen einen Akteur zu ergreifen und ihm eine „Lektion“ zu erteilen. Ich gehe davon aus, dass die lange Dauer zwischen der Aufdeckung dieser Anschlagspläne und ihrer Publikation auch etwas damit zu tun hat, dass die USA erst einmal vermeiden wollten, sich selbst unter einen öffentlichen Erwartungsdruck zu setzen.

Welt Online: Kann eine Supermacht wie die USA solch eine versuchte Aggression einfach auf sich beruhen lassen?

Herfried Münkler: Im Prinzip kann sie das natürlich. Eine starke Macht kann das umso mehr, je unangefochtener sie ist. Aber je stärker Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit kursieren, desto stärker ist sie gezwungen zu reagieren, um ihr Prestige - das durch einen solchen Anschlag auf einen Botschafter eines befreundeten Staates auf dem eigenen Territorium infrage gestellt werden sollte - wiederherzustellen.

Welt Online: Man darf davon ausgehen, dass Barack Obama kein US-Präsident ist, der leichten Herzens einen Militärschlag gegen den Iran führen würde. Er hat auf Entspannung gesetzt und versucht, die Iraner mit diplomatischen Mitteln von der Atombombe abzubringen. Könnte das eine Wende sein für seine Iranpolitik?


Kommentar: Das ist eine unbestätigte Behauptung, das Iran wirklich eine Atombombe baut. Zumindest soll uns das weis gemacht werden, damit es einen 'bösen' Staat gibt.


Herfried Münkler:Ja, das könnte eine Wende sein, nachdem die Sache bekannt worden ist. Obama ist ja oft vorgeworfen worden, er sei ein zögerlicher und eher schwacher Präsident, zumindest in der Außenpolitik. Deshalb steht er nun unter erheblichem Handlungsdruck.

Es ist natürlich noch nicht bewiesen, dass es sich tatsächlich um Akteure handelt, die im Auftrag der iranischen Regierung gehandelt haben. Die Machtverhältnisse im Iran sind ja nicht sonderlich klar. Es könnte sich auch um einen Machtkampf in der iranischen Führung handeln, über den immer wieder spekuliert wurde.

Es könnte also sein, dass dieser innenpolitische Machtkampf mit außenpolitischen Mitteln ausgetragen wird. Um darüber etwas Fundiertes sagen zu können, müsste man mehr wissen, als momentan in Deutschland bekannt ist - und möglicherweise auch in Amerika.

Welt Online: Was für Optionen hat Obama, um auf diesen Anschlagsversuch zu reagieren?

Herfried Münkler: Das beginnt mit einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, die gewaltfreie Sanktionen gegen jene Teile der iranischen Führung vorsieht, die mit diesem Anschlag in Verbindung gebracht werden können. Ich vermute, dass die noch weiter gehende Ächtung des Iran in der internationalen Politik der erste Schritt der Amerikaner sein wird.

Das eignet sich auch darum, weil in dieser Frage Russland und China, die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, durchaus sensibel sind. Auch sie haben ein Interesse daran, dem Versuch des Iran, mit solchen Anschlägen staatliche Politik zu betreiben, entgegenzutreten.

Vielleicht hat die Offenlegung dieser Informationen auch den Zweck, jene Mächte, die bisher viel Druck vom Iran ferngehalten haben, in die Pflicht zu nehmen. Aber man kann nicht ausschließen, dass der Druck auf Obama so stark wird, dass Militärschläge gegen die sensible Infrastruktur des Iran folgen werden. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Man kann nicht ausschließen, dass es zu einer Eskalation des Drohverhaltens kommt, an deren Schluss der Zwang zu militärischem Handeln steht.

Welt Online: Wir haben im vergangenen Jahr eine Intensivierung der verdeckten Sabotageakte gegen das Atomprogramm des Iran gesehen. Wird das noch zunehmen?

Herfried Münkler: Der Hinweis auf den Computerwurm Stuxnet und dessen Folgen für das iranische Atomprogramm ist natürlich nicht unwichtig, um zu verstehen, warum der Iran oder einzelne Regierungsstellen sich möglicherweise auf solch ein Unternehmen eingelassen haben.

Der iranische Anschlagsversuch, unterstellt, er hätte stattgefunden, ist nicht die Eröffnung von etwas, sondern die Fortsetzung einer Kampagne, in der beide Seiten mit verdeckten Mitteln gegeneinander operieren. Wobei es natürlich einen Unterschied gibt: Der Anschlag auf Irans Atomprogramm mit Stuxnet war nicht tödlich und auch nicht physischer Art, also nicht mit kinetischer Energie betrieben.

Das wäre bei einem Anschlag auf den saudischen Botschafter in den USA anders gewesen. Man kann also auch innerhalb dieses verdeckten Krieges von einer Eskalation sprechen.