Die thailändische Hauptstadt Bangkok bangt um ihr Zentrum. Bereits jetzt hat das Hochwasser einen Rekordpegel erreicht und steht in mehreren Stadtteilen knapp unterhalb der Flutbarrieren. Zehntausende Menschen sind betroffen. Der Scheitelpunkt wird am Wochenende erwartet.
Überschwemmung Bangkok
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Die Sorge vor einer Überschwemmung der Innenstadt von Bangkok wächst. Das Hochwasser im Fluss Chao Phraya, der durch den dicht besiedelten Westteil der thailändischen Hauptstadt fließt, hat eine Rekordmarke von 2,40 Metern erreicht. Die Flutbarrieren sind 2,50 Meter hoch. Regierungschefin Yingluck Shinawatra rief die Behörden dazu auf, den Abfluss des Wassers aus den Überschwemmungsgebieten weiter zu beschleunigen. "Wir hoffen, dass die Innenstadtbereiche trocken bleiben", sagte sie. Anderenfalls könnte die Stadt bis zu vier Wochen unter Wasser stehen.

Kopfzerbrechen bereitet den Behörden, dass im Golf von Thailand zum Wochenende ein besonders hoher Wasserstand bei Flut erwartet wird. Das drückt in die Mündung des Chao Phraya und könnte den Wasserpegel auf 2,60 Meter erhöhen, sagte ein Sprecher der Marine im Fernsehen. Dann würde das Wasser in die tiefliegenden Stadtteile entlang des Flusses strömen.

Hotels in der Innenstadt bereiteten sich auf die Möglichkeit vor, dass auch die belebte Sukhumvit Road überschwemmt werden könnte. Dazu gehört das Fünf-Sterne-Nai Lert Hotel im Herzen des Geschäftsviertels. "Wir haben alle tief liegenden Ausgänge zum Garten und Pool mit PVC-Platten geschützt und das mit Silikon abgedichtet", sagt Hotelmanager Torsten Pinter. Eine Küche wurde aus dem Untergeschoss auf die Höhe der Lobby verlegt. Die höher gelegenen Veranstaltungsräume werden zur Lagerung von Vorräten genutzt. "Bei der undurchsichtigen Nachrichtenlage bereiten wir uns auf alles vor", sagte Pinter.

Damm gebrochen

Unter dem Druck der Wassermassen war zuvor ein Schutzwall im Großraum Bangkok gebrochen. "Die betroffenen Anwohner müssen aus Sicherheitsgründen so schnell wie möglich fliehen", sagte der Direktor des Krisenzentrums (Froc), Pracha Promnok. Es drohe eine Überschwemmung von ein bis eineinhalb Metern Höhe. Froc-Sprecher Wim Rungwattanajinda schätzte die Zahl der Betroffenen auf rund 30.000 Menschen. Ob die Innenstadt von Bangkok wie erhofft von dem Hochwasser verschont bleibt, ist unklar.

"Ich bin nicht sicher, ob die Sicherheitsbarrieren lange genug halten", sagte Krisenzentrumsdirektor Pracha vor einer Kabinettssitzung. Ein schwerer Wolkenbruch verschärfte die Lage noch zusätzlich, weil die Abwasserkanäle schon randvoll waren.

Wegen des Deichbruchs in Tambon Lag Hok in der Pathum Thani-Provinz strömten die Wassermassen in die riesige Muang Ake-Siedlung, teilte der Direktor des Krisenzentrums mit. "Die Streitkräfte stehen bereit, um den Betroffenen fortzuhelfen." Der gebrochene Schutzwall liegt etwa 35 Kilometer nördlich der Bangkoker Innenstadt.

Wirtschaft erleidet hohe Ausfälle

Die Wirtschaft ist massiv betroffen: Wegen Werksschließungen in den Überschwemmungsgebieten schraubte mit Canon der erste japanische High-Tech-Konzern seinen Ausblick runter. Die Rivalen Sony und Nikon haben Werke geschlossen. Der Automobilbranche fehlt der Materialnachschub, PC-Produzenten müssen sich auf einen Mangel an Festplattenlaufwerken einstellen. Rund um Bangkok mussten bereits sieben Industriegebiete zwangsweise geschlossen werden. Dies hatte Produktionsausfälle von umgerechnet 2,3 Milliarden Euro zur Folge und machte rund 650.000 Menschen vorübergehend arbeitslos. Auch der Tourismussektor, der sechs Prozent der Wirtschaftsleistung einbringt, dürfte Einbußen erleiden.

Für den Wiederaufbau der zerstörten Regionen stellte die thailändische Regierung 325 Milliarden Baht (7,6 Milliarden Euro) zur Verfügung. Seit Beginn der Überschwemmungen Mitte Juli sind mindestens 366 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 113.000 Thailänder leben seitdem in Notunterkünften, 720.000 sind auf medizinische Hilfen angewiesen. Zudem droht Gefahr durch eingeschwemmte Krokodile: Mehrere Tiere wurden bereits in überfluteten Wohnvierteln getötet oder gefangen.

Wälle sollen Flughafen schützen

Auf dem Gelände des nahe gelegenen Inlandsflughafens Don Mueang drohte die Überschwemmung der Landebahn. Wie die Flughafenbehörde mitteilte, musste der Airport geschlossen werden. In die Abfertigungshallen schwappe bereits das Wasser, berichteten Lokalmedien. Der internationale Suvarnabhumi-Flughafen blieb aber offen. Drei Meter hohe Wälle sollen das Gelände vor dem Hochwasser schützen.

Auch am Ufer des Raphipat-Kanals zwischen der stark überschwemmten alten Königsstadt Ayutthaya in Zentralthailand und Bangkok hat das Wasser Deiche zerstört. Damit fließen nun zusätzlich Wassermassen ungebremst Richtung Bangkok. Nach Angaben des Krisenzentrums hatten aufgebrachte Anwohner die Dämme zum Teil eingerissen. Sie glauben, dass die Barrieren nur Bangkok schützen und verhindern, dass das Wasser aus ihren überschwemmten Gebieten schneller abfließt.

In Bangkoks Altstadt am Königspalast schwappte das Wasser aus dem stark angeschwollenen Fluss Chao Phraya in die Straßen. "Kein Geschäft heute", sagte Amulettverkäufer Lek Tapajan, der ungerührt in knietiefem Wasser stand. Die Stadtverwaltung pumpte die Brühe schließlich wieder zurück ins Flussbett. Dort hatte das Wasser die Oberkante der 2,50 Meter hohen Flutbarriere fast erreicht.

Arbeitsfrei für Flucht

Der Gouverneur von Bangkok hat alle Anwohner aufgefordert, sich auf kurzfristige Räumungen einzustellen. Die thailändische Regierung erklärte die Tage von Donnerstag bis kommenden Montag in Bangkok und 27 Provinzen für arbeitsfrei. Damit sollen die Menschen Gelegenheit bekommen, die Stadt zu verlassen oder wenigstens ihre Wohnungen und Häuser hochwassersicher zu machen.

Im ganzen Land stehen seit Juli weite Landstriche unter Wasser. Hunderttausende Menschen sind geflüchtet und leben teilweise schon seit Wochen in Notunterkünften.