Jeder weiß, dass zu viel Zucker ungesund ist. Studien gehen deutlich weiter: Demnach machen Süßes und Fettes abhängig wie Kokain. Die Erhebungen ähneln denen, auf deren Grundlage Milliardenklagen gegen die Tabakbranche geführt wurden.
Mädel isst Schokolade
© ColourboxZucker ist eine Droge.

Grundrauschen ist gut fürs Geschäft. Wenn es mal wieder heißt, Coca-Cola habe doch früher Kokain enthalten, wiegelt am Firmensitz in Atlanta offiziell jeder ab - und freut sich inoffiziell, dass die Brause auch nach 125 Jahre noch Gesprächsstoff liefert. Gerade aber wird sich bei Coke niemand freuen, dabei geht es wieder um Kokain. Zucker, haben mehrere wissenschaftliche Studien herausgefunden, kann ebenso süchtig machen wie Kokain. "Die Daten sind so überwältigend, dass sie allgemein akzeptiert werden müssen", findet Nora Volkow, Direktorin des Nationalen Instituts für Drogenmissbrauch in den USA.

Das ist jetzt kein lustiges Gerücht mehr, das Manager schweigend genießen. Das sind die Vorboten eines Angriffs auf eine Milliardenindustrie. Seit vor ein paar Jahrzehnten ähnliche Studien zur Wirkung von Nikotin erschienen sind, hat die Tabakindustrie reichlich Ärger am Hals. Kommendes Jahr führt der womöglich dazu, dass Zigarettenpackungen bis auf unappetitliche Fotos verteerter Lungenflügel weiß werden und nur noch unter der Ladentheke verkauft werden dürfen.


Kommentar: Angesichts der weltweiten Antiraucher-Kampagnen mag es schwer zu glauben sein, doch Nikotin an sich, und in Form von biologischem Tabak konsumiert, kann für einige Menschen positive Wirkungen haben. Vielmehr sind es die im kommerziellen Tabak enthaltenen Pestizide und die hinzugefügten Chemikalien, die das Rauchen ungesund machen.

Warum nun Tabak als der allgemeine Sündenbock auserkoren wurde ist ein Thema für sich. Der interessierte Leser mag sich z.B. mit folgendem Material auseinandersetzen:

Nikotin stärkt Nervenverbindungen bis zu 200 Prozent

Nikotin verlangsamt Demenz

Nikotin schützt das Gehirn vor Parkinson

Gehirnzellen funktionieren anders als bisher vermutet: Nikotin hilft Kreativität zu entfachen

Rauchen schützt vor Lungenkrebs


Entsprechend müssten in der auf 1000 Milliarden Dollar geschätzten Getränke- und Nahrungsmittelindustrie längst die Krisenstäbe tagen.

Industrie gibt sich betont gelassen

Nach außen herrscht bislang souveräne Ruhe. "Nestlé schaut sich alle relevanten wissenschaftlichen Entwicklungen an", versichert etwa der weltgrößte Lebensmittelkonzern. "Wir sind uns bewusst, dass manche Studien bei manchen Menschen übermäßigen Zuckerkonsum mit suchtähnlichem Verhalten verbinden." Aber, mit Verlaub: "Hier muss noch weit mehr geforscht werden." Coke weist darauf hin, dass die Studien hauptsächlich auf Versuchen mit Ratten in extremen Ernährungssituationen beruhen, "deshalb kann man die Ergebnisse nicht glaubhaft extrapolieren" und auf den Menschen übertragen.


Kommentar: Hmm, genau die Aussage, die man von einem Konzern, der an Zucker verdient, erwarten kann.

Hier einige Fakten zum Thema:

Eine Aufzählung der vielen Möglichkeiten wie Zucker unsere Gesundheit beeinträchtigen kann

Zucker - die unerkannte Droge

Zucker - Die Auswirkungen auf den Körper

Zucker als Droge?


Etwas konzilianter die Antwort beim Milka-Produzenten Kraft Foods: "Wir wissen, dass Konsumenten sich gesünder ernähren wollen." Um dabei zu helfen, "reduzieren wir den Anteil von Natrium, Zucker und Kalorien in unseren Produkten in den USA". An den süßen "Spaß"-Nahrungsmitteln, wie Pepsi-Chefin Indra Nooyi sie nennt, sei doch nichts dran, solange man sie in Maßen konsumiere.


Kommentar: Dies ist ein weit verbreiteter Irrglaube: Entweder man ernährt sich gesund oder nicht. Ebenso wie man entweder schwanger ist oder nicht, ist es auch mit der Gesundheit. Dass wir von allen Seiten gesagt bekommen, dass ein "bißchen Ungesundes" kein Problem darstellt, ist ein Problem für sich.


Noch vor zehn Jahren hielten Wissenschaftler die Idee, dass Nahrungsmittel süchtig machen können, für abwegig. Inzwischen haben Laborstudien erwiesen, dass zuckerhaltige Getränke und fettreiche Nahrungsmittel und Snacks bei Tieren zu Suchtverhalten führen können. Im Gehirn von Fettleibigen und Esssüchtigen können ähnliche Vorgänge im Belohnungskreislauf festgestellt werden wie bei Drogensüchtigen. "Wir beobachten enorme Überschneidungen zwischen der Wirkung von Drogen auf das Gehirn und der Wirkung von Nahrungsmitteln", sagt Direktorin Volkow.

Fettleibigkeit - ein weltweites Problem

28 wissenschaftliche Studien und Artikel wurden bislang allein 2011 zum Thema Nahrungsmittelsucht veröffentlicht, verrät die Datenbank der National Library of Medicine. Sollte tatsächlich nachgewiesen werden, dass fettreiche Lebensmittel und Getränke, die mit Zucker und Maissirup gesüßt werden, süchtig machen, könnte den Nahrungsmittelherstellern ein heftiger Kampf mit Verbraucherschützern blühen.

Fettleibigkeit ist ein weltweites Problem, dass Kosten in Milliardenhöhe verursacht. Übergewicht und Fettleibigkeit senken nicht nur die Lebenserwartung, sondern erhöhen auch das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes, Krebs, Arthrose und Schlaganfall, wie die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention berichtet. Die Kosten für die Behandlung der mit Fettleibigkeit in Verbindung gebrachten Krankheiten wurden laut einer 2009 im Fachmagazin Health Affairs veröffentlichten Studie für 2008 auf 147 Milliarden Dollar geschätzt.

Eine rasche Einigung mit der Industrie ist kaum zu erwarten. Die tut das Ganze bislang als Scherz ab. So wie der Berater des amerikanischen Getränkeherstellerverbands: "Ich habe noch nie davon gehört, dass jemand eine Bank ausgeraubt hätte, um an Geld für einen Schokoriegel, ein Eis oder eine Limonade zu kommen."