Der Elternratgeber To train up a child ist ein Bestseller unter Amerikas Evangelikalen. Er empfiehlt den Einsatz von Rute und Schlagstock zur Erziehung, selbst bei Babys - und stand bei mehreren Eltern zu Tode geprügelter Kinder im Bücherschrank.

weinendes kind
© picture-alliance
Mehr als 670.000 Exemplare ihres Buches haben Pfarrer Michael Pearl und seine Frau Debi bereits verkauft. Das im Selbstverlag produzierte Machwerk wird auf Internetseiten christlicher Fundamentalisten empfohlen - doch die darin angepriesenen Erziehungsmethoden haben inzwischen Behörden und Medien in den USA auf den Plan gerufen. Der Grund: Das Buch wird mit mehreren Fällen zu Tode gequälter Kinder in Zusammenhang gebracht.

Das Ehepaar Pearl, das eine evangelikale Gemeinde in Pleasantville im US-Bundesstaat Tennessee leitet und selbst fünf Kinder sowie 18 Enkelkinder sein eigen nennt, propagiert in "To train up a child" und anderen Ratgebern eine Erziehung nach alttestamentarischer Auslegung. Um das Kind zu Gehorsam zu erziehen, sind Schläge mit Rute, Stock oder wahlweise auch mal Gummischlauch demnach das einzig richtige Mittel. "Prügel sind unablässig für das Ausmerzen von Schuld bei Ihrem Kind", heißt es da. Seine Natur verlangt Bestrafung."

Selbst Säuglinge sind demnach nicht zu jung für körperliche Züchtigung. Die Autoren empfehlen jedoch, das Schlaginstrument der Größe des Kindes anzupassen: Für unter Einjährige sei eine maximal zwölf Zoll lange Weidengerte völlig ausreichend, ab und an sollte "als Alternative" ein Lineal von etwa einem Fuß Länge eingesetzt werden. Für ältere Kinder wäre ein Gürtel oder oder ein dickerer Ast "effektiv". Wichtig dabei: immer auf die nackte Haut schlagen, denn "jede Prügel, die einem Befehl Nachdruck verleihen soll, muss weh tun, und den größten Schmerz gibt es auf der nackten Haut, wo die Nerven sind.

Mit ihren ausführlichen Anleitungen zum Kinderquälen verstehen sich der Pfarrer und seine Frau als Sprachrohr Gottes. Das Buch ist gespickt mit Bibel-Zitaten, in denen von Bestrafung und Züchtigungen zum Austreiben des Bösen die Rede ist. An einer Stelle heißt es: "Gott, der die kleinen Kinder gemacht hat und daher weiß, was das Beste für sie ist, hat den Eltern befohlen, die Rute zur Erziehung eines Kindes zu verwenden. Wer darauf verzichtet mit der Behauptung, aus Liebe zu handeln, klagt damit Gott selbst an."

Solche Lehren fallen auf fruchtbaren Boden konservativer Evangelikalen, vor allem solchen aus der sogenannten Homeschooling-Bewegung. Deren Anhänger unterrichten ihre Kinder zu Hause, um sie von den vermeintlichen Irrlehren der säkularen Welt fernzuhalten. Auf Internetseiten wie achristianhome.org steht denn auch Pearls Ratgeber neben Unterrichtsmaterial für die Heimschule.

Ratgeber Freunden empfohlen
psychopath, michael pearl
© Michael und Debi PearlSo präsentieren sich Michael und Debi Pearl auf ihrer Internetseite.

Doch inzwischen macht das Prügel-Buch aus außerhalb der evangelikalen Gemeinden Schlagzeilen. Grund dafür ist der Fall der elfjährigen Hana. Das Mädchen war vor einigen Monaten tot im Garten der Eltern gefunden worden, berichten US-Medien. Das Kind starb demnach an Unterkühlung und Unterernährung, die Leiche wies Spuren von Schlägen auf. Die Eltern haben das ihrer Ansicht nach aufsässige Mädchen mit Nahrungsentzug und Prügel mit einem Plastikschlauch bestraft - beides Methoden, die von den Pearls propagiert werden.

Den Ermittlern zufolge hatte die Mutter, eine evangelikale Christin, die ihre sechs Kinder und zwei adoptierte zu Hause unterrichtete, das Buch der Pearls Freunden gegenüber angepriesen und sogar eine Kopie weitergegeben.

Ankläger sahen schädlichen Einfluss

Inzwischen sind zwei weitere Fälle bekannt geworden. In Kalifornien starb im vergangenen Jahr ein sieben Jahre altes Mädchen, nachdem es über Stunden mit einem Gummischlauch geschlagen worden war. Die Adoptiveltern, Evangelikale, die ihre neun Kinder zu Hause unterrichteten, wurden wegen Folter und Totschlags verurteilt. Die Ankläger sahen es als erwiesen an, dass das Buch der Pearls einen schädlichen Einfluss auf die beiden hatte, berichten US-Medien. Tatsächlich heißt es in dem Werk: "Der Plastikschlauch ist ein gutes Schlaginstrument. Er ist zu leicht, um Schäden an Muskeln oder Knochen zu verursachen."

Bereits im Jahr 2006 war ein Vierjähriger erstickt, nachdem ihn seine Eltern nach Pearls Anleitung auf seiner Internetseite in eine Decke gewickelt hatten. ´Der Junge war eines von sechs Kindern, das die strenggläubigen Christen adoptiert hatten.

Das Ehepaar Pearl erteilt derweil weiter auf seiner Internetseite nogreaterjoy.org Erziehungstipps - und verweist auf seine fünf Kinder und 18 Enkelkinder, die zu glücklichen Menschen und guten Christen geworden seien.