Wissenschaftler messen erstmals Trauminhalte

Jeder Mensch träumt, auch wenn sich nicht jeder am folgenden Morgen daran erinnert. Denn Träume werden nicht ins Langzeitgedächtnis übertragen. Daher können wir einen Traum nur behalten, wenn wir mittendrin oder kurz danach aufwachen.

Es gibt jedoch Menschen, sogenannte luzide Träumer (von lat. lux = Licht), die sich bewusst darüber sind, dass sie träumen, und die das Traumgeschehen sogar willentlich beeinflussen können. Diese Fähigkeit haben sich Wissenschaftler um Martin Dresler vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie zunutze gemacht, um einem der großen Rätsel der menschlichen Natur auf die Spur zu kommen: Warum träumen wir? Und wie entstehen die nächtlichen Bilderfluten in unserem Kopf?

Bekanntlich ist es in der Hirnforschung schon seit Längerem üblich, die räumlich lokalisierte Gehirnaktivität mithilfe bildgebender Verfahren wie der funktionellen Kernspintomografie sichtbar zu machen. Träume wurden bisher ausgespart. Denn die gemessene Hirnaktivität wäre nur dann einem bestimmten Traum zuzuordnen, wenn sich eine exakte zeitliche Übereinstimmung zwischen beiden Ereignissen feststellen ließe. Das gelingt bei »normalen« Träumern naturgemäß nicht, da diese den Forschern nicht mitteilen können, ob sie gerade träumen.

Dresler und seine Kollegen gewannen deshalb luzide Träumer als Probanden, die während des Schlafs in einem Kernspintomografen den Forschern durch spezielle Augenbewegungen anzeigten, wenn sie den luziden Traumzustand erreicht hatten. Eine andere Möglichkeit der Kommunikation gibt es übrigens nicht, da auch luzide Träume im sogenannten REM-Schlaf stattfinden, in dem von den Augen ab᠆gesehen die willkürlichen Muskeln des Körpers wie gelähmt sind. Die weitere Aufgabe der Probanden bestand nun darin, im Traum gezielt zuerst die linke und dann die rechte Hand für ungefähr zehn Sekunden zu einer Faust zu ballen. Während dieser Traumtätigkeit wurde die Gehirnaktivität gemessen.

Wie die Forscher im Fachblatt »Current Biology« (DOI: 10.1016/ j.cub.2011.09.029) berichten, war beim Ballen der Fäuste im Traum eine Region in der sensomotorischen Großhirnrinde aktiv. Dieselbe Region reagiert auch, wenn man die gleichen Bewegungen im Wachzustand ausführt oder sich diese vorstellt. »Unsere Träume sind also kein ›Schlaf-Kino‹, in dem wir passiv ein Geschehen nur beobachten, sondern sie schließen Aktivität in denjenigen Hirnregionen mit ein, die für die Traumhandlung relevant sind«, resümiert Dreslers Kollege Michael Czisch.

Die Studie hat damit einmal mehr den Beweis erbracht, dass unser Gehirn im Schlaf nicht ruht, sondern höchst aktiv ist. Das gilt offenbar für alle Schlafphasen. Wie der Tübinger Neurowissenschaftler Jan Born unlängst herausgefunden hat, werden zum Beispiel im Tiefschlaf neu gewonnene Informationen je nach Bedarf im Langzeitgedächtnis verankert. Wozu aber könnten die bizarren Traumgeschichten dienen? Born dazu: »Träume sind vermutlich ein kreatives Moment und helfen dem Menschen, wenn er wach ist, ganz neue Assoziationen zu bilden.« Tatsächlich zeigt ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte, dass so manche bahnbrechende Erkenntnis ihrem Entdecker im Traum »erschienen« ist. Legendär wurde der Fall des deutschen Chemikers Friedrich August Kekulé, der nach vielen vergeblichen Versuchen, die Strukturformel des Benzols zu finden, die Lösung eines Nachts im Halbschlaf träumte. Er erwachte kurz darauf und schrieb die Formel nieder.