Ihre Ehemänner schlagen und treten brutal auf sie ein: Jede vierte Frau in Deutschland erfährt Schätzungen zufolge körperliche Gewalt. Zuflucht finden Betroffene in Einrichtungen wie dem Münchner Frauenhaus. Ein Besuch an einem Ort, der geheim bleiben muss.

Sie wollte es verschweigen. Die blauen Flecken versteckte sie unter der Kleidung, und wenn die Verletzungen im Gesicht sich nicht überschminken ließen, blieb sie ein paar Tage daheim. Doch irgendwann hielt Maria es nicht mehr aus. In einem unbeobachteten Moment flüchtete sie mit ihrem Sohn ins Frauenhaus. Auch hier spielte sie zunächst alles herunter. Aus Scham - und aus Angst, dass ihr Mann ihr noch mehr antun könnte. "Wenn er nervös ist, schimpft er", erzählte sie in den ersten Gesprächen. Doch er schimpfte nicht nur, er schlug sie, trat auf sie ein und warf Gegenstände nach ihr.
Häusliche Gewalt
© Alessandra SchellneggerAn diesem Freitag ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen - und die Zahlen erschrecken: Nach Schätzungen erfährt in Deutschland jede vierte Frau Gewalt. Bei der Frauenhilfe München gingen im vergangenen Jahr mehr als 3000 Anrufe von Opfern häuslicher Gewalt ein.
"Entschuldige, es ist mir so rausgerutscht", sagte er dann. "Es kommt nicht wieder vor." Maria hoffte jedes Mal, dass er sein Versprechen hält. Doch bald schlug er wieder zu, trat nach ihr. Es muss so oft vorgekommen sein, dass Marias kleiner Sohn sich das Verhalten des Vaters aneignete, seine Mutter anschrie und versuchte, sie zu schlagen.

Gaby Ernst und Melanie Schauer können viele Geschichten wie die von Maria erzählen. Die beiden Sozialpädagoginnen sitzen in einem Besprechungsraum des Frauenhauses München. Wo sich das Gebäude befindet, soll geheim bleiben, um die Bewohnerinnen zu schützen. Eine dicke Hecke und ein massiver Zaun schirmen das Gelände von außen ab. Der Eingangsbereich wird von Videokameras überwacht. Arbeiter kehren Laub im großen Garten zusammen und stutzen die Hecke, eine Frau schiebt schnellen Schrittes ihren Kinderwagen hinein in das Gebäude. Dort wacht eine Angestellte an der Rezeption, wer das Haus betritt. Bei Gefahr kann sie die direkte Notrufverbindung zur Polizei tätigen.

An diesem Freitag ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. Die Zahlen und Fakten erschrecken: Jede vierte Frau in Deutschland hat laut Schätzungen körperliche Gewalt erlebt, viele leben in Extremsituationen und brauchen dringend Hilfe. Bei der Beratungsstelle des Münchner Frauenhauses meldeten sich im vergangenen Jahr mehr als 3000 Frauen, am Telefon ist die Verzweiflung der Anruferinnen oft spürbar.

Das Münchner Frauenhaus gibt es seit 30 Jahren. 45 Frauen, die Gewalt in der Beziehung erlitten haben, können hier unterschlüpfen, die meisten bringen noch ein oder mehrere Kinder mit. Die Frauen sollen zur Ruhe kommen, Distanz zum Partner gewinnen, eine eigene Existenz aufbauen - und vor allem geschützt sein. Doch dies ist oft die Hauptschwierigkeit: Viele Männer akzeptieren nicht, dass die Frauen weg sind. Sie schreiben täglich SMS, rufen an, drohen: "Wenn du nicht zurückkommst, nehme ich dir die Kinder weg." Manche lauern den Frauen sogar auf, tauchen in der Straße des Frauenhauses auf und gehen erst wieder, wenn die Polizei kommt.

Viele Bewohnerinnen legen sich nach dem Einzug im Frauenhaus eine neue Telefonnummer zu, manche ziehen möglichst weit weg vom bisherigen Wohnort. Auch nach Monaten zucken sie nachts zusammen, wenn sie ein Geräusch hören. Hat die Frau ein gemeinsames Kind mit dem gewalttätigen Partner, ist die Lage besonders schwierig. Die Frau bekommt nur in Ausnahmefällen das alleinige Sorgerecht, und der Exmann hat somit das Recht, seine Kinder regelmäßig zu sehen.

Auch Marias gewalttätiger Partner rief immer wieder an und wollte seinen Sohn treffen. Er beteuerte, dass alles besser werden würde. So oft, dass Maria eines Tages wieder bei ihm einzog. Doch es wurde nicht besser, nach zwei Monaten klingelte Maria erneut an der Tür des Frauenhauses. Diesmal ist die Trennung endgültig: Inzwischen lebt die Frau in einer eigenen Wohnung, sie macht eine Fortbildung, und ihr Sohn geht zur Schule.

Wenn sich die Gewalt einschleicht

"Die häusliche Gewalt schleicht sich meist langsam ein", sagt Sozialpädagogin Ernst. Erst heiße es: Warum triffst du dich mit deinen Freundinnen? Wir können es uns doch auch zu zweit daheim gemütlich machen. Doch irgendwann könne diese fürsorgliche Kontrolle zur Gewalt-Kontrolle werden. Ihre Kollegin Schauer sagt: "Es geht es immer um Macht und Ohnmacht." Der richtige Zeitpunkt, um zu sagen "Jetzt reicht es", ist oft schwierig zu finden. "Eine Trennung ist nie eine einfache Geschichte", sagt Schauer. Es gibt immer Argumente, die dagegen sprechen: eine gemeinsame Wohnung, finanzielle Abhängigkeit oder der Verlust des gesellschaftlichen Ansehens.

Die Flure im Frauenhaus sind in hellen Farben gestrichen, gelb und rosa. An den Wänden hängen Gemälde, Vincent van Goghs "Caféterrasse am Abend", auf dem die Pariser eine laue Sommernacht feiern. Von dem schmalen Gang gehen die möblierten Zimmer der Bewohnerinnen ab, vor fast jeder Tür steht ein sperriger Kinderwagen.

Elf Frauen teilen sich jeweils eine Küche. Daneben gibt es Gemeinschaftsräume, einen Hausaufgabenraum für die Kinder, einen Saal, in dem abends Filme gezeigt werden, und ein Besprechungszimmer, in dem die Frauen mit den Betreuerinnen ihre Situation erläutern können: Wie bekomme ich einen Hortplatz für mein Kind? Soll ich meinen Partner anzeigen? Aber auch ganz alltägliche Probleme: Ob man einschreiten soll, wenn der Sohn so viel Zeit mit Computerspielen verbringt.

Im Frauenhaus leben viele Migrantinnen. Sie sind oft nicht verwurzelt in der Stadt, hatten keine Freundinnen, bei denen sie nach der Flucht vor dem Partner auf dem Gästesofa unterschlüpfen konnten. Viele Bewohnerinnen lebten zuvor mit einem deutschen Mann. Oft lernte dieser sie im Urlaub kennen, doch nachdem er sie mit in seine Heimat genommen hatte, zeigte er seine andere Seite. Auch zahlreiche Gewaltfälle aus der Mitte der Gesellschaft gibt es. Sabine, zum Beispiel: Sie lernte einen reichen, älteren Mann kennen, der sie mit zu Society-Veranstaltungen nahm, auf den Bildern, die Fotografen schossen, strahlte sie, sie war seine junge, hübsche Vorzeigefrau.

Doch als sie schwanger wurde, veränderte sich alles. Ihr Partner schimpfte, beleidigte sie: "Wie siehst du denn aus? So kann ich dich ja nirgends mehr mit hinnehmen." Eines Tages schlug er zu. Erst einmal. Später regelmäßig. Sabine litt, ihr Kind kam wohl infolgedessen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zur Welt. Als sie im Frauenhaus einzog, sagte sie: "Ich muss mein Kind schützen." An sich dachte sie offenbar nicht, zu "normal" war für sie die Gewalt bereits geworden.

Auf der Homepage der Frauenhilfe heißt es: "Jede Frau hat das Recht auf ein Leben ohne Angst, Bedrohung und Gewalt." Sabine und Maria mussten viel Unrecht erfahren, doch schließlich haben sie sich ihr Recht genommen.

Die Namen der betroffenen Frauen wurden geändert. Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, können sich an die Frauenhilfe München wenden, die Telefonnummer lautet: 089/354830. Das Telefon ist rund um die Uhr besetzt. Weitere Informationen unter www.frauenhilfe-muenchen.de.