Weihnachten 2010 entdeckten Astronomen einen ungewöhnlichen Gammastrahlenausbruch. Zwei Forschergruppen haben das energiereiche Phänomen untersucht - und kommen zu sehr verschiedenen Erklärungen.
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© A. Simonnet, NASA, E/PO, Sonoma State UniversityKommt ein Komet oder Asteroid einem Neutronenstern zu nahe, können ihn die auftretenden Gezeitenkräften zerreißen, wie in dieser Illustration dargestellt.

Heidelberg. Weihnachten 2010 entdeckten Astronomen am Nachthimmel einen ungewöhnlichen Lichtblitz. Zwar erinnerte dieser an einen Gammastrahlenausbruch, wie sie im Schnitt einmal pro Tag auf der Erde registriert werden. Seine Eigenschaften passen allerdings zu keiner gängigen Theorie für solche Explosionen.

Der Gammastrahlenausbruch GRB 101225A dauerte mindestens eine halbe Stunde, während bei gewöhnlichen Exemplaren maximal wenige Minuten vergehen. Zudem verblasste das Nachglühen viel schneller als bei anderen Gammablitzen und wies überdies ein von der Norm abweichendes Energiespektrum auf.

Gleich zwei Forschergruppen versuchen sich nun darin, die Beobachtungen zu erklären - und kommen dabei zu sehr verschiedenen Ergebnissen. Sergio Campana und seine Kollegen vom Osservatorio Astronomico di Brera in Merate (Italien) wärmten ein bereits 1973 vorgeschlagenes Szenario auf.

Ein Komet oder Asteroid näherte sich demnach einem allein stehenden Neutronenstern auf weniger als 5000 Kilometer. Die gewaltigen Gezeitenkräftn des Sterns zerrissen den Ankömmling, ein Teil der Trümmer fiel auf die Oberfläche des Sterns, was zu dem beobachteten Strahlungsausbruch führte.

Der Rest sammelte sich in einer temporären Materiescheibe um den Neutronenstern, die ebenfalls Strahlung emittierte. Um die Daten zu reproduzieren, müsste es sich um einen 100 Millionen Milliarden Kilogramm schweren Himmelskörper - was etwa der Hälfte des Zwergplaneten Ceres entspricht - gehandelt haben, der einem Neutronenstern in der Milchstraße zu nahe kam.

Einen konventionelleren Ansatz wählen Christina Thöne vom Instituto de Astrofísica de Andalucía in Granada, Spanien, und ihre Mitarbeiter. Ihnen zufolge sorgte das Verschmelzen von einem Riesenstern und einem Neutronenstern in einem engen Doppelsystem für den mysteriösen Gammablitz. Denn in diesem Zuge sollte ein ultraschneller gebündelter Materiestrahl entstehen, von dem ausgehend intensive Gammastrahlung Richtung Erde entweicht.

Allerdings musste sich der Materiejet in diesem Fall durch die vorher vom Riesenstern ins System ausgestoßene und ungewöhnlich dichte Staubmasse drängen. Dies sei für das ungewöhnliche Energiespektrum verantwortlich, so die Wissenschaftler.

Doch damit allein hätten die Wissenschaftler noch nicht erklärt, warum sich Farbe und Helligkeit des optischen Nachglühens von GRB 101225A nach rund zehn Tagen merklich verändern. Deshalb vervollständigen Thöne und ihr Team das Modell mit einer schwachen Sternexplosion, einer Supernova, die zehn Tage nach dem eigentlichen Gammablitz in dem System auftritt und das gesamte Strahlungsspektrum fortan dominiert. Unter diesen Annahmen verorten die Forscher den Gammablitz außerhalb der Milchstraße, die genaue Heimatgalaxie konnten sie allerdings nicht identifizieren.

Beide Hypothesen seien zwar plausibel und erklärten die zahlreichen und komplexen Daten, doch mindestens eine sei falsch, kommentiert Enrico Costa vom Istituto di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica in einem begleitenden Kommentar. Leider fehle eine eindeutige Entfernungsbestimmung des Gammablitzes als wichtige Entscheidungshilfe.

Zudem ließen beide Modelle noch viele Fragen offen. Letztlich weiß man also nicht viel mehr über den Ursprung des „Weihnachts-Gammablitzes“ als zuvor - außer vielleicht, dass es sich tatsächlich um ein seltenes Phänomen handelt.