Einschlag könnte Rotation des Planeten entscheidend verändert haben

Der Einschlag eines gewaltigen Asteroiden könnte dem Merkur seinen ungewöhnlichen Tag-Nacht-Rhythmus verliehen haben. Der innerste Planet des Sonnensystems dreht sich heute so langsam, dass ein Jahr auf ihm nur eineinhalb Mal länger ist als ein Tag. Französische Forscher haben nun herausgefunden, wie es dazu gekommen sein könnte.

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© NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of WashingtonIn dieser Aufnahme des Merkur, erstellt von der US-Raumsonde Messenger, ist das Caloris-Becken, ein riesiger, 3,9 Milliarden Jahre alter Einschlagskrater, oben rechts als rundliche, helle Fläche zu erkennen.

Ihren Berechnungen nach drehte sich der Merkur in seiner Frühzeit sogar noch langsamer als heute, ein Merkurtag dauerte damals ein Jahr. Dann, vor mehr als 3,75 Milliarden Jahren traf ihn ein über 100 Kilometer großer, schräg auftreffender Asteroid. Die Energie dieses Einschlags riss den Planeten aus seiner stabilen Rotation und ließ ihn sogar schneller drehen als heute. Erst die gewaltige Schwerkraft der Sonne habe den Merkur dann im Laufe der Jahrmillionen wieder abgebremst und ihn in seine heutige Rotation gezwungen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Geoscience.

Krater auf der Merkuroberfläche liefern Indizien für Szenario

Gleich mehrere Indizien für ein solches Szenario liefert nach Angaben der Forscher die Oberfläche des Merkur: So gebe es dort einige Krater, die durch einen Einschlag vor mehr als 3,75 Milliarden Jahren entstanden sein könnten. Eines davon ist das 1.550 Kilometer große Caloris-Becken auf der Nordhalbkugel des Planeten. Die bei seiner Entstehung freigesetzte Energie wäre groß genug gewesen, um die Rotation des Planeten deutlich zu verändern.

"Aber auch die Verteilung der großen Einschlagsbecken ist erstaunlich", schreiben Mark Wieczorek von der Université Paris Diderot und seine Kollegen. In einem riesigen Gebiet rund um den Äquator und um den 90. westlichen Längengrad gibt es auf der Merkuroberfläche fast keine größeren Krater. Das spreche für eine anfangs sehr langsame, synchrone Rotation des Planeten, meinen die Forscher. Der Merkur habe der Sonne dabei immer die gleiche Seite zugekehrt. Diese war dadurch besser vor Einschlägen abgeschirmt und wurde weniger häufig getroffen.

Noch beruht das Szenario von Wieczorek und seinen Kollegen vorwiegend auf Modellen und Berechnungen. Aber weitere Indizien und vielleicht auch echte Belege könnten in nächster Zeit Daten der Messenger-Raumsonde der US-Raumfahrtbehörde NASA liefern. Denn die Sonde umkreist seit März 2011 den innersten Planeten des Sonnensystems und soll dessen Oberfläche und Beschaffenheit erstmals genauer erkunden.

Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent

Der Merkur bewegt sich heute in einer sogenannten 3/2-Resonanz: Er benötigt zwei Umläufe um die Sonne, um sich dreimal um sich selbst zu drehen. "Eine ganze Reihe von Studien haben versucht zu erklären, wie der Merkur einst in diese Resonanz geriet", schreiben Wieczorek und seine Kollegen. Diese Szenarien hätten aber immer nur eine 26-prozentige Wahrscheinlichkeit für die heutige Konfiguration ergeben. Das sei ziemlich unbefriedigend, meinen die Forscher. Sie berechneten für ihr Modell immerhin eine Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent. (Nature Geoscience, 2011; doi: 10.1038/ngeo1350)

Nature Geoscience, 12.12.2011 - NPO