Frühjahrsoffensive der Taliban: In Kabul und Provinzhauptstädten schlagen die Aufständischen zeitgleich zu. Auch die deutsche Botschaft gerät ins Fadenkreuz.

Kabul/Berlin. Mit koordinierten Angriffen in Kabul und in drei Provinzhauptstädten haben die Taliban am Sonntag ihre Frühjahrsoffensive in Afghanistan begonnen. In Kabul kam es zu Gefechten im Botschaftsviertel, im Zentrum, am Parlament im Westen und an einer türkischen Militärbasis im Osten der Stadt.

Die deutsche Botschaft geriet ebenfalls unter Beschuss. Es habe aber lediglich kleinere Sachbeschädigungen auf dem Gelände gegeben, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag in Berlin. Alle Botschaftsangehörigen seien wohlauf und an einem sicheren Ort.

Westerwelle bekräftigte die Abzugspläne für die Bundeswehr. Der internationale Kampfeinsatz dort soll 2014 enden. Man müsse sich zwar "auf weitere Rückschläge einstellen“. Dennoch sei es richtig, den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung fortzusetzen und die Abzugsperspektive umzusetzen: "Für uns steht fest: Wir werden der Gewalt der Terroristen nicht nachgeben.“ Die Angriffe dürften auch einen friedlichen Aufbau nicht behindern. "Die Terroristen dürfen nicht obsiegen.“

Die Taliban bekannten sich zu den Angriffen in Kabul und den Provinzhauptstädten. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte in Kabul telefonisch, Dutzende Kämpfer seien an den Operationen beteiligt. Die Angriffe markierten den Beginn der Frühjahrsoffensive der Taliban gegen die ausländischen Truppen und die afghanischen Sicherheitskräfte.

Das Innenministerium teilte mit, insgesamt seien 14 Aufständische bei den Gefechten getötet worden. 14 Polizisten und neun Zivilisten seien verwundet worden. Ein Polizeisprecher sagte dagegen, auch die afghanischen Sicherheitskräfte hätten Tote zu beklagen. In einer Mitteilung der Internationalen Schutztruppe Isaf war auch von einem getöteten Zivilisten die Rede.

Außer in Kabul griffen Aufständische Ziele in Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, in Pul-e-Alam, der Hauptstadt der Provinz Logar, und in Gardes, der Hauptstadt der Provinz Paktia, an. Alle drei Provinzen liegen im umkämpften Osten des Landes. In Dschalalabad schlugen Isaf-Soldaten einen Angriff auf eine Militärbasis zurück.

In Kabul verschanzten sich Selbstmordkommandos in Baustellen am Parlament und im Botschaftsviertel. Ähnlich waren die Aufständischen bereits im vergangenen September vorgegangen, als sie von einer Hochhaus-Baustelle aus etwa 20 Stunden lang das Hauptquartier der Isaf und die US-Botschaft in Kabul beschossen.

Bei den Gefechten am Sonntag am Parlament griffen auch Abgeordnete ein. Ein Abgeordneter, der anonym bleiben wollte, sagte, manche Parlamentarier hätten das Feuer auf die Angreifer erwidert. Kabuls Polizeisprecher Haschmat Staniksai sagte, in der Innenstadt hätten die Aufständischen von einer Baustelle neben einem Hotel aus auf die nahe gelegenen Botschaften geschossen. Zunächst hatte die Polizei mitgeteilt, die Angreifer hätten das Hotel selber gestürmt.

Aus Sicherheitskreisen hieß es, auch die japanische Botschaft seit bei dem Beschuss beschädigt worden. Eine Granate sei auf dem Gelände der russischen Botschaft detoniert. Auch die britische Botschaft - die an die deutsche Botschaft angrenzt - sei mit einer Panzerfaust beschossen worden. Der nahe gelegene Präsidentenpalast sei nicht beschädigt worden.

Die Taliban verüben immer wieder spektakuläre Kommandoaktionen, bei denen mehrere prominente Ziele gleichzeitig angegriffen werden. In den Wintermonaten flauen die Kämpfe in Afghanistan ab, im Frühjahr nehmen sie dann wieder an Schärfe zu.

abendblatt.de/dpa