Nach den zwei großen Wahlsiegen der Sozialisten steht Frankreich ein heißer Reform-Sommer bevor. Präsident François Hollande will einen Teil seiner politischen Versprechen bereits in den kommenden Wochen durchs Parlament bringen.

Vom 3. Juli bis zum 2. August sind dazu außerordentliche Sitzungswochen angesetzt. Die konstituierende Sitzung soll bereits am 26. Juni stattfinden.

Die Vorbereitungen für die neue Legislaturperiode wurden am Montag mit dem traditionellen Rücktritt der übergangsweise amtierenden Regierung eingeleitet. Es gilt allerdings als sicher, dass sie nahezu unverändert wieder eingesetzt wird. Jean-Marc Ayrault wurde bereits am Montag erneut zum Premierminister ernannt.

Als großes Projekte für die außerordentlichen Sitzungswochen steht unter anderem eine umfassende Steuerreform auf dem Programm, bei der Spitzenverdiener und Finanzinstitute deutlich stärker belastet werden sollen. Zudem will die Regierung um Hollande die unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy beschlossene Mehrwertsteuererhöhung kippen und die langfristige Finanzplanung vorstellen. Das Haushaltsdefizit lag die vergangenen Jahre deutlich über dem EU-Grenzwert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Auch erste Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit stehen auf dem Programm. Die Arbeitslosenquote in Frankreich stieg zuletzt auf den höchsten Stand seit Ende der 90er Jahre und lag fast doppelt so hoch wie in Deutschland - derzeit ist etwa jeder zehnte Franzose ohne Job.

Hollande kann nach dem Sieg seiner Partei bei den Wahlen zur Nationalversammlung als erster sozialistischer Staatschef mit Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments regieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete den Sieg der Schwesterpartei Parti Socialiste (PS) als "ein Signal von herausragender Bedeutung für ganz Europa".

Sechs Wochen nach Hollandes Wahl zum Präsidenten errangen die Sozialisten und ihre direkten verbündeten nach Angaben des Innenministeriums vom Montag 314 der 577 Sitze und damit die absolute Mehrheit. 155 Mandate wurden von Frauen gewonnen, so dass ihr Anteil nun mit 26,8 Prozent einen Höchststand erreicht hat. Nicht dazu gehört die frühere Partei-Ikone Ségolène Royal, die in ihrem Wahlreis einem Partei-Abweichler unterlag.

Die mit der Parti Socialiste verbündeten Grünen kamen auf 17 Sitze, die linke Front de Gauche auf 10, die rechtsextreme Front National (FN) auf zwei Mandate. Die 22-jährige Enkelin von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen, Marion Maréchal-Le Pen, wird Frankreichs jüngste Parlamentarierin. Ihre Tante, FN-Parteichefin Marine Le Pen, unterlag ganz knapp ihrem sozialistischen Gegenkandidaten. Sie will das Wahlergebnis anfechten.

Die Union für eine Volksbewegung (UMP) des am 6. Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy stürzte mit 194 Mandaten erdrutschartig ab und wird erstmals seit 2002 wieder auf der Oppositionsbank sitzen. Direkte Verbündete eingeschlossen verlor die konservativ-rechte Partei mehr als 100 Abgeordnetensitze. Der Ex-Außenminister und UMP-Politiker Alain Juppé kündigte im TV-Sender BFM eine Grundsatzdebatte innerhalb der Partei an.

dpa