Nach dem Sturz Mubaraks entstand auf dem Sinai ein Machtvakuum, das von Extremisten gefüllt wurde. Das Attentat auf Grenzsoldaten erhöht den Druck auf Präsident Mursi, gegen Islamisten vorzugehen.
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© dapdÄgyptische Soldaten patrouillieren an der Grenze zu Israel
Noch vor wenigen Tagen kritisierte Ägyptens neuer Innenminister Ahmad Dschamal a-Din die Warnung der israelischen Anti-Terrorbehörde, den Sinai wegen eines drohenden Attentats sofort zu verlassen: "Ägypten nimmt Israels Warnungen zwar ernst, aber die meisten wollen nur Touristen einschüchtern und die Besucherströme vom Sinai nach Eilat umleiten", sagte a-Din.


Kommentar: Israel hat in diesem Zusammenhang eine gute „Trefferquote“ und es ist nicht das erste Mal, dass andere Länder gewarnt wurden, wo nachher Anschläge geschehen sind. Zufall? Eher nicht!


Weit gefehlt: In der Nacht zum Montag ereignete sich an der israelisch-ägyptischen Grenze ein schweres Attentat. Terroristen töteten mindestens 16 ägyptische Grenzschützer und stellten Ägyptens neue Staatsführung vor gewaltige Herausforderungen.

Gegen acht Uhr abends fuhren zwei Geländewagen mit Männern in schwarzer Uniform auf der ägyptischen Seite der Grenze vor Checkpoint 16 nahe dem Länderdreieck Kerem Schalom vor, wo Israel, Ägypten und der Gazastreifen aufeinander stoßen. Sie stürmten den Grenzposten, töteten 16 Soldaten und verletzten sieben weitere.

Danach bemächtigten sich die Angreifer zweier Armeefahrzeuge und griffen damit Israel an. Einen Armeelastwagen sprengten sie neben einem Wachtturm, danach lenkten sie einen Schützenpanzer durch die Bresche im Grenzzaun.

Sie kamen allerdings nicht weit: Die Israelis hatten die Attacke erwartet. Der Panzer wurde zerstört, mindestens sechs Terroristen getötet. "Unsere Einheiten beendeten die Aktion nur 15 Minuten nachdem sie begann", sagte General Tal Russo.

Barak - Attentat könnte Weckruf sein

Monatelang warnten Israels Experten, man besitze nicht ausreichend Informationen über Terrorgruppen im Sinai. Nach dem Sturz Husni Mubaraks im Januar 2011 entstand hier ein Machtvakuum, das von Schmugglern, Kriminellen und Extremisten gefüllt wurde: "Es gibt keine Terrororganisation, die nicht im Sinai vertreten ist: Von al-Qaida über die Hamas bis zu Verbündeten des Iran", sagt Benjamin Ben Elieser, Israels ehemaliger Verteidigungsminister.

Israel wurde in vergangenen Monaten wiederholt vom Sinai aus angegriffen. Doch im Gegensatz zu damals verfügte die Armee nun scheinbar über Informationen, die das Attentat auf Israel vereitelten.

Bei näherem Hinsehen darf Jerusalem sogar mit positiven Konsequenzen aus dem Vorfall rechnen. Das Attentat könne "für die Ägypter ein Weckruf sein, die Dinge im Sinai mit mehr Ernst anzugehen", sagte Verteidigungsminister Ehud Barak.

Der Anschlag scheint einem Schulterschluss zwischen der radikal-islamischen Hamas in Gaza und Ägyptens neuer Staatsführung unter Präsident Muhammad Mursi, ehemaliges Mitglied der Muslimbrüder, vorerst einen Riegel vorzuschieben. Die Täter seien "Beduinen aus dem Sinai" und "Dschihadisten, die durch Tunnel aus dem Gazastreifen eindrangen", hieß es in Kairo. Obschon die Hamas das Attentat umgehend als "hässliches Verbrechen" verurteilte und den Hinterbliebenen ihr Beileid aussprach, herrschte in den Medien ein palästinenserfeindlicher Ton.

Armee gelobt Blutrache

Präsident Mursi hielt sofort eine Krisensitzung ab. Die Armee gelobte Blutrache, Mursi versprach: "Diejenigen, die hinter dem Angriff stehen, werden einen hohen Preis zahlen, sei es in oder außerhalb Ägyptens."

Der Grenzübergang nach Gaza wurde geschlossen, Truppen in den Sinai entsandt, um nach den Komplizen der Attentäter zu suchen, während zwei Kampfhubschrauber die Wüsten-Halbinsel mehrfach überflogen und dabei Hochburgen von Islamisten angriffen: "Die Sicherheitskräfte werden wieder alle Teile des Sinai unter Kontrolle bringen", sagte Mursi.

Dabei hatte ausgerechnet Mursi den Bewohnern der Halbinsel eine neue Politik versprochen. Das alte Regime behandelte die dort ansässigen Beduinen oft als Problem. Schätzungsweise 600.000 von ihnen besitzen nicht einmal einen Ausweis. Haupteinnahmequelle in der Region ist die Förderung von Erdöl und Manganerz. Außerdem gewinnt der Tourismus zunehmend an Bedeutung. Von den wirtschaftlichen Entwicklungen profitieren die Beduinen aber kaum.

Präsident Mursi versprach Abhilfe. Statt finanzieller Unterstützung schickt er nun aber Soldaten in den Sinai. Und obwohl Ägypten dieser Tage große Probleme im Bereich Wirtschaft, Gesellschaft und Infrastruktur plagen, ist die Befriedung des Grenzgebiets mit Israel über Nacht zur Mursis dringlichster Aufgabe geworden.