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© dapdEine Wanze krabbelt über einen Monitor: Sachsens Staatskanzlei möchte eine Software zur Beobachtung sozialer Netze einsetzen.
Sachsens Regierung will dem Volk nach guter Tradition aufs Maul schauen - auch in den sozialen Netzwerken. Doch eine dafür benötigte Software löst bei der Opposition Befremden aus.

Dresden. Die sächsische Staatskanzlei möchte eine Software zur Beobachtung sozialer Netze einsetzen und sorgt damit für Wirbel. „Ich halte das für eine Schnapsidee, die von wenig Fingerspitzengefühl zeugt“, sagte SPD-Generalsekretär Dirk Panter am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Eine solche Software habe einen „Touch von staatlicher Überwachung“. „Das löst Unbehagen aus. Es gibt so viele Meinungsforschungsinstitute, die auch Web-Monitoring anbieten.“ Das mache eine Software im eigenen Haus überflüssig. „Mir ist unklar, wie das datenschutzrechtlich funktionieren soll.“

Grünen-Politiker Johannes Lichdi hatte das Begehren der Staatskanzlei unlängst mit einer Anfrage im Parlament öffentlich gemacht. „Meinungsforschung gehört nicht zu den Kernaufgaben des Staates“, erklärte der Landtagsabgeordnete. „Ich finde es mehr als bedenklich, wenn die Staatsregierung die Kommunikation unter Zuhilfenahme IT-gestützter Verfahren überwacht, wie auch immer auswertet und qualitative Schlüsse für ihre Politik zieht“, sagte er und warf der Regierung ein „anmaßendes Staatsverständnis“ vor.

Ulbig antwortet Lichdi

Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte Lichdi im Auftrag der Staatskanzlei geantwortet. Für deren Aufgaben sei es wichtig, „ein Bild von der Diskussion bestimmter gesellschaftspolitischer Themen zu erhalten“. Zur Aufgabenerfüllung der Regierung gehöre heute „zwingend auch die Beobachtung der öffentlichen Debatte im Internet, um auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht reagieren zu können“. Es gehe darum, „ohne einen Personenbezug herzustellen, abstrakte Meinungsbilder zu erfassen, um - soweit erforderlich - die Politik daran orientieren zu können“.


Kommentar: Anstatt abstrakte Daten zu erheben, wie wäre es mit einer konkreten Erhebung? D.h. Menschen zu befragen, um Wünsche und Bedürfnisse zu erfahren.


Unterstützung erhielt Ulbig am Mittwoch aus der CDU-Fraktion. „Es ist nicht nur legitim, sondern auch die Pflicht von Politikern, mit den Bürgern in einen Dialog zu treten und zu wissen, was sie bewegt. Insbesondere die sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. bieten dafür eine gute Plattform, weil hier eine unmittelbare, authentische und zumeist ungefilterte Kommunikation möglich ist“, erklärte der Abgeordnete Sebastian Fischer. Er sieht bei einer praxisbewährten Software Datenschutz und Verbraucherrechte geschützt. Ohnehin sei geplant, den Datenschützer einzubeziehen.


Kommentar: Onlinedaten zu erheben, ohne dem Wissen der Beteiligten, ist ethisch immer fragwürdig. Und diese Formulierung ist widersprüchlich: „in einen Dialog zu treten“, wenn einseitig Daten erhoben werden.


Ganz umsonst wäre eine solche Software nicht zu haben. Daher wird die Finanzierung vom Referat "Presse- und Öffentlichkeitsarbeit", das für 2012 über 390.000 Euro verfügt, übernommen.

szo/dpa