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Auf der Jagd nach Steuersündern greifen die US-Behörden zu unfeinen Methoden. Jüngst verhörten sie zwei junge reisende Schweizer, weil sie deren Vater im Visier hatten.

Amerikanische Polizeibeamte haben im Mai zwei minderjährige Schweizer aus Genf verhört, deren Vater im Verdacht steht, als Vermögensverwalter Beihilfe zur Steuerhinterziehung von US-Bürgern zu leisten. Die beiden Jugendlichen seien bei ihrer Einreise in die USA auf dem Flughafen einer amerikanischen Großstadt sechs Stunden festgehalten worden, berichtet die Tageszeitung La Tribune de Genève. Sie hätten weder ihre Großeltern, die sie besuchen wollten, noch ihre Eltern kontaktieren dürfen. Die Kinder seien von den Beamten gefragt worden: "Wo ist euer Papa? Was macht euer Papa beruflich? Reist euer Papa manchmal zur Arbeit in die USA?"

Dieser Vorfall, den ein Schweizer Anwalt der Zeitung berichtete, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen der helvetischen Finanzwelt: Die US-Behörden haben demzufolge damit begonnen, Informationen über Banker und Vermögensverwalter auszuwerten, die ihnen im April übermittelt worden waren. Unter Druck der USA hatten fünf Schweizer Großbanken den Amerikanern die Namen von etwa 10.000 Beschäftigten mitgeteilt, die in Kontakt mit Kunden aus den USA standen. Die Schweizer Regierung hatte der Datenübermittlung zuvor zugestimmt; gegen diesen Schritt wehren sich zahlreiche Banker.

Die Banken empfehlen Mitarbeitern und sogar ehemaligen Angestellten, deren Namen auf den übermittelten Listen stehen, nicht mehr in die USA zu reisen. Da jedoch alle westeuropäischen Staaten außer Frankreich ein Auslieferungsabkommen mit den Amerikanern geschlossen haben, wäre ein betroffener Schweizer Banker auch in Deutschland, Italien, England oder Spanien nicht sicher vor der Verfolgung durch die US-Behörden. "Ich empfehle meinen Klienten, die Schweiz nicht mehr zu verlassen", zitiert La Tribune de Genèveeinen Rechtsanwalt aus Genf, der 40 Bankangestellte in dieser Materie berät.

Die Verunsicherung ist daher groß: Niemand wisse, wie die amerikanische Justiz mit den gelieferten Informationen umgehe, und viele Mitarbeiter hätten keine Kenntnis, ob sie auf den Listen stünden, schreibt die Zeitung. "Wenn man alle warnen sollte, wären das Tausende Personen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Credit Suisse, Brady Dougan, der Tribune. "Wenn sich bestimmte Angestellte Fragen stellen, können sie sich erkundigen." Ehemalige Mitarbeiter werden demnach nur sehr selten gewarnt.

Die USA verstärken seit einiger Zeit ihren Druck auf Geldinstitute in der Eidgenossenschaft. Betroffen sind unter anderem die UBS, Credit Suisse oder Julius Bär. Wegelin, die älteste Bank der Schweiz, war Ende Januar am Steuerstreit mit den USA zerbrochen und musste ihr Geschäft außerhalb der USA an die Raiffeisen-Bank verkaufen.

AFP