Kaum ein Thriller kommt ohne Psychopathen als Bösewicht aus. Diese Menschen, die eine schwere Persönlichkeitsstörung aufweisen, sind oft auf den ersten Blick charmant, gehen aber skrupellos und gewissenlos vor, um ihre Ziele zu erreichen. Zudem fehlt es ihnen an Empathie und sie kennen kein Gefühl von Schuld und Reue. Herkömmliche Verhaltenstherapien fruchten bei Psychopathen nicht. Jedoch sind nicht alle Psychopathen Gewalttäter, und umgekehrt sind auch nicht alle Gewalttäter Psychopathen.
Schon seit längerem versuchen Neurologen, der Psychopathie im Gehirn auf die Spur zu kommen und deviantes Verhalten im menschlichen Denkorgan zu verorten. Die Forscher analysierten die Hirntätigkeit von psychopathisch veranlagten Personen. Tatsächlich konnten sie nachweisen, dass verschiedene Hirnregionen bei Psychopathie ein Struktur- und/oder Funktionsdefizit aufweisen.
Weniger graue Masse
Die jüngsten Erfolge auf diesem Gebiet können sich britische Wissenschaftler vom psychiatrischen Institut des Londoner King's College an die Brust heften. In einer Studie wiesen sie nach, dass Psychopathen in jenen Bereichen des Hirns, die für das Verständnis von Emotionen anderer Leute zuständig sind, weniger graue Masse haben. Das Team hatte 44 erwachsene männliche Gewaltverbrecher im Magnetresonanztomograpen untersucht.
Studienleiter Nigel Blackwood sagte, aufgrund der Differenzen in den Gehirnen liessen sich psychopathische Kriminelle von gesunden Straffälligen unterscheiden. Es sei sogar möglich, Unterschiede zu anderen gewalttätigen Verbrechern festzustellen, die an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS) litten, ohne aber psychopathisch zu sein. Die Fähigkeit, diese beiden Gruppen scharf zu trennen, sei insbesondere deshalb von Belang, weil Personen mit einer APS auf eine Verhaltenstherapie ansprechen könnten. Bei Psychopathen dagegen hätte diese Methode keinen Sinn.
Sollte es tatsächlich möglich werden, Psychopathen aufgrund ihrer Hirnstruktur zweifelsfrei zu identifizieren, so hätte dies auch für die Rechtsprechung unabsehbare Folgen. Schon heute haben Straftäter, die als Psychopathen gelten, kaum Aussichten auf eine vorzeitige Entlassung. Auch bei der Urteilsfindung vor Gericht wirkt sich das Etikett «Psychopath» keineswegs strafmildernd aus.
Der «geborene Verbrecher»?
Wenn Wissenschaftler komplexe Verhaltensformen auf eine physische Grundlage zurückführen, ist aber Vorsicht angebracht. Man erinnere sich beispielsweise an den italienischen Arzt Cesare Lombroso (1835 - 1909), der die forensische Phrenologie begründete. Die Phrenologie versucht, geistige Eigenschaften klar abgegrenzten Hirnarealen zuzuordnen und unterstellt dabei einen Zusammenhang zwischen Schädelform und Charakter. Die aus dieser Pseudowissenschaft hervorgegangene Kraniometrie (Schädelvermessung) wurde später zur Paradedisziplin von Rassisten.
Lombrosos Werk, das den «geborenen Verbrecher» postulierte, steht in einer fragwürdigen kriminologischen Tradition, in der Verdächtigungen und Vorverurteilungen aufgrund von biologischen Merkmalen vorgenommen wurden. Die eugenischen Massnahmen wie Zwangssterilisierungen, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem - aber nicht nur - von den Nazis vorgenommen wurden, bauten auf Lombrosos Thesen auf. Die Zuordnung von Verhaltensweisen auf strukturelle Hirnanomalien sollte daher mit gebührender Vorsicht erfolgen.
Kommentar: Es besteht durchaus die Gefahr, dass das Forschungsgebiet der Psychopathie genauso korrumpiert und von Psychopathen in Machtpositionen missbraucht wird, wie das in anderen Bereichen geschieht und geschehen ist. Anders ausgedrückt sind es psychopathische Gedankengänge selbst, die hier eine Gefahr darstellen: Ein Psychopath würde so handeln, wie im oben genannten Beispiel der Phrenologie und Eugenik. Objektives Wissen zum Wohle anderer und zur Vermeidung von Schaden für andere anzuwenden, würde bspw. die Form annehmen, dass es Psychopathen nicht mehr erlaubt ist, jegliche Art von Führungsposition zu bekleiden.
Der Unterschied zwischen dem oben genannten Beispiel der Phrenologie und den eugenischen Maßnahmen zu den Forschungen über Psychopathie besteht darin, dass hier empirische Beweise zu einem physiologischen, fundamentalen Unterschied zwischen Psychopathen und normalen Menschen vorliegen. Allein indem man eugenische Maßnahmen mit Forschungen über Psychopathie argumentativ auf eine Ebene stellt, ist bereits Beispiel einer solchen Korrumption der Thematik, denn sie resultiert in Assoziationen, die mit Schuldgefühlen in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit einhergehen. Psychopathen an der Macht haben diese Thematik bewusst unterdrückt, denn würden die Menschen wissen, dass sie von Personen regiert und kontrolliert werden, denen es an Empathie und normalen menschlichen Gefühlen fehlt, so wären ihre Machtpositionen gefährdet.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass Psychopathie mehr erforscht werden muss und dieses objektive Wissen dann zum Wohle aller angewendet wird: Psychopathen nicht mehr zu erlauben, Führungspositionen zu bekleiden, in denen sie, wie heute weltweit sichtbar, die Möglichkeit haben, Mord und Zerstörung zu verbreiten.
(dhr)
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