Bis zu neun Stunden harren kaufwütige Amerikaner vor den Geschäften aus - alles für ein Schnäppchen am Black Friday. Für US-Einzelhändler beginnt mit dem Tag nach Thanksgiving die wichtigste Zeit des Jahres, das Weihnachtsgeschäft. Bei den Verkäufern hält sich die Begeisterung in Grenzen.
Der Thanksgiving-Truthahn mag noch schwer im Magen liegen, da beginnt bereits die große Schnäppchenjagd. Auf das Erntedankfest folgt in den USA am nächsten Tag traditionell die Shopping-Orgie des Black Friday. Die großen Warenhäuser läuten dann das Weihnachtgeschäft ein und versuchen mit drastischen Preisnachlässen die Konsumfreude anzuheizen.
Es ist die umsatzstärkste Zeit des Jahres, laut Schätzungen der National Retail Federation werden in den kommenden Wochen wieder Waren im Wert von 586 Milliarden Euro über die Ladentheke wandern. Und dennoch stehen Walmart, Toys R Us, Target und Konsorten unter enormen Druck. Immer mehr Kunden bestellen ihre Waren bequem über das Internet, mit Zuwächsen von 96 Milliarden Dollar scheint der Online-Handel dem nahezu stagnierenden Einzelhandel den Rang abzulaufen.
"Wir müssen alles daran setzen, wettbewerbsfähig zu bleiben", sagt Kathee Tesija, als Vizegeschäftsführerin des Warenhandels bei Target eine der Leidtragenden der jüngsten Entwicklung. Um noch mehr kaufwütige Kunden in die Einkaufszentren zu locken, haben die Retailer deshalb den Black Friday zu einem Super-Shopping-Event an Thanksgiving umgemodelt. Walmart, Sears und Toy R Us öffneten ihre Pforten bereits um 20 Uhr, Konkurrent Target zog eine Stunde später nach.
Für Shelbie Johnsen machen die veränderten Öffnungszeiten keinen Unterschied. Die 26-Jährige harrt in Mütze und Wollhandschuhen wie jedes Jahr in der Schlage vor Target aus, sie möchte wieder einmal den großen Coup landen. Dafür wird nichts dem Zufall überlassen. Als ausgebuffte Black-Friday-Veteranin durchforstet sie bereits am Montag das Internet nach Gutscheinen und Sonderangeboten, vergleicht Preise und erstellt eine Liste mit Weihnachtsgeschenken für die Verwandten.
Jetzt blickt sie auf ihre Turnschuhe und fügt hinzu: "Das Nacht-Shopping hat bei uns Tradition, mit meiner Mutter und meinen Tanten ziehen wir jedes Jahr los. Es gehört einfach zur amerikanischen Kultur, zu versuchen, für wenig Geld möglichst viel zu kaufen."
Am Thanksgiving-Tag taten es ihr 41 Millionen Amerikaner gleich, der eigentliche Rabatt-Freitag und seine Superschnäppchen werden dann noch einmal 81 Millionen Menschen in die Konsumtempel schwemmen. Es hätten aber bei weitem mehr sein können. Nach Berechnungen des IBM Smarter Commerce konnten die Online-Bestellungen am Donnerstag allein bis zum Mittag einen Anstieg von 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. Hinzu kommt, dass viele Amerikaner wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt eher zurückhaltend sind. Der drohende "fiscal cliff" mit seinen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen dämpfte den Kaufrausch in den USA ebenfalls.
"Hier spare ich 250 Dollar, dann ist der Fernseher erschwinglich"Dabei ziehen die Einzelhändler alle möglichen Register, um dem Ruf des Black Friday zu retten. Seinem Namen nach soll an diesem Tag die Trendwende geschafft werden, sollen die roten durch schwarze Zahlen in den Geschäftsbüchern ersetzt werden. Target verspricht seinen Kunden deshalb eine "Best-Preis-Garantie"; entdecken besonders spitzfindige Preisjäger ein günstigeres Angebot, haben sie das Recht zum Preis der Konkurrenz im Discountladen einzukaufen. Walmart bietet seine ehemals nur den Filialen vorbehaltenen Discountangebote nun auch im Internet feil. Und die obligatorischen "Door Crasher" - extrem billige Lockangebote, die Kunden in die Läden bringen sollen, fehlen natürlich nirgendwo.
Einen gewissen Reiz hat die Flut an Werbeprospekten, Rabattangeboten und Billigverheißungen auch auf Lola Adebiyi und Rebecca Schumann ausgeübt. Die beiden Arbeitskolleginnen haben statt dem Festtagsschmaus um 15 Uhr nachmittags ihr Quartier vor einer Filiale der Unterhaltungselektronikkette Best Buy aufgeschlagen - ein Ort der Sehnsüchte. Um 19 Uhr erstreckt sich die Schlange bereits über zwei Häuserblöcke, Einlass ist um Mitternacht.
Noch sitzen die jungen Frauen entspannt in ihren Campingstühlen, eingewickelt in eine LA-Lakers-Decke, und verbringen die Wartezeit mit dem Essen von Kartoffelchips. Später haben sie Großes vor, zwei 40-Zoll-LCD-Fernseher von Toshiba sollen es werden. "Große Sprünge sind mit meinem Gehalt als Medicare-Angestellte nicht möglich, dafür ist die wirtschaftliche Lage auch sonst zu schlecht. Aber hier spare ich 250 Dollar, dann ist der Fernseher auch erschwinglich", sagt Lola Adebiyi. Je näher es auf den ersehnten Augenblick zugeht, desto aufgedrehter wird die 35-jährige Frohnatur.
Bei den Verkäufern hält sich die Begeisterung über das Hereinkomplimentieren am Feiertag dagegen in Grenzen. Die gewerkschaftsnahe Gruppierung Our Walmart hat für den Freitag vor über hundert Filialen Demonstrationen angekündigt. "Während Millionen Familien an Thanksgiving eine schöne Zeit mit ihren Liebsten verbringen, müssen Walmart-Mitarbeiter Regale einräumen und den Verkaufsstart um 20 Uhr vorbereiten", schreibt Mary Pat Tifft, Walmart-Angestellte und Mitglied von Our Walmart, auf ihrer Homepage. Auch ein Target-Verkäufer schimpft anonym, dass den Mitarbeitern lediglich bei der Schichteinteilung ein Mitspracherecht eingeräumt wurde.
Bei der Verkaufseröffnung von Best Buy ist von dem Missmut der Verkäufer nichts zu spüren. Die ersten Rabattjäger werden mit frenetischem Applaus begrüßt. Insgesamt geht es eher gesittet zu, anders als vor drei Jahren, als ein Walmart-Angestellter von Besuchermassen totgetreten worden war. Um 0.55 Uhr hält Lola Adebiyi schließlich überglücklich ihren Flatscreen in den Armen, ein zweites Mal würde sie die Shoppingstrapazen aber nicht mehr auf sich nehmen.
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