Steht die Kneipenkultur - buchstäblich - auf der Kippe? Verzogen hat sich der Rauch jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Mit viel Wut im Bauch und der Zigarette im Mundwinkel machten Freitagnachmittag in Aachen über 1000 Menschen ihrem Unmut über das von der rot-grünen Landesregierung seit dem 1. Mai verordnete „totale NRW-Rauchverbot“ Luft.
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© Michael JaspersNicht nur Rauchern stinkt‘s: Manfred Engelhardt, Initiator der Anti-Rauchverbot-Demo und Langstreckenläufer, versammelte über 1000 Mitstreiter vor der SPD-Geschäftsstelle auf der Heinrichsallee.
Aachen - Und zwar mitten auf der Straße. Genau da müssen sie wegen des von SPD und Grünen in NRW rigoros verschärften Nichtraucherschutzgesetzes hin, um sich außerhalb von Gastronomiebetrieben sowie Brauchtumsveranstaltungen wie Schützenfesten und Karnevalssitzungen einen Glimmstengel anzünden zu dürfen.

Eigentlich wollte die Initiative um Organisator Manfred Engelhardt (einst selbst SPD-Ratsherr) vor der SPD-Geschäftsstelle an der Heinrichsallee den Genossen persönlich einen husten, pardon, ins Gesicht sagen, was sie von deren Politik hält. Aber sowohl der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Schult-heis als auch Parlamentskollege Reiner Priggen (Grüne) ließen die Anti-Rauchverbots-Initiative kurz vor der Veranstaltung wissen, dass ihre Parteibüros „urlaubsbedingt“ am Freitagnachmittag geschlossen seien. Dafür gab‘s von den Demonstranten vor Ort noch einmal eine Extra-Portion Hohn, Gelächter und Pfiffe.

Initiator Engelhardt prangerte unter tosendem Applaus die „unerträgliche Bevormundung und Entmündigung“ des Bürgers durch das Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft an. „Die sollten rund um Nordrhein-Westfalen Schilder für Einreisende aufstellen. Aufschrift: Hier endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik Deutschland!“, tönte er durch die auf ein Bulli-Dach montierte Lautsprecher-Anlage. Vor ihm reckten Raucher und Sympathisanten Banner und Plakate in die Höhe: „Kneipentod durch Rot-Grün“, „Rauchverbot gleich Kneipen-Tod“, „Gemeinsam gegen Diskriminierung“, „Gegen Bevormundung! Für Wahlfreiheit!“ lauteten die gängigen Slogans. Engelhardt und weitere Redner geißelten Rot-Grün, wiesen auf existenzielle Einbußen vieler Wirte hin, deren qualmende Kundschaft nun die Theken meide. Dirk Deutz, Aachens Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), erklärte, dass der Getränkegroßhandel mancherorts bereits 20 Prozent weniger Bier an die Kneipiers liefere. Es drohe das Aussterben der Kneipenkultur - „für viele der einzige Ort, wo Bürger noch soziale Kontakte von Angesicht zu Angesicht pflegen“, wie Engelhardt betonte.

Mehrere hundert Meter lang war der Demonstrationszug, der sich dann über Hansemannplatz und Elisenbrunnen bis zur Parteizentrale der Grünen in der Franzstraße bewegte. Auffällig: Schulter an Schulter demonstrierten Menschen aus allen Schichten, die - abgesehen von der Ablehnung des rot-grünen Rauchverbots - sonst wohl eher wenig gemeinsam haben. So nuckelten Manager-Typen an exklusiven Zigarren, während sich Hippies ein paar „Selbstgedrehte“ gönnten. Da transportierten Südländer orientalische Shisha-Pfeifen zu Anti-Rauchverbots-Parolen durch die Stadt, während daneben ein Öcher Kegelclub Rauchfreiheit im Stammlokal forderte. Die Polizei leitete den Protestzug, flankiert von fast einem Dutzend Einsatzfahrzeugen, durch die Stadt. Trotzdem entstanden - vor allem auf der Achse Kaiserplatz-Wilhelmstraße und darüber hinaus - kilometerlange Staus.

Für September ist die nächste Demo „gegen das totale Rauchverbot in NRW“ geplant. „Wir machen weiter, bis Rot-Grün dieses unsinnige Gesetz vom Tisch nimmt“, kündigte Engelhardt an. Was Zündstoff verspricht. Vor der Wahl soll die Stimmung kippen.