Die Deklaration von Helsinki Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen wurde erstmals von den Delegierten der 18. Generalversammlung des Weltärztebundes (WMA) im Juni 1964 in Helsinki verabschiedet. Dieser noblen Zielsetzung ist die reale Welt der Berichterstattung jedoch diametral entgegengesetzt; das vorherrschende Konzept ist bekannt als »Spin«, zu Deutsch: Verdrehung.
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Die Deklaration von Helsinki "Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen" dient als wegweisende Richtlinie der Forschungsethik. In Artikel 30 heißt es:
Autoren, Redakteure und Herausgeber unterliegen bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen einer ethischen Verpflichtung. Autoren haben die Pflicht, die Ergebnisse ihrer Forschung am Menschen zu veröffentlichen, sie sind für die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Berichte verantwortlich. Zudem sind sie verpflichtet, sich an die anerkannten Richtlinien für eine ethische Berichterstattung zu halten. Sie sind verpflichtet, negative und nicht schlüssige sowie positive Resultate zu veröffentlichen oder auf andere Weise verfügbar zu machen. Finanzquellen, institutionelle Bindungen und Interessenkonflikte sollen in der Veröffentlichung angegeben werden.
Spindoktoren

Die Zeitschrift Journal of the American Medical Association (JAMA) definiert »Spin« als »besondere Form des Berichtens, die die Auslegung der Resultate verdreht und die Leser irreführen könnte«. Spindoktoren sind somit die Leute, die Daten fälschen, unter anderem wegen finanzieller Verbindungen zu Big Pharma, oder um den eigenen professionellen Status zu erhöhen oder um Forschungsgelder zu ergattern.

Eine höchst drastische Auswirkung des "Spin" zeigt sich in einer Studie, die kürzlich im JAMA veröffentlicht wurde. Wie Forscher berichteten, wurden bei 40 Prozent der expertenbegutachteten Berichte über Studien mit hervorragendem Design, die in den führenden medizinischen Fachzeitschriften der Welt veröffentlicht wurden, die tatsächlichen Ergebnisse falsch dargestellt.

Um das zu bestätigen und die Natur und Häufigkeit der verfälschten Darstellung oder des "Spin" zu identifizieren, werteten Boutron et al. systematisch 616 veröffentlichte Berichte über randomisierte kontrollierte Studien (RCT) aus. Nach der Auswertung der 72 infrage kommenden Studien kamen sie zu dem Schluss: »Bei der repräsentativen Auswahl von im Jahr 2006 veröffentlichten RTC mit statistisch nicht signifikanten Primärergebnissen entsprachen Berichterstattung und Auswertung der Ergebnisse häufig nicht den Resultaten.« Mit anderen Worten: Der größte Teil der veröffentlichten Forschung wurde bewusst verfälscht.

Der "Spin" hat den Lauf der Gesundheitsfürsorge drastisch verändert, zum Schaden von Millionen von Menschen. Zu den schockierendsten Beispielen zählt die Entscheidung des amerikanischen Cholesterin-Aufklärungsprogramms der US-Gesundheitsbehörde "National Institute of Health" aus dem Jahr 2004, den Wert für das schlechte Cholesterin LDL, ab dem präventive Maßnahmen gegen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung eingeleitet werden, herabzusenken.

Dadurch stieg die Zahl der Amerikaner, denen die Einnahme von Statinen empfohlen wurde, von 13 auf 36 Millionen. Und das, obwohl die britische medizinische Fachzeitschrift The Lancet eine sorgfältige Durchsicht der Literatur durchgeführt hatte, um zu bestätigen, ob Statine überhaupt bei einer Herzerkrankung wirksam sind. In dem anschließend veröffentlichten Bericht war zu lesen: »Zur Untermauerung einer Statin-Therapie zur Prävention dieser Erkrankung bei Frauen und bei Menschen über 65 Jahren berufen sich die Richtlinien auf sieben bzw. neun randomisierte Studien. Doch keine von beiden liefert einen entsprechenden Beweis.«

Somit gibt es für die 23 Millionen Menschen, bei denen jetzt zusätzlich »hohe LDL-Werte« festgestellt werden, keinen wissenschaftlich erwiesenen Grund zu der Annahme, sie seien gefährdet. Wegen einer Verdrehung - eines Spins - der Zahlen werden sie aber so behandelt, als bestünde ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit. Also werden sie von ihren Ärzten unter Druck gesetzt, Statine einzunehmen.


Quellen für diesen Beitrag waren u.a.:

- World Medical Association, WMAdeclaration of Helsinki - ethical principles for medical research involving human subjects [Internet]; c2013 [zitiert März 2013].

- Boutron I, Dutton S, Ravaud P, Altman DG, »Reporting and interpreting of randomized controlled trials with statistically nonsignificant results for primary outcomes«, JAMA 2010; 303(20): 2058-64.

- Hyman M., »Dangerous spin doctors: seven steps to protect yourself from deception in medical research«, Explore (NY) 2011; 7(2): 63-5.

- Abramson J, Wright JM, »Are lipid-lowering guidelines evidence-based?«, Lancet 2007; 369: 168-169.