Gremium der Ärztekammer fühlt sich unter Druck gesetzt. Es geht aber auch um zwischenmenschliche Probleme

Eklat in der Hamburger Ärzteschaft: Mit Wirkung zum März sind 21 von 29 Mitgliedern der Ethikkommission der Hamburger Ärztekammer zurückgetreten. Sie hätten den Eindruck, dass ihre Arbeit "von der Ärztekammer und Teilen der forschenden Ärzteschaft in der bisher erbrachten Art und Weise nicht mehr erwünscht zu sein scheint", heißt es in einer Erklärung, die der Welt vorliegt. In einem Schreiben an den Präsidenten der Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hatten die Unterzeichner auch erklärt, dass es unterschiedliche Auffassungen über die "Qualität medizinischer Forschung am Menschen" und den "notwendigen Patientenschutz" gebe. Zudem sei die Ethikkommission "nicht mehr in ausreichendem Maße mit personellen und sächlichen Mitteln ausgestattet worden. Dem Vernehmen nach hat allerdings der zuletzt genannte Punkt überhaupt erst zu dem Zerwürfnis geführt.

Die Ethikkommission setzt sich aus Ärzten und nichtärztlichen Mitgliedern zusammen, etwa Pflegekräften, Juristen und Bürgervertretern. Sie alle arbeiten ehrenamtlich. Zu ihren Aufgaben gehört es, Anträge für klinische Studien zu bewerten. Wenn etwa eine Forschergruppe einen möglichen Wirkstoff gegen eine Krankheit nach Experimenten mit Mäusen an Menschen testen will, begutachtet die Ethikkommission unter anderem, ob die Forscher durch ihre Qualifikationen geeignet sind und ob Aufbau und Methodik der geplanten Studie sinnvoll sind. Ob die Studie dann genehmigt wird, entscheidet - auch anhand dieser Bewertung - eine Behörde, etwa das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Für ihre Bewertungen erhebt die Ethikkommission Gebühren. Wie hoch diese sind und welche Mittel die Kommission selbst erhält, entscheidet die Ärztekammer.

In dem nun eskalierten Konflikt steckt offenbar viel Zwischenmenschliches; es geht um Kränkungen und unterschiedliche Wahrnehmungen. Etliche Forscher seien unzufrieden mit der Arbeit der Ethikkommission, heißt es; deren zurückgetretene Mitglieder wiederum fühlen sich schlecht behandelt.

Es begann wohl damit, dass die Geschäftsführerin der Ethikkommission von der Ärztekammer entlassen wurde - ohne die Mitglieder der Kommission zu informieren und "ohne Not", so stellt es jedenfalls Thomas Weber dar, der nun zurückgetretene Vorsitzende der Ethikkommission. Frank Ulrich Montgomery kann sich zu dem Vorfall nach eigenen Angaben aus vertragsrechtlichen Gründen nicht äußern.

Damals schlug der Vorstand der Ärztekammer vor, eine Arbeitsplatzanalyse durchzuführen, um zu klären, wie viele und welche neuen Mitarbeiter die Ethikkommission künftig bräuchte. Die Kommission habe das Anliegen zunächst abgelehnt, weil es um die Geschäftsstelle ging, und dafür seien sie nicht zuständig gewesen, sagt Thomas Weber. Nach Vermittlung durch Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) wurde später dann aber mit der Arbeitsplatzanalyse begonnen - sie dauert bis heute an.

Die Ethikkommission habe sich gewünscht, dass neben einem weiteren naturwissenschaftlichen Mitarbeiter auch noch ein Jurist eingestellt werde, zur Unterstützung bei rechtlichen Fragen. Bekommen hätten sie dann zwei naturwissenschaftliche Mitarbeiter, aber keinen Juristen, sagte Thomas Weber. Sie müssten unabhängig von der Ärztekammer arbeiten können - dies aber nur möglich, wenn ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Montgomery sagt, dies sei ein falscher Anspruch: "Wir haben die inhaltliche Unabhängigkeit der Kommission immer respektiert. Das heißt aber nicht, dass man unbegrenzt auf unsere Mittel zugreifen kann."

Zu dem Streit über finanzielle Mittel kommen Verstimmungen über die Arbeit der Kommission. Das Uniklinikum Eppendorf (UKE) teilte gestern mit, dass sich der Dekan im August 2013 an Senatorin Prüfer-Storcks gewandt habe, mit der Bitte um Unterstützung - insbesondere "wegen sehr langer Bearbeitungszeiten, die die Planung einzelner Forschungsprojekte gefährdeten". Montgomery, der als Radiologe am UKE arbeitet, sagt, etliche Forscher hätten mehrfach darauf hingewiesen, "dass unsere Ethikkommission nicht die Schnellste ist". Die zurückgetretene Mitglieder der Kommission wiederum fühlten sich dem Vernehmen nach zuletzt unter Druck gesetzt; Thomas Weber weist den Vorwurf zurück, die Kommission habe zu langsam gearbeitet.

Gestern erklärten die zurückgetretenen Mitglieder, die Ärztekammer könne nun die Kommission in einer Weise neu organisieren, "von der sie sich eine bessere Bewältigung der Aufgaben" verspreche. Montgomery sagte, die Ärztekammer blicke nun nach vorn und werde so schnell wie möglich neue Mitglieder vorschlagen.