Immer mehr Ukrainer müssen wegen der politischen und militärischen Krise in ihrem Land Asyl in Europa suchen, schreibt die Zeitung "Iswestija" am Donnerstag unter Berufung auf Eurostat.
Flüchtlinge
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Im dritten Quartal 2014 sei die Zahl der Asylanträge von ukrainischen Staatsbürgern von 295 auf 4930 im Vorjahresvergleich gestiegen. Das ist die Höchstmarke seit 2009, seitdem Eurostat alle drei Monate die Einwandererzahlen veröffentlicht.

Die meisten Ukrainer haben Asyl in Polen (835 Anträge, 17 Prozent), Italien (710 Anträge, 14 Prozent), Deutschland (685 Anträge, 14 Prozent), Frankreich (550 Anträge, elf Prozent) und Schweden (530 Anträge, elf Prozent) beantragt.

Bei der Gesamtzahl der Asylanträge liegt die Ukraine auf Platz 10. Die meisten Asylanträge (40 455) reichen Syrer ein. Ihnen folgen Flüchtlinge aus Eritrea (15 145), Afghanistan (10 480), Serbien (8260) und dem Irak (6405). Die Ukraine hat Russland aus den Top 10 verdrängt, dessen Bürger 4705 Anträge gestellt haben.

Asylanträge werden in der EU im Laufe von drei Monaten behandelt. In dieser Zeit darf sich der Antragsteller auf dem Territorium des jeweiligen Landes aufhalten. Wer den Asylantrag bewilligt bekommt, darf Arbeitslosengeld beziehen. Falls dieses nicht ausreicht, wird dem Flüchtling eine Arbeit angeboten, die allerdings eine geringere Qualifikation verlangt als sein früherer Job in der Heimat, erläuterte ein Mitarbeiter des European Migration Network (EMN) in Polen.

Im Unterschied zu den Ukrainern wollen immer weniger Russen nach Europa auswandern. Die von "Iswestija" befragten Experten führen das auf die in den vergangenen Monaten geschrumpfte Zahlungsfähigkeit der Russen sowie auf einen Aufschwung der patriotischen Stimmung zurück. Alexandra Dokutschajewa vom russischen Institut für GUS-Länder verwies darauf, dass in den 1990er- bzw. 2000er-Jahren sehr viele Einwohner der nordkaukasischen Teilrepubliken nach Europa strömten. Jetzt sei das nicht mehr so.

Nach Angaben des russischen Statistikamtes Rosstat wuchs die Zahl der Auswanderer zwischen Januar und September 2014 auf 103 466. Seit Oktober ging sie aber wieder allmählich zurück.

Auffallend ist noch ein Aspekt: 23 Prozent der von russischen Staatsbürgern gestellten Asylanträge wurde im dritten Quartal 2014 stattgegeben (675 von insgesamt 2915 Anträgen wurden erfüllt). Damit liegt Russland auf Platz 7. Zum Vergleich: 93 Prozent der syrischen Antragsteller dürfen in der EU legal bleiben. Was die Ukrainer angeht, so wurden bisher 15 Prozent der gestellten Anträge (120 von 800) bewilligt. Weitere 4130 Anträge werden später behandelt.

Russen wollen in 80 Prozent der Fälle als politische Asylanten nach Europa. 55 Prozent der Ukrainer stellen Anträge aus humanitären Gründen. Offensichtlich wegen der in der Ukraine ausgerufenen Mobilmachung entfallen mehr als 70 Prozent auf Männer im Alter zwischen 18 und 64 Jahren. Zum Vergleich: Bei den russischen Asylbewerbern sind es 29 Prozent.


Auch in Russland wächst die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge. Laut dem Föderalen Migrationsdienst sind vom 1. April 2014 bis 31. Januar 2015 mehr als 800 000 Ukrainer nach Russland eingereist, ohne das Land später zu verlassen. Die Regierung hat deshalb ein erleichtertes Verfahren zur Behandlung der Asylanträge konzipiert, die jetzt nur drei Tage dauert. Danach dürfen sich die Flüchtlinge bis zu 270 Tagen in Russland aufhalten.