Zwei verschiedene Mechanismen bewerten moralische oder unmoralische Handlungen
Schuld,beschuldigen,Sündenbock
© Thinkstock / Brian A. JacksonWie stark wir jemandem Schuld zuweisen hängt stark davon ab, ob wir Absicht unterstellen oder nicht.
Absicht oder nicht? Handelt jemand unmoralisch, so unterstellen wir ihm schneller Absicht als bei positivem Handeln. Grund für diesen Gegensatz sind zwei verschiedene Mechanismen im Gehirn, wie Neuropsychologen herausgefunden haben: Je emotionaler wir reagieren, desto eher unterstellen wir Absicht. Bei rationalem Denken bewerten wir das Ergebnis einer Handlung dagegen eher als ungewollten Nebeneffekt, erläutern die Forscher im Journal Scientific Reports.

Egal ob wir beobachten, wie jemand einem alten Menschen über die Straße hilft oder sich in einer Warteschlange vordrängelt, oder ob wir gar Zeuge eines Verbrechens werden: Wir interpretieren die Absichten anderer Menschen und urteilen danach. Wie eng solche Urteile mit unserem Denken verknüpft sind, zeigt ein philosophisches Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, ein Top-Manager weiß genau, dass sein geplantes Vorgehen die Umwelt schädigen wird. Die Umwelt ist ihm jedoch egal, und er setzt seinen Plan allein wegen des Profits für sein Unternehmen um. Hat er nun absichtlich die Umwelt geschädigt?


Kommentar: Man könnte sagen, die vielfältigen negativen Konsequenzen seiner Entscheidung waren ihm egal genug, um sie dennoch zu treffen. Interessant ist auch das Beispiel des Managers selbst. Immerhin fühlen sich besonders psychoapthische Personen in Berufen wie der Finanzwelt, die eine Machtposition vermitteln, wohl. Es fragt sich, inwiefern Artikel oder Untersuchungen wie diese dazu benutzt werden, die Urteilsfähigkeit der Menschen zu verwässern, wenn es um die Feststellung von unmoralischem Verhalten geht. Gerade weil die Identifzierung von Personen, deren Verhalten schädlich für die Gemeinschaft ist, essentiell ist, um Schaden einzudämmen oder von vornherein zu vermeiden.


Schädliche oder gute Absichten?

Diese Frage beantworten über 80 Prozent der Menschen mit "Ja", wie eine frühere Studie zeigte. Ersetzt man in dem Experiment jedoch "schädigen" durch "schützen", so unterstellen interessanterweise nur noch weniger als 25 Prozent der Befragten dem Manager eine Absicht. Psychologen bezeichnen dies als den "Knobe-Effekt": Warum verurteilen wir eine als schlecht wahrgenommene Handlung so schnell, sind aber bei lobenswerten Aktionen zurückhaltender?

"Es gibt keinen logischen Grund, warum wir etwas als absichtlich bezeichnen, nur weil es zu einem schlechten statt einem guten Ergebnis führt", meint Scott Huettel von der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina. "Absicht unterstellt ein Ziel der handelnden Person, und das sollte für Gutes genauso wie für Schlechtes vorhanden sein. Ist es aber nicht."

Emotionen bestimmen negatives Urteil

Der Psychologe hat zusammen mit Kollegen erstmals mit neurowissenschaftlichen Methoden untersucht, wie dieses vorschnelle Urteilen über negative Handlungen oder die Zurückhaltung gegenüber positiven Handlungen in unserem Gehirn entsteht. Dazu ließen sie zunächst hunderte von Probanden eine Reihe ähnlicher Szenarien wie das des umweltschädlichen oder - freundlichen Managers bewerten. Außerdem analysierten sie die Hirnaktivität von 20 Probanden, während diese ein Urteil über die Absichten von Personen in diesen Szenarien abgaben.

Die Forscher fanden heraus, dass dabei zwei verschiedene, voneinander unabhängige Entscheidungsprozesse im Gehirn stattfinden: Bei einem negativen Ausgang der Handlung waren besonders solche Hirnregionen aktiv, die Emotionen verarbeiten. Vor allem die Amygdala spielte eine wichtige Rolle. Dieser Teil des Gehirns ist bekanntermaßen wichtig für die Verarbeitung negativer Emotionen wie Furcht und Ärger. Je emotionaler die Probanden auf ein Szenario reagierten, desto aktiver war auch ihre Amygdala.

Positive Bewertung nach statistischen Maßstäben

Im Gegensatz zu dieser emotionalen Reaktion auf negative Ausgänge spielt bei einer positiven Bewertung ein anderes System die Hauptrolle. In diesem Fall ging das Gehirn der Versuchsteilnehmer eher rational vor und bewertete die Handlung nach statistischen Maßstäben. Im Falle des Managers, der die Umwelt schützt, liefe die Argumentation demnach etwa wie folgt ab: Statistisch gesehen geht es Managern vor allem um Profit, Umweltschutz ist nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt.

Diese Erkenntnis über die unterschiedliche Bewertung von Absicht ist unter Umständen auch für die Rechtsprechung von Bedeutung: Ob ein Vergehen absichtlich geschah oder nicht, entscheidet maßgeblich über das Urteil vor Gericht. Doch Huettel zufolge zeigt die neue Studie, dass die Entscheidung über die Absicht auch entscheidend davon abhängt, wie unmoralisch oder schädlich das Vergehen selbst war, und wie starke negative Reaktionen es hervorruft.

(Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep17390) (Duke University, 04.12.2015 - AKR)