Auch Pflanzen können sich "erinnern" - etwa an Kältezeiten, um zu wissen, wann sie blühen sollen. Wie sie das machen, ist ein Rätsel. Die Biologin Susan Lindquist hat nun womöglich eine Antwort gefunden: Prionen
Kommunikation zwischen Pflanzen
Cambridge/London/Wien - Pflanzen gelten als geist- und gefühllose Lebewesen. Aber obwohl ihnen ein Hirn und Nerven fehlen, besitzen sie doch so etwas wie eine Art von Gedächtnis. Sie "erinnern" sich an Kälteperioden und "wissen", wann sie am besten mit dem Blühen beginnen. Womöglich können Pflanzen sogar "zählen", wie kürzlich in einer Studie über Venusfliegenfallen festgestellt wurde, die sich bis zu vier Stunden lang "merken" können, wie oft sie von einem potenziellen Beutetier berührt wurden.

Doch wie dieses offensichtlich existierende "Pflanzengedächtnis" funktioniert, ist ein großes Rätsel. Vermutet werden epigenetische Mechanismen, also vererbbare Anlagerungen an der DNA, die steuern, welche Gene abgelesen werden. Wie vieles andere im Bereich epigenetischer Vererbung ist freilich auch diese These noch recht spekulativ.

Fehlgefaltete Proteine

Eine der Pionierinnen in diesem spannenden Forschungsfeld ist die US-Molekularbiologin Susan Lindquist (Whitehead Institute), die mit mehreren Studien über die sogenannten Hitzeschockproteine oder über Proteinfaltung Aufsehen erregt hat. Ein weiteres Spezialgebiet von Lindquist ist die Forschung über Prionen - und die könnten beim Pflanzengedächtnis eine wichtige Rolle spielen.

Vor allem kennt man diese fehlgefalteten Proteine im Zusammenhang mit degenerativen Hirnerkrankungen wie BSE, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder Kuru. Prionen sind bei Säugetieren aber auch an der Signalübertragung im Immunsystem beteiligt. Eine ähnliche Funktion als Signalsystem haben sie bei der Hefe, wo sie auch als eine Art Gedächtnis fungieren.

Für ihre neue Studie im Fachmagazin PNAS suchten Lindquist und ihr Team bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana nach Spuren solcher Prionenproteine. Das sind Eiweiße, die sich sowohl in die normale Form als auch in die Prionenform falten und auf diese Weise weitere Proteine in Prionen umwandeln können.

Einflussreiches Eiweiß

Das Team wurde bei mehr als 500 Proteinen fündig; dazu zählten auch vier von acht Proteinen, die den Blühsignalweg kontrollieren. Und beim Blühzeitpunkt geht es um "erinnerte" Erfahrungen. In einem zweiten Schritt überprüfte Lindquist, ob diese Proteine auch Prionen bilden können, und schleuste sie zu diesem Zweck in Hefe ein.

Tatsächlich bildete das aus Arabidopsis stammende Eiweiß namens Luminidependens (LD) echte Prionen, die das Wachstum der Hefe beeinflussten. Dieser Einfluss hielt zudem über mehrere Generationen an.

Damit zeigte Lindquist erstmals für ein Pflanzenprotein, dass es sich wie ein Prion verhalten kann: Die sogenannte Priondomäne von LD sei in der Lage, angrenzende Domänen in einer stabilen und vererbbaren Weise zu verändern. Nach Ansicht der Forscher spricht das dafür, dass das Gedächtnis der Pflanzen zumindest zum Teil auf solchen Prionen basiert.

Vom Fachblatt Nature befragte Forscher reagierten interessiert auf die Studie, hielten sie aber zum Teil für spekulativ. Noch müsse etwa geklärt werden, wie genau das LD-Protein die Erinnerung an Kältezeiten speichert.

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