Deutsche Sicherheitsbehörden neigen dazu, die Grenzen der präventiven Überwachung immer weiter zu ziehen und möglichst viel über die Menschen zu erfahren, so der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum während der Präsentation der russischen Übersetzung seines Buches „Rettet die Grundrechte: Bürgerfreiheit contra Sicherheitswahn“ in Moskau.
Gerhart Baum
© Sputnik/ Sergej Pirogow
„Jemand, der sich nie im Leben etwas zu Schulden kommen lässt, wird plötzlich im Bahnhof, im Zug oder im Bus neben einem Verdächtigen gesehen und ist plötzlich auch verdächtig. Wir werden registriert und fotografiert“, stellte Baum fest.

Nun möchte man wissen, was mit diesen Daten geschehe. „Eine Schreckensvorstellung von mir ist, dass wir überall Kameras haben, und dann entschlüsselt wird, wer auf den Kameras zu sehen ist. Und zwar automatisch.»

Wenn die Google-Brille immer weiter entwickelt werde, könne sie uns Auskunft geben, mit wem wir reden, fährt der Politiker weiter fort. „Wir sitzen in der Bahn neben einer Frau, wir finden sie nett und erfahren plötzlich durch die Brille, dass sie eine ganz schlimme Person ist: fünf geschiedene Ehen hinter sich und noch was — nichts Freundliches. Das muss alles nicht stimmen. So dringen wir in die Privatheit anderer Leute ein. Ohne irgendeinen Grund.“

Das sei aus der Sicht von Gerhart Baum eben die Grenze. „Sie liegt dort, wo die Geheimdienste nicht mehr die Bürger schützen, sondern zum Instrument der Mächtigen werden, um die Bürger zu unterdrücken. Es ist doch schlimm, dass man alle möglichen Freiheitseinschränkungsmaßnahmen macht, aber das Richtige dann versäumt.“


Soll man die Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste und die totale Kontrolle über die Gedanken und Aktivitäten in Sozialnetzen tolerieren, um die Menschen vor der terroristischen Gefahr zu schützen, fragt der Ex-Bundesinnenminister.

Ist der Präventionsstaat die einzig mögliche Antwort auf die terroristische Bedrohung? Soll die Bundeswehr bestimmte Gefährdungslagen aufklären? Soll sie polizeiliche Aufgaben übernehmen? Das sei ein falscher Weg, ist sich Gerhart Baum sicher.


Kommentar: Der Terror der genau von diesen Mächtigen bewusst kreiert wird um diesen Kontrollstaat aufzubauen...


Der FDP-Politiker meint, dass man wieder vor der Frage steht, ob man bei der Verteidigung der Freiheit diese nicht selbst beschädigt. „Und das tun wir immer, wenn wir maßlos werden und überreagieren, wie einst der Staat im Falle der Roten Armee Fraktion auf hysterische Weise überreagiert hat.“ Und er selbst sei daran beteiligt gewesen, gibt er zu. Die RAF habe die hohen Repräsentanten des Staates und der Wirtschaft in Visier. Nicht die Bevölkerung, wie jetzt, meint Gerhart Baum. Keine U-Bahn und keinen Flughafen.


Kommentar: Die Mächtigen benutzen diesen Terror gegen die Bevölkerung um Angst zu schüren und damit diesen Polizeistaat weiter auszubauen.


„Heute werden aber Symbolentscheidungen getroffen, die die Bevölkerung beruhigen sollen, die aber die Freiheit beschädigen. Die schlimmsten sind Entscheidungen, die nicht zu Verbrechensbekämpfung beitragen, aber tief in die Privatheit und in die Menschenwürde unbeteiligter Menschen eingreifen“, meint der Politiker. „Die neuen Kommunikationstechniken ermöglichen es, unendlich viele Informationen auf Vorrat, präventiv zu sammeln. Nach dem Motto - man wird sie doch mal brauchen können. Und der Dammbruch ist mit der NSA geschehen.


Kommentar: Dieser Virus schwappt aus den USA zu uns über...


Die neuen Kommunikationstechniken bezeichnet er als eine große Verführung für die Sicherheitsbehörden. „Auf diese Weise nehmen sie die unbescholten Bürger ins Visier. Und das ist ein Angriff auf unsere Privatheit und Menschenwürde.


Kommentar: Richtig.


Zusammen mit seinen Freunden hat er Beschwerde gegen das Eindringen der Polizei in die Privatheit eingelegt. Die Polizei sei kein Nachrichtendienst, ist Gerhart Baum überzeugt. „Wir haben ein Gesetz zum Fall gebracht, das die Speicherung von Telefondaten vorsah, alle Kommunikationsverbindungen — sogenannte Metadaten. Da wurde mal gesagt: Das sind nur die Verbindungen und nicht die Inhalte. Aber die Verbindungen haben es in sich. Es ist ja hochinteressant: Mit wem, wie oft und wann wir telefonieren. Mit einem Arzt? Mit welchem Arzt? Wie oft? Warum? Mit einer Frau? Mit einem Mann? Wann? Diese Metadaten geben Auskunft, wer wir sind, geben unsere IP-Adressen preis.“

Gerhart Baum führt Beispiele an, wie das Auto zu einem fahrenden Computer wird, der spricht und Informationen über uns sammelt: wie, wohin und mit wem wir fahren, wie wir kommunizieren. Die neuen Stromzähler in Deutschland geben Auskunft darüber, welches Fernsehprogramm wir gesehen haben. Allein an der Frequenz kann man es ablesen. Wir laufen in die Überwachungsgesellschaft hinein. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Privatheit verteidigen“, resümiert der ehemalige Bundesinnenminister.