Nicht nur Menschen erkranken im Alter an Alzheimer, erinnern sich nicht an ihre Kinder und Ehepartner - auch Tiere leiden unter Demenz. Hunde und Katzen finden sich in ihrem Revier nicht mehr zurecht, sie erkennen „ihre“ Menschen nicht mehr.
Hund und KAtze kuscheln schlafen
© bodza2 – fotoliaAuch Haustiere erkranken an Demenz.
Katzen mit Nervenstörungen haben die gleichen Beta-Amyloide wie Menschen mit Alzheimer. Diese Stoffe stören die Informationsvermittlung im Gehirn.

Die Tiere finden keine Ruhe, sie interessieren sich nicht mehr für ihr Spielzeug, Katzen maunzen ständig ohne äußeren Anlass, Hunde bellen. Die Tiere „vergessen“ zu fressen, sie hinterlassen ihren Kot und Urin in der Wohnung.

Demenz, oder, in der Sprache der Tiermedizin, kognitive Dysfunktion, ist dabei nicht einfach zu diagnostizieren. Jedes Symptom kann, für sich genommen, auf andere Krankheiten verweisen, und jede zweite Katze wird im Alter krank: Nierenversagen ist zum Beispiel eine typische Alterserscheinung bei (fast) allen Katzen; die fehlende Kontrolle des Schließmuskels führt ebenfalls dazu, dass die Tiere nicht stubenrein bleiben; ständiges Maunzen und Bellen kann auch an Schmerzen liegen, unter denen das Tier leidet. Erblinden schließlich führt ebenfalls zu Orientierungslosigkeit.

Viele Halter denken, ihr Tier zeige den Verschleiß des Alters, ganz ähnlich wie Verwandte die ersten Phasen der Demenz oft als normale Senilität ansehen.

Der Tierarzt erkennt mit einer Magnet-Resonanz-Tomografie und anhand des Blutbildes, ob eine Demenz vorliegt. Allerdings handelt es sich dabei um Pionierarbeit, denn Demenz unter Tieren ist zwar seit einem halben Jahrhundert bekannt, aber erst seit circa 10 Jahren ein Thema.

Haustiere werden immer älter

Der Grund dafür ist, dass sich die Krankheit erst in größerem Maß ausbreitet, seit Hunde und Katzen in den Industrieländern immer älter werden. Eine Katze auf dem Bauernhof unserer Großeltern wurde selten älter als sieben Jahre, heute sind Katzen mit 18 oder 19 Jahren keine Seltenheit. Zudem fehlte in der traditionellen Tierhaltung weitgehend die Sensibilität, sich mit psychischen Verwirrungen alter Tiere zu beschäftigen.

Symptome beim Hund

Betroffene Hunde wirken desorientiert. Sie laufen ziellos umher, starren ins Leere, bleiben hinter Möbeln „stecken“, warten an der falschen Tür, setzen sich statt neben auf die Straße, wenn ein Auto kommt, blicken sich ratlos um, wenn sie rausgehen, als ob sie vergessen, was sie da wollen. Sie hören nicht mehr auf ihren Namen oder auf Kommandos wie Sitz-Platz-Fuß. Sie sind nicht mehr belastbar, können keine Hindernisse mehr überwinden, die ihnen vorher leicht fielen, Retriever erinnern sich zum Beispiel nicht mehr an das Apportieren.

Hunde verlieren vor allem das Ringen um Aufmerksamkeit bei „ihren Menschen“. Oft reagieren Sie nicht mehr, wenn die Familie zusammen kommt und sitzen unbeteiligt herum, während die Kinder spielen.

Schleichender Verlauf

Eine Demenz verläuft bei Tieren ebenso schleichend wie beim Menschen: Anfangs sitzt die Katze vielleicht im Garten und findet ihre Katzentür nicht mehr, oder der Hund gibt falschen Alarm. Außerdem sind die Tiere während der ersten Phase zwischendurch immer wieder normal. Doch die Demenz verläuft progressiv, insgesamt geht es also immer weiter bergab.

Demente Katzen

Typische Anzeichen für Demenz bei einer Katze sind Unsauberkeit, die Katze putzt sich nicht mehr und hinterlässt überall ihren Kot, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit, zielloses Herumwandern, Verlust von Raum und Zeit (wenn die Katze aufwacht, weiß sie nicht, wo sie ist) - aber auch Apathie.

Diese Symptome sind besonders deutlich, weil sie sich vom normalen Verhalten einer Katze unterscheiden: Katzen maunzen, weil sie gestreichelt und gefüttert werden wollen, weil sie aus der Wohnung raus oder in die Wohnung rein wollen; sie wandern zielgerichtet zu ihren Schlaf- und Aussichtsplätzen, und erwachsene Katzen suchen von sich aus einen festen Ort, um ihren Kot abzusetzen.

Medizin

Für Hunde gibt es Präparate, die gezielt die kognitiven Dysfunktionen dämpfen sollen, nämlich Aktivatit von Vetplus und Senilife von Innovet Italia. Bei beiden Produkten handelt es sich um Kombinations­präparate, die Antioxidantien sowie Stoffe enthalten, die die Gedächtnisleistung steigern wie beispielsweise Phosphatidylserin, Coenzym Q10 oder Gingko biloba. Sie lassen sich dem Futter beigeben.

Medikamente können die Demenz zwar nicht aufhalten, aber bremsen. Propentopfyllin zum Beispiel steigert die Durchblutung im Gehirn

Hirnjogging und Behandlung

Fehlende geistige Herausforderungen fördern vermutlich den Zeitpunkt und Verlauf der tierlichen Demenz.
Wie bei menschlicher Demenz ist Vertrauen und Inspiration für die tierlichen Betroffenen wichtig, damit ihr Gehirn aktiv bleibt und so die Demenz aufhält: Demente Tiere brauchen viel Aufmerksamkeit und neue Herausforderungen, zum Beispiel unbekannte Gerüche und neue Spaziergänge für Hunde, neue Spielzeuge für Katzen.

Beim Tierarzt

Wenn ihr Haustier Symptome einer Demenz zeigt, sollten sie unbedingt zum Tierarzt. Eine Demenz bei Katzen und Hunden ist fast immer auch mit körperlichen Beschwerden verbunden, die das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen - und umgekehrt.

Der Tierarzt überprüft die Schilddrüsenwerte, den Blutdruck, die Nieren und die Leber. Manchmal handelt es sich auch nicht um Demenz, sondern um Gelenkschmerzen, unter denen alte Katzen sehr leiden.

Recht auf Faulheit

Mehr als zuvor ist für die demente Katze eine feste Tagesstruktur wichtig. Geben Sie ihr zu den immer gleichen Zeiten an der gleichen Stelle ihr Futter. Richten Sie flache Schalen als Katzentoiletten ein, und sorgen Sie für „altersgerechte“ Ruheplätze. Die zuvor so geliebten Verstecke in den dunkelsten Schrankecken sind nichts mehr für die verwirrten Methusalems. Achten Sie darauf, dass die Kinder die Katze nicht mehr zum Spielen animieren, wenn sie ruhen will.

Die demente Katze genießt es, an einem Ort in der Sonne zu liegen und zu schlafen.

Fehldiagnosen

Beim Hund heißt die Demenz kognitives Dysfunktionssyndrom. Interpretieren Sie aber nicht normale Prozesse des Alters über. Der alte Hund verändert seinen Schlaf-Wach-Rhythmus. Er schläft mehr, und er tobt weniger. Alte Hunde sind weniger lernfähig und können sich schlechter erinnern als junge. Auch das ist keine Krankheit.

Vernachlässigen ist keine Demenz

Vor allem ist ein Hund nicht dement, weil er vernachlässigt wird. Ein verfetteter Labrador-Rüde, der lethargisch herum liegt, weil sein Halter ihn zwar süß findet, aber diesem Schwerarbeiter keine Aufgabe gibt, hat keine kognitiven Dysfunktionen. Diät und Apportiertraining bringen ihn wieder in Form.

(Dr. Utz Anhalt)