Nach einem Einsatz in einer Tankstelle, stellt die Besatzung eines Streifenwagens fest: Ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand fehlt. Die Suche nach der MP5 bleibt erfolglos. Der ganze Fall.
Heckler und Koch Typ MP5
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"Schusswaffen, Magazine und Munition sind so aufzubewahren, dass sie gegen Abhandenkommen und unbefugten Zugriff wirksam gesichert sind." Dieses Zitat stammt aus einem Papier zum dienstlichen Umgang mit Schusswaffen bei der hessischen Polizei. In Sachsen dürfte es ähnlich lautende Vorschriften geben. Dennoch vermisst die Polizei in Leipzig derzeit eine Waffe, um genau zu sein: eine Maschinenpistole der Marke Heckler und Koch vom Typ MP5.

Am Donnerstagabend geht ein Anruf aus einer Tankstelle im Südwesten von Leipzig bei der Polizei ein. Die Kassiererin des Ladengeschäfts meldet, dass sie von drei Jugendlichen mit einem Cuttermesser bedroht worden sei, nachdem sie diese vor die Tür gesetzt habe. Inzwischen habe sie zudem festgestellt, dass zwei Flaschen Limonade aus dem Laden geklaut wurden. Die mutmaßlichen Täter flüchten.


Kommentar: Dafür muss man mit einem Maschinengewehr anrücken?


Eine Streife wird zu der Tankstelle geschickt, um die Anzeige aufzunehmen und die Umgebung nach den Jugendlichen abzusuchen. Die Suche bleibt erfolglos. Nach dem Einsatz stellen die Beamten allerdings fest, dass ihnen ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand fehlt: besagte Maschinenpistole.

Keiner weiß, wo und wie die Waffe verschwand

Wie und wo einer der Polizisten die Waffe verloren habe, sei nun Gegenstand der Ermittlungen, sagt ein Polizeisprecher. "Wir drehen jeden Stein um, zwischen dem Revier und dem Einsatzort." Es sei mit Spürhunden und spezieller Suchtechnik nach der verlorenen Maschinenpistole gesucht worden - bislang ohne Erfolg.

Wie die Leipziger Volkszeitung schreibt, ist noch unklar, ob die Waffe "vom Dach des Polizeifahrzeugs oder aus dem Wagen gerutscht ist." Ein Anwohner habe später ein Magazin auf der Straße gefunden. Deshalb geht die Polizei davon aus, dass sich keine Munition in der Waffe befindet. Und auch einen Diebstahl schließt sie aus.

Wenn die Maschinenpistole nicht geklaut wurde, wie ist sie dann verlorengegangen?

Warum die Waffe aus dem konkreten Fall in Leipzig überhaupt aus dem Fahrzeug verschwinden konnte, ist unklar. Normalerweise befindet sich die Maschinenpistole verschlossen in einem gesicherten Fach im Innern des Streifenwagens. Einer der Beamten muss sie dort aktiv herausgenommen haben. Zu welchem Zweck? Schließlich handelte es sich weder um einen Terroranschlag, noch um eine andere bedrohliche Situation.

In Sachsen regelt das Polizeigesetz (SächsPolG), wann Schusswaffen von Polizisten gebraucht werden dürfen. Dort heißt es: "Der Schusswaffengebrauch ist nur zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorliegen und wenn einfach körperliche Gewalt sowie verfügbare Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder mitgeführte Schlagstöcke erfolglos angewandt worden sind oder ihre Anwendung offensichtlich keinen Erfolg verspricht."

Wenn hier von "Schusswaffengebrauch" die Rede ist, dann meint das "Schießen". Die gezückte Waffe vor dem Körper als Einschüchterungsmaßnahme, im Fachjargon "Offensive Waffenhaltung" genannt, fällt nicht unter diese Regelung. Ihr Einsatz wird von den Einsatzkräften situationsabhänging und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entschieden. Ob es verhältnismäßig ist, die Maschinenpistole auszupacken, wenn drei Jugendliche, einer davon zwölf Jahre alt, in einer Tankstelle mit gezücktem Cuttermesser Limonade klauen, muss ein Richter entscheiden. Den Polizisten, der die Dienstwaffe verloren hat, erwartet ein Disziplinarverfahren.

Die MP5 ist eine der populärsten Maschinenpistolen der Welt. Polizei, der Zoll und Teile der Bundeswehr nutzen die MP5 standardmäßig. Das baden-württembergische Rüstungsunternehmen Heckler & Koch stellt sie seit 1966 her und beschreibt die Waffe auf seiner Website als "enorm zuverlässig, äußerst anwendersicher, einfach in der Handhabung, modular im Aufbau, extrem präzise und im Schuß außerordentlich gut kontrollierbar". Zweifelhaften Ruhm erlangte die Waffe in Deutschland dadurch, dass die Terrorgruppe RAF sie in ihrem Logo verwendete.

Nach den Anschlägen von Paris rüstete die deutsche Polizei bundesweit auf. In Sachsen sind alle Einsatzfahrzeuge seither mit Schutzwesten und Maschinenpistolen ausgestattet. Als Konsequenz aus den Anschlägen in Ansbach und Würzburg hat die Regierung des Freistaat Sachsen angekündigt, 13Millionen Euro in die Aufrüstung der Polizei investieren zu wollen.

SZ.de/dpa/lkr