Al Nusra Kämpfer,Rebellen Syrien
© ReutersKämpfer der al-Nusra-Front in Syrien.
Westliche Politiker und Medien werfen Russland vor, syrische Rebellen in Aleppo zu bekämpfen, statt einen Waffenstillstand zu schließen. Was das Wort der Dschihadisten tatsächlich wert ist, mussten die USA jedoch schon mehrfach am eigenen Leibe erfahren.

Während sich Helfer vor Ort bemühen, die humanitäre Feuerpause in Ost-Aleppo zur Versorgung Bedürftiger zu nutzen, werden westliche Mainstreammedien und Politiker nicht müde, russische und syrische Streitkräfte für die erschreckende Lage der mehreren zehntausend verbliebenen Zivilisten in dem umkämpften Stadtteil verantwortlich zu machen.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte der Süddeutschen Zeitung zufolge vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel, dass die vorübergehende Feuerpause nicht ausreiche und daran gearbeitet werden müsse, einen "andauernden Waffenstillstand" zu erreichen.

Angaben darüber, wer der Partner Syriens und der im Auftrag der dortigen Regierung präsenten russischen Streitkräfte in der dafür erforderlichen Vereinbarung sein soll und zu welchen Bedingungen diese zustande kommen soll, machte die Kanzlerin nicht und auch in den Kommentarspalten der Medien, die sich wortgewaltig ihrer Position anschlossen, ist diesbezüglich wenig zu lesen.

Über die "Aufständischen" bzw. "Rebellen", mit denen Russlands Präsident Putin nach dem Willen westlicher Politiker und Kommentatoren den "andauernden Waffenstillstand" aushandeln soll, ist in hiesigen Medien generell verhältnismäßig wenig zu erfahren. Westliche Vorwürfe hinsichtlich vermeintlicher "Kriegsverbrechen" und angeblicher "Unmenschlichkeit", die von Damaskus und der Russischen Föderation ausgehen würden, gehen einher mit solchen der fehlenden Gesprächsbereitschaft. Man kreidet Russland an, sich die Darstellung der syrischen Regierung zu eigen zu machen, es gäbe keine "moderate" Opposition unter den bewaffneten Verbänden, sondern es würde sich in jedem Fall um "Terroristen" handeln.


Kommentar: Die Unterscheidung zwischen "moderaten Rebellen" und "extremistischen Terroristen" ist eine weitere Farce der USA, die ihnen moralische Legitimität verschafft, die von ihnen als "moderat" eingestuften Terroristengruppen für ihre Zwecke in Syrien zu benutzen.

Die Russische Föderation weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zwischen so genannten "moderaten" Rebellen und solchen, die auch im Westen als Terroristen eingestuft werden, nicht nur situationsabhängig Bündnisse und fließende Übergänge bestehen, sondern dass es zwischen den entsprechenden Vereinigungen eine außerordentlich hohe Fluktuation gäbe. Hingegen sei dort, wo es zu lokalen Bündnissen zwischen der so genannten "moderaten Opposition" und terroristischen Verbänden gekommen sei, entgegen entsprechender Zusagen vonseiten der USA nicht zu bemerken, dass es zu einer Entflechtung oder gar Trennung zwischen den Gruppierungen käme. Vielmehr sinke dadurch die Hemmschwelle vonseiten der so genannten "Moderaten", selbst terroristische Taktiken anzuwenden.

Dass offenbar die USA selbst als Partner vieler so genannter "moderater" Milizen - beispielsweise der "Freien Syrischen Armee" (FSA) - mit deren Absonderung von den "gestandenen" Terrorverbänden überfordert sein könnten, darauf deuten Analysen wie die jüngst auf dem US-Portal PJ Media erschienene hin, in der unbequeme Tatsachen im Zusammenhang mit dem US-Partnerprogramm für syrische Rebellen angesprochen wurden, die offiziell dafür vorgesehen sind, gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu kämpfen. Tatsächlich scheint dieses Milliarden US-Dollar verschlingende Programm dem Zweck zu dienen, bei Gelegenheit doch noch auf mögliche Protagonisten vor Ort für einen "Regime Change" bauen zu können.

Am Dienstag soll jedenfalls, so berichtet PJ Media, ein ganzes Bataillon, nämlich die Muhammad Rasoolullah Brigade der Rebellengruppe Faylaq al-Sham, zur Dschabhat Fatah al-Sham übergelaufen sein - die bis vor kurzem noch unter der Bezeichnung "Al-Nusra-Front" firmiert hatte.
Die besondere Pikanterie aus US-amerikanischer Sicht stellt dabei die Tatsache dar, dass Faylaq al-Sham, zuvor Teil der im Kern von den syrischen Muslimbrüdern gesteuerten Dschaisch al-Fatah, zu jenen "Rebellen"-Gruppen gehörte, die vonseiten der Amerikaner als in ihrer "moderaten" Haltung überprüft und sozusagen "zertifiziert" ausgegeben wurden.

Bereits Ende September hatte das Portal darauf hingewiesen, dass sich mehrere FSA-Einheiten in Aleppo offen mit der Dschund al-Aqsa zusammengeschlossen hatten - nur eine Woche, nachdem auch das U.S. State Department diese als terroristische Organisation eingestuft hatte.

Der Wechsel der von den USA ausgebildeten und ausgerüsteten sowie von der Türkei unterstützten Faylaq-Brigade, die in der Gegend um Idlib operierte, in die Reihen der früheren Al-Nusra wurde auf Twitter von Angehörigen und Sympathisanten beider Verbände bestätigt. Fluktuationsbewegungen und Bündniswechsel dieser Art wurden bislang oft mit "militärischen Sachzwängen im Bodenkrieg" begründet. Angehörige der Milizen machen jedoch selbst deutlich, dass ideologisch und hinsichtlich des Bekenntnisses zu "revolutionärer Gewalt" zwischen die "moderaten" Gruppierungen und die "anerkannten" Terrorgruppen kein Blatt passt.

Insbesondere trifft die in westlichen Darstellungen vielfach anzutreffende Auffassung nicht zu, die Umbenennung Al-Nusras in Dschabhat Fatah al-Sham wäre von einem "Bruch" mit Al-Qaida begleitet gewesen. Vielmehr, so betont auch PJ-Analyst Patrick Poole in seiner Analyse, war das "Rebranding" ausdrücklich von Al-Qaida abgesegnet. Nicht von ungefähr war bei der "Umbenennungszeremonie" der später durch einen US-Drohnenschlag getötete, langjährige al-Zawahiri-Vertraute Abu Faraj al-Masri anwesend.

In seinem Beitrag zählt Poole mehr als 30 folgenschwere Fälle seit Juli 2014 auf, die exemplarisch das Versagen der US-Regierung in der Syrienpolitik zeigen. So oft wechselten von den USA "überprüfte" und trainierte "moderate" Rebellen die Seiten und schlossen sich "offiziellen" terroristischen Gruppen ab, arbeiteten zusammen mit diesen oder "verloren" Waffen, mit denen die USA sie ausgestattet hatten, an terroristische Gruppen.

Allein aus der Zeit zwischen Juli und Dezember 2014 dokumentiert das Portal ein Dutzend Fälle, in denen so genannte "moderate" Rebellen unter Mitnahme ihrer von den USA gestifteten Waffen entweder zum IS oder zu Al-Nusra übergelaufen oder mit beiden zusammen zu kämpfen begonnen hatten.

Im Jahr 2015 brachen einige der so genannten "moderaten" Gruppen auseinander und der IS oder Al-Nusra vermochten zu mehreren Gelegenheiten, Kämpfer und Kriegsgerät daraus zu requirieren. Im Juli 2015 verschwand eine 50 Mann starke, handverlesene Rebellenarmee, deren Training US-Präsident Obama selbst angeordnet hatte, nach Abschluss ihrer Ausbildungseinheiten in der Türkei. Im gleichen Monat gelang es aus Tschetschenien nach Syrien gelangten Terroristen, an Panzerabwehrraketen aus US-Beständen zu gelangen.

Auch der Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die türkische Luftwaffe, infolge dessen durch türkische Kämpfer verstärkte Terroristen, die in den Reihen der so genannten "moderaten Rebellen" agierten, auch einen Piloten töteten, wird als Beispiel für eine aus den Ruder gelaufene Partnerschaft mit "Oppositionellen" genannt.


Erst jüngst im September 2016 wurde unter anderem bekannt, dass der neue Kommandant des IS erst 2014 ein Trainingsprogramm des U.S. State Department durchlaufen hatte. Auch der frühere Kidnapper eines britischen Journalisten in Syrien hat es Angaben des Opfers zufolge mittlerweile zu einem hoch dekorierten, CIA-geprüften FSA-Kämpfer gebracht. Offenbar spricht sich unter Dschihadisten mittlerweile herum, dass ein von den USA finanziertes Training als "moderater" Rebell einen umso schnelleren und höheren Quereinstieg bei IS und Al-Nusra zu sichern vermag. Gleichzeitig hält sich die Dankbarkeit gegenüber dem Sponsor in überschaubaren Grenzen: So stieß, wie der PJ-Media-Beitrag verriet, das Video, das am 16. September auf YouTube gestellt wurde und zeigte, wie FSA-Kämpfer Angehörige von US-Spezialeinheiten mit dem Tode bedrohen, auch in den Vereinigten Staaten selbst auf Aufmerksamkeit.

Angesichts der Tatsache, dass die so genannte "moderate" Opposition auch schon mal ihre Waffen gegen diejenigen richtet, denen sie diese erst verdanken, stellt sich umso mehr die Frage, wie verlässlich solche "Partner" als Teil einer Waffenstillstandsvereinbarung wären, wie sie Merkel und weitere EU-Politiker anregen.