Obwohl das "Deutsche Bündnis Kindersoldaten" seit Jahren vor einer Zunahme von Minderjährigen bei der Bundeswehr warnt, gehen die Zahlen stetig weiter nach oben. Werbemassnahmen wie die YouTube-Serie "Die Rekruten" geraten nun zunehmend in die Kritik.
Die Bundeswehr während einer Parade in Berlin
© Reuters/ Hannibal HanschenkeDie Bundeswehr während einer Parade in Berlin. Deutschland, 2015
Anfang Dezember stellte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die neue "Personalstrategie der Bundeswehr" vor. Es gehe darum „Frauen und Männer mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Ort [zu] haben“, so die Verteidigungsministerin. Sie ergänzte:
Damit stellen wir die personelle Einsatzbereitschaft sicher, erfüllen in einem breiten, wechselvollen Einsatzspektrum unsere Aufträge und ermöglichen eine angemessene sicherheitspolitische Rolle Deutschlands.
Seit dem die allgemeine Wehrpflicht am 1. Juli 2011 ausgesetzt wurde, kämpft die Bundeswehr mit Nachwuchsproblemen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, stellte in einem Interview mit dem Handelsblatt fest:
Im Juni 2016 hatten wir die kleinste Bundeswehr aller Zeiten.
Um Abhilfe zu schaffen, erhöhte die Bundeswehr ihr Kommunikationsbudget deutlich. Und konzentriert sich nun erkennbar auf die Zielgruppe Jugendliche und junge Erwachsenen. Allein im Jahr 2015 hat das Verteidigungsministerium 35,2 Millionen Euro für Nachwuchswerbung ausgegeben. Das sind ganze 23,2 Millionen mehr als noch im Jahr 2010.

Die neue Kommunikationsstrategie sieht verschiedene Maßnahmen vor. So gehen unter anderem sogenannte Jugendoffiziere an Schulen, um Jugendliche für den Wehrdienst anzuwerben. Die Schüler werden mit "einer sicheren Lebensgrundlage" sowie einer Ausbildung oder einem Studium gelockt.

Das auch Kinder ins Visier der Bundeswehr geraten können, belegte der diesjährige „Tag der Bundeswehr." Nachdem Fotos von der Veranstaltung veröffentlich wurden, auf denen freundlich lächelnde Soldaten Kindern den Umgang mit einem Sturmgewehr zeigen, kam es zu heftigen Protesten.
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Zu der Kommunikationsoffensive gehören auch Praktikumsangebote. Bereits 14-Jährigen wird auf der Website der Bundeswehr ein Schülerpraktikum von zwei bis drei Wochen angeboten, sowohl im „zivilen Bereich“ als auch „bei den Streitkräften“. Die Praktikumsplätze befänden sich
in der Regel in militärischen Einrichtungen und die Kollegen auf Zeit sind zu einem großen Teil Soldaten, sodass unsere Praktikanten genügend Gelegenheit haben, Eindrücke über den Arbeitgeber Bundeswehr zu gewinnen.
Die Zahl der Minderjährigen, die an der Waffe ausgebildet werden, steigt kontinuierlich. Traten im Jahr 2010 noch 496 Minderjährige in die Bundeswehr ein, wurden allein dieses Jahr schon 1576 Minderjährige rekrutiert. Eine besondere Rolle bei der Rekrutierungskampagne unter Jugendlichen spielt zweifelsohne die die neue Webserie Die Rekruten.


Die Serie erscheint an fünf Tagen die Woche mit einer neuen Folge auf „Youtube“ und dokumentiert drei Monate lang die Ausbildung zwölf junger Rekruten. Das Produktionsbudget der Serie beläuft sich auf 1,7 Millionen Euro. Plus 6,2 Millionen für Werbung auf Facebook und in anderen sozialen Medien und Netzwerken.

In der Serie werden zehn Männer und zwei Frauen bei ihrer dreimonatigen Grundausbildung in Parow bei Stralsund mit der Kamera begleitet. Zum Teil filmen die Protagonisten sich in YouTube-bewährter Selfie-Optik auch selbst. Man kann zum Beispiel dabei zuschauen wie die jungen Rekruten eingekleidet oder morgens um fünf Uhr geweckt werden.

Oder man erfährt, dass der 18 Jahre alte Jerome aus Nordrhein-Westfalen auf Tattoos und Fitness steht und dass er sich von der Grundausbildung „Ordentlichkeit und Disziplin“ sowie „Spaß an der Sache“ erhofft. Und dass die gleichaltrige Julia aus Thüringen Motocross fährt und sich zunächst „mega“ auf die neue Herausforderung freut, dann aber weinen muss, als sie ihre Piercings ablegen soll.

Reality-TV in bekannter Privatsender-Ästhetik. Inklusive zielgruppengerechter Indoktrination:
Was sind schon 1.000 Freunde im Netz, gegen einen Kameraden?
Doch der Widerstand und die Kritik an der Serie wachsen. Auf "YouTube" kursieren immer mehr Videos, die sich kritisch mit der Serie auseinandersetzen. Eine vom „Peng! Collective“ gestaltete Website kaperte für einen Tag die Bundeswehr-Kampagne und lag mit über 150.000 Aufrufen bei Suchanfragen schnell vor der offiziellen Kampagnen-Site der Bundeswehr.

Die perfekt nachgestellte Website ersetzte die Berufsvorschläge der Bundeswehr durch „Arzt“, „Lehrer“, oder „Flüchtlingshelfer“ und die Werbesprüche durch Slogans wie „Dein Leben für die Mächtigen“ und „Der Krieg kann dich zerstören“.

Auch an den Universitäten regt sich Widerstand. An der Universität Hamburg hat der offizielle Protest des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) dazu geführt, dass das Studierendenwerk die Bundeswehr-Werbung in den Mensen nicht mehr schaltet. Ende November hat sich auch das Studierendenparlament (StuPa) der Berliner Humboldt-Universität gegen die Bundeswehr-Werbung an ihrer Universität ausgesprochen.