In der Welt der Diplomatie gelten normalerweise besonders strenge Regeln der politischen Korrektheit. Die russische Botschaft in London ficht das nicht an. Nach der Entscheidung Barack Obamas, 35 russische Diplomaten auszuweisen, reagiert diese mit einem sarkastischen Tweet und landet einen viralen Hit.
lame duck
"Lame Duck" - Die russische Botschaft in London reagiert mit einem Meme auf Barack Obamas Entscheidung, russische Diplomaten auszuweisen.
Es gehört zu den Eigenheiten des digitalen Zeitalters, dass ein einzelner Tweet größere politische Wirkung haben kann als eine Entscheidung des US-Präsidenten. So nun auch geschehen im Falle des medialen Schlagabtausches, der folgte, nachdem US-Präsident Barack Obama verkündet hatte, als "Vergeltung" für unbewiesene "russische Hacker-Angriffe" 35 Diplomaten des Landes zu verweisen.

Der Vorwurf, Moskau habe mittels Hacks Daten erbeutet, diese an WikiLeaks weitergeben und damit die US-Wahlen zu Gunsten Donald Trumps beeinflusst, lässt sich ohnehin nicht halten. Sowohl Julian Assange als auch Craig Murray, der frühere britische Botschafter in Usbekistan und ein enger Vertrauter des WikiLeaks-Herausgebers, dementierten die offenkundig erfundenen CIA-Berichte, wonach Russland für das Datenleck verantwortlich sei.

Geradezu auf postfaktische Art und Weise ignoriert Obamas scheidende US-Regierung jedoch alle Zweifel an der eigenen Verschwörungstheorie konsequent, Vize-Präsident Joe Biden forderte gar schon US-amerikanische Hacker-Angriffe auf den Kreml zum Zwecke der Vergeltung.

Dass Barack Obama nicht gewillt sein würde, sein Amt zu verlassen, ohne sich für die angeblichen Cyberattacken zu rächen, kündigte dieser bereits zu Beginn der Woche an. Nun die Entscheidung über die konkrete Strafmaßnahme: 35 russische Diplomaten müssen die USA verlassen, auch sollen zwei russische Niederlassungen in den Vereinigten Staaten geschlossen werden. Insgesamt 72 Stunden bleiben den Staatsbediensteten, um die Reise in die Heimat anzutreten.

Während Moskauer Regierungsvertreter den Schritt scharf verurteilen und von einer "Gefahr für die Beziehungen zwischen Russland und den USA" sprechen, sieht man die Entscheidung Washingtons in der russischen Vertretung zu London eher gelassen bis kopfschüttelnd.

Zwar sei das ganze wie ein Déjà-vu aus Zeiten des Kaltes Krieges, letztendlich sei aber jeder froh, wenn sich die Zeit der "hilflosen Obama-Regierung" dem Ende zuneigt. Dazu postete die Botschaft das Bild eines Entenkükens mit dem Schriftzug "LAME" - Die lahme Ente.

So bezeichnet man US-Präsidenten, die in der Periode der Amtsübergabe oder aufgrund der Stimmenverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus eigentlich keine ernstzunehmenden Entscheidungen mehr treffen können. Die Ausweisung der Diplomaten wertet man in London wohl als eine Art Verzweiflungstat.
Tweet lame duck
Den Nerv der Twitter-Nutzer hat die Botschaft damit getroffen. Über 15.000 Mal wurde die Kurznachricht bisher weiterverbreitet.

An den Vorwürfen, Moskau sei für die Veröffentlichung von E-Mails aus dem Umfeld Hillary Clintons verantwortlich, zweifeln auch die IT-Experten auf dem derzeit stattfindenden 33. Chaos Computer Congress. Die Story sei schlichtweg nicht glaubwürdig, weil diese sich technisch nicht belegen lasse.

Die Anschuldigungen aus Washington nutzt die deutsche Politik derzeit auch, um ähnliche Vorwürfe gegen Moskau im Zusammenhang mit der kommenden Bundestagswahl zu formulieren. Russland plane mit Cyberangriffen, die Wahlen zu manipulieren, so das Narrativ. Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko stellte hierzu jüngst eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Das Ergebnis: Auch bei dieser Geschichte fehlen jegliche Belege, die eine solche Anschuldigung rechtfertigen.