NATO Kolumbien,NATO Lateinamerika
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Die zunehmend zum "Vorwärtsverteidigungsbündnis" mutierende NATO will ihren Kompetenzbereich auf Lateinamerika ausdehnen. So soll zunächst Kolumbien zum Partner eines Assoziierungsabkommens werden. Bogotá hat vor allem innenpolitische Motive für den Schritt.

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos verkündete am 24.12.2016 einer überraschten Öffentlichkeit, dass die NATO bereit sei, einen Assoziierungsvertrag mit Kolumbien zu vereinbaren. Erste Gespräche stünden bereits auf der Tagesordnung. Damit soll Kolumbien in Zukunft den gleichen Status wie Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea und Afghanistan erhalten, ohne jedoch direktes Mitglied der NATO zu werden.


Kommentar: Diese Assoziierung dient dazu, diese Länder für die Machtinteressen und Verbrechen der USA und anderer mächtiger NATO-Mitglieder nutzbar zu machen. Afghanistan hatte und hat unter diesen Ländern am meisten unter der NATO zu leiden.


Die Nachricht platzte mitten in den weltweit mit hohen Erwartungen verbundenen Friedensprozess, der einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg in dem lateinamerikanischen Land beenden soll. Warum aber blieb ein so einschneidender Faktor bislang im Zusammenhang mit diesem internationalisierten Friedensprozess unerwähnt?

Das Ereignis hat eine längere Vorgeschichte: Schon am 6. Juni 2013 unterzeichnete die kolumbianische Regierung in Brüssel ein erstes Memorandum mit der NATO über "Kooperation und Informationsaustausch". Es ging dabei primär um eine beiderseitige Verpflichtung zur Wahrung von Geheiminformationen, die bei einer künftigen Zusammenarbeit eine Rolle spielen könnten.

Ein weiteres Dokument mit dem Titel "Verhaltenskodex" legt die Verpflichtung von Drittstaaten fest, durch die Zusammenarbeit mit der NATO erlangte Mittel nicht gegen die Interessen der Mitgliedsstaaten einzusetzen. Es handelt sich bei beiden Abkommen um Einstiegsverträge für einen künftigen Assoziierungsvertrag.

Worin der Sinn und Zweck der Kooperation mit der NATO besteht, wurde zunächst nicht ins Detail hinein erörtert, sondern sehr allgemein mit der "Verteidigung gemeinsamer Interessen" umschrieben. In dem vom kolumbianischen Parlament 2014 dazu verabschiedeten Gesetz Nr. 1734 über die geplante Zusammenarbeit werden hingegen einige Ziele deutlicher.

Die von den USA hochgerüstete Armee des Landes soll weiter an die Normen und Standards der NATO-Truppen angepasst werden. Kolumbien soll im Gegenzug seine jahrzehntelange Erfahrung im Kampf gegen "bewaffnete Gruppen in einem schwierigen Gelände" in die NATO-Ausbildungsprogramme einbringen. Doch auch eine direkte Beteiligung an NATO-Operationen ist vorgesehen, wie sie Kolumbien bereits in Afghanistan praktiziert. Das Land will seine Truppen außerdem stärker in UNO-Missionen einbinden.

Im Wege der NATO-Zusammenarbeit wurde Kolumbien im Oktober 2014 auch schon zu zivilen und militärischen Einsätzen der Europäischen Union eingeladen, die den schönen Namen "Krisenbewältigung" tragen. Als Erstes ging es in die Ukraine, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits mitten im Bürgerkrieg befand. Im Grunde läuft die Angelegenheit also auf eine Rundum-Verwendung der Soldaten aus Südamerika hinaus. Fazit: Die Teilnahme der kolumbianischen Streitkräfte an "geopolitischen Szenarien" soll verstärkt werden.


Kommentar: Also, als Kanonenfutter in den verschiedenen "Krisenprojekten" der psychopathischen Eliten des Westens.


Die NATO-Kooperation und diverse Abenteuer in fernen Ländern scheinen der Preis zu sein, den Präsident Santos zahlen muss, um den Friedensprozess mit der FARC-EP und der ELN verwirklichen zu können. Rund 550.000 Soldaten der kolumbianischen Armee müssten nun nach Ende des Krieges im eigenen Land zum überwiegenden Teil entlassen werden. Eine zivile Perspektive haben nicht alle von ihnen.

Deshalb gilt: Nur wenn sie eine attraktive berufliche Zukunftsperspektive erhalten, werden sie den Friedensprozess akzeptieren und mittragen. Andernfalls ist die Gefahr groß, dass arbeitslose ehemalige Militärs sich erneut in paramilitärischen Einheiten organisieren und den Großgrundbesitzern und Großkonzernen ihre tödlichen Dienste anbieten. Die nun vorgezeichnete Alternative besteht in einer Art Dienstleistungsarmee mit hohem Prestige, orientiert an Angebot und Nachfrage.

Formal ist der ausschlaggebende Grund für die NATO-Kooperation Kolumbiens hingegen in dem Strategiepapier des US-Südkommandos unter dem Titel "Partnerschaften in Amerika 2018" zu finden. Darin wird gefordert, in Lateinamerika Sicherheitspartnerschaften aufzubauen. Man solle den Ländern, die dafür in Frage kommen, den höchsten Status eines Verbündeten ohne NATO-Mitgliedschaft anbieten - Major Non-NATO Ally -, und das ist die Assoziierung.

In der Begründung für den Kooperationsvertrag mit der NATO, die sich in der Gesetzesvorlage 1734/2014 findet und die anschließend auch das Plazet des Präsidenten Santos fand, heißt es:
Die Rolle Kolumbiens als bedeutender Akteur in den Szenarien der Region, der (westlichen) Hemisphäre und weltweit gründet sich auf den Kapazitäten seiner Streitkräfte. Wir wollen sie durch unterschiedliche Mechanismen der bilateralen, Dreiecks- und multilateralen Zusammenarbeit festigen.
Ein staatliches Selbstverständnis solcher Art steht jedoch im völligen Gegensatz zum Konzept der Staatenintegration Südamerikas und der Karibik, in der die Konfliktlösung durch Verhandlungen absoluten Vorrang hat. Der Zusammenschluss der Union der Südamerikanischen Staaten (UNASUR) im Jahr 2008 war das politische Instrument, das sicherstellen sollte, dass die Diplomatie als einzig denkbare Form der Auseinandersetzung zwischen den Staaten des Kontinents und der Karibik erfolgreich praktiziert wird. Kolumbien ist Mitglied der UNASUR.

Die Ächtung militärischer Mittel und die Verpflichtung zum Frieden in ganz Mittel- und Südamerika bestimmten auch die gemeinsame Staatenerklärung von Havanna aus dem Jahre 2014, mit der die Region feierlich als "Friedenszone" deklariert wurde. Erneut verwiesen die Signatarstaaten damals auf den Vertrag von Tlatelolco/Mexiko aus dem Jahre 1969, wodurch Atomwaffen in Mittel- und Südamerika verboten sind. Auch Kolumbien gehört zu den Unterzeichnerstaaten.

Doch Kolumbiens Präsident Santos bewegt sich sehr flexibel in entgegengesetzten Welten. Als er im Dezember 2016 den Friedensnobelpreis entgegennahm, erfand er in seiner Rede in Oslo eine utopische, erweiterte Friedenszone:
Amerika ist eine Friedenszone. Sie reicht von Alaska bis Patagonien.

Kommentar: Es ist doch klar, dass die kriegslüsterne NATO sich gleich an den neuen Inhaber des Kriegsnobelpreises Friedensnobelpreises "heranmachen" muss: Kolumbien hat dafür mit Krieg (und wenn auch außerhalb von Südamerika) zu zahlen!


Die Zusammenarbeit mit der NATO ist in Kolumbien selbst und in ganz Lateinamerika umstritten. Über zwei Jahre lang dauerte die Auseinandersetzung zwischen Kongress, Generalstaatsanwalt und Verfassungsgericht, bis der Vertrag am 26. Oktober 2016 endlich legalisiert werden konnte.

Für den Frieden mit der FARC-EP und der ELN ist die zu erwartende erhöhte Militarisierung des Landes, in dem der Schwerpunkt laut Friedensabkommen auf einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung liegen sollte, ein weiterer Rückschlag. Das provokative Verhalten militärischer Einheiten gegenüber FARC-Mitgliedern in verschiedenen Landesteilen während der vergangenen Wochen lässt darauf schließen, dass eine NATO-Zusammenarbeit dort als Rückendeckung für Wühlarbeit gegen den Frieden verstanden wird.

Die Nachbarstaaten Kolumbiens wie Venezuela, Bolivien, Ecuador und Brasilien haben wiederholt die Zusammenarbeit mit der NATO und der Europäischen Union scharf kritisiert.


Kommentar: Und absolut zu Recht!!!!


Sie sehen darin eine direkte militärische Bedrohung der Sicherheit in der Region. Sie befürchten, dass durch eine Beteiligung an den Kriegen der NATO, etwa im Nahen Osten, auch Kolumbien und dessen Nachbarstaaten ins Visier terroristischer Bedrohungen geraten könnten. Auch die atomwaffenfreie Zone, die einst feierlich erklärt worden war, könne durch eine NATO-Anbindung in Gefahr geraten. Eine unklare und unvorhersehbare militärische Entwicklung an ihren Grenzen ist an sich schon ein Sicherheitsrisiko.
Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass die internationale militärische Zusammenarbeit Kolumbiens die Sicherheit der Nachbarländer und der Region gefährden würde", war die lapidare Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.
Die Verträge mit der NATO und der EU ermöglichen es dem zunehmend zum "Vorwärtsverteidigungsbündnis" mutierten Zusammenschluss, einen Brückenkopf an einem geostrategisch zentralen Punktim Herzen Südamerikas aufzubauen.

Damit sind nicht nur militärische Interessen verbunden, sondern auch eine verstärkte politische Einflussnahme in der Region, wie auch Kanzlerin Merkel 2014 erklärte:
Die Bundesregierung hat ein besonderes Interesse daran, dass Kolumbien seiner Rolle als regionale Gestaltungsmacht gerecht wird.