Aus einem Polizeihubschrauber wurden Granaten auf Venezuelas Oberstes Gericht abgeworfen. Staatschef Maduro spricht von einem Putschversuch. Die Streitkräfte des Krisenstaats sind in Gefechtsbereitschaft.
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Sollte Nicolás Maduro gestürzt werden? In Venezuela ist es am Dienstag möglicherweise zu einem Putschversuch gegen die Regierung des angeschlagenen Staatschefs gekommen. Ein offensichtlich gekaperter Polizeihubschrauber überflog gegen 18 Uhr Ortszeit in der Hauptstadt Caracas das Oberste Gericht (TSJ) und warf Granaten ab. Anwohner bestätigten örtlichen Medien, auf das Gebäude sei auch gefeuert worden. Die Granaten explodierten nur zum Teil, verletzt wurde niemand.

In der Nähe des Gerichts liegt auch der Präsidentenpalast Miraflores. Unmittelbar nach der Attacke fuhren Panzerwagen auf und sicherten den Sitz des Staatschefs. Außerdem wurden die Streitkräfte Venezuelas in Gefechtsbereitschaft versetzt. Maduro sprach am Abend von einem "terroristischen Angriff", dem ein "Aufruf zum Staatsstreich" vorausgegangen sei.

Der Helikopter wurde offenbar von einem abtrünnigen Offizier gesteuert, der sich als Oscar Pérez ausgab. Er hatte ein Plakat an dem Hubschrauber angebracht, auf dem "350 Freiheit" stand. Dies bezieht sich auf den Artikel 350 der venezolanischen Verfassung. Er gibt dem Volk das Recht, einer Regierung die Rechtmäßigkeit abzuerkennen, wenn sie die Demokratie und die Menschenrechte verletzt.

"Wir werden alles daran setzen, den Hubschrauber zu finden", kündigte Maduro an. Pérez habe vom Helikopter aus erst 15 Schüsse auf das Innenministerium abgegeben und dann vier Granaten auf das Oberste Gericht geworfen, behauptete die Regierung. Pérez ist Mitglied des Sondereinsatzkommandos BAE und war außerdem Chef der Flugstaffel der venezolanischen Polizei.


Es war zunächst unklar, ob Perez alleine für die Tat verantwortlich ist - oder ob dahinter eine größere Offensive militärischer Kreise steckt, um den umstrittenen linksnationalistischen und autoritär regierenden Staatschef von der Macht zu verdrängen. Maduro kündigte an, die Verantwortlichen ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen.


Kommentar: Wenn man nach Verantwortlichen sucht, braucht man nur die Geheimdienste der USA anschauen.


Immer wieder sind in den vergangenen Wochen Berichte an die Öffentlichkeit gedrungen, nach denen Offiziere der verschiedenen Sicherheitskräfte dem Präsidenten die Gefolgschaft verweigerten. Erst am Montag wurden fünf Männer wegen angeblicher Verschwörung festgenommen.

Auf dem sozialen Netzwerk Instagram hatte der selbst ernannte Putschist Pérez eine Botschaft gepostet, bei der er zur Rebellion gegen Maduros "Tyrannei" aufrief. Er las ein Statement vor, während hinter ihm vier maskierte und schwer bewaffnete Männer standen. "Wir sind eine Koalition aus Militärs, Polizisten und Zivilisten, die gegen diese kriminelle Regierung sind. Wir gehören keiner politischen Strömung oder Partei an, sondern sind Nationalisten, Patrioten und Anhänger der Institutionen", sagte der Offizier. "Wir kämpfen gegen die Straflosigkeit dieser Regierung".


Wenige Stunden vor dem Zwischenfall hatte Maduro die Stimmung im Land weiter aufgeheizt, als er versprach, gegen seine Gegner mit Gewalt vorzugehen. "Wenn Venezuela in Chaos und Gewalt gestürzt und die Bolivarische Revolution zerstört werden soll, werden wir in den Kampf ziehen", drohte er vor Anhängern. "Was wir nicht mit Wahlstimmen schaffen, erreichen wir dann mit Waffen".

Maduro will das Land in einen sozialistischen Staat verwandeln

Seit Monaten gehen beinahe täglich Menschen auf die Straße und fordern die Ablösung der Regierung. Dabei sind allein seit April 77 Menschen ums Leben gekommen. In der Stadt Maracay wurden nach Ausschreitungen und Plünderungen am Montag 200 Menschen festgenommen.

Maduro, der vor gut vier Jahren das Präsidentenamt vom verstorbenen Staatschef Hugo Chávez übernommen hat, will am 30. Juli eine verfassungsgebende Versammlung einberufen. Diese soll ein neues Grundgesetz ausarbeiten und das südamerikanische Land zu einem sozialistischen Staat umbauen.


Die Opposition und weite Teile der Bevölkerung sind gegen diesen Plan und fürchten, Venezuela gehe damit endgültig den Weg in eine Diktatur. Außerdem plant Maduro, das oppositionelle Parlament endgültig zu entmachten.

Venezuela steckt in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Im vergangenen Jahr brach die Wirtschaftsleistung um etwa 18 Prozent ein, 90 Prozent der Exporteinnahmen kommen aus dem Ölverkauf. Der niedrige Weltmarktpreis verschärft die Lage der Regierung zusätzlich. Schon jetzt fehlen die notwendigen Devisen, um ausreichend Lebensmittel und Medikamente einzukaufen. Das Land steckt in einer tiefen Versorgungskrise. Zudem leidet Venezuela unter der weltweit höchsten Inflation.

Maduro verfügt über weniger als 20 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung und hat daher die vorgesehenen Kommunal- und Regionalwahlen abgesagt. Ebenso wie ein in der Verfassung vorgesehenes Abberufungsreferendum, das die Opposition anstrengen wollte.